Alain Claude Sulzer – Fast wie ein Bruder – Review
Mit “Fast wie ein Bruder” erzählt uns Alain Claude Sulzer die Geschichte von zwei Männern, die einen Teil ihres Lebens gemeinsam verbrachten, durch Schicksale verbunden und sich doch im Kern ganz fremd waren. Das Coverbild deutet die wesentlichen Merkmale des Romans bereits an; es geht um Kunst und Einsamkeit. Das wiederum steht konträr zum Wärme und Harmonie vermittelnden Buchtitel, den der Autor doch nicht hätte besser wählen können.
Eine Geschichte von Kunst, Einsamkeit und unerwarteter Verbundenheit
“Fast wie ein Bruder” von Alain Claude Sulzer wird aus der Perspektive von Franks Freund erzählt, die beiden wuchsen gemeinsam im Ruhrgebiet auf. Irgendwann trennten sich ihre Wege und der homosexuelle Frank lebte in New York ein in jeder Hinsicht exzessives Leben. Der Schreibstil des Autors ist sachlich, häufig sogar kühl, ganz bewusst beschreibt er Frank aus der Perspektive eines Heterosexuellen und stellt ihn triebgesteuert und ausschweifend dar. Die Wege der Freunde kreuzen sich nur sporadisch, erst als Frank unheilbar erkrankt, wird das Verhältnis wieder enger. Seinen Nachlass nimmt sein Freund, der mittlerweile in Frankreich lebt, nur pro forma und ohne großes Interesse entgegen.
Kunst als Spiegel einer ungleichen Freundschaft
Nach vielen Jahren wird er auf eine Ausstellung aufmerksam, die mit den Bildern von Frank bestückt ist. Der wird als der geniale Unbekannte gefeiert, mit den Bildern, die sein Freund bis dahin noch nicht mal angesehen hat. Nachträglich wird der nun mit der Perspektive von Frank konfrontiert, erkennt viele entscheidenden Orte und Situationen in den Bildern.
“Fast wie ein Bruder” von Alain Claude Sulzer greift die Tatsache auf, dass man auch als Geschwister zwangsverbunden und trotzdem mitnichten seelisch im Einklang ist. Über die abseitigen Ausdrucksmöglichkeiten in der Kunst finden die beiden Freunde auch nach dem Tod des einen zumindest eine ähnliche Ebene. Ein absolut auf den Punkt formulierter Roman, der lange nachhallt und das Cover am Ende in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt.
Seiten: 192
Verlag: Galiani-Berlin
ISBN-10: 3869712945
ISBN-13: 978-3869712949
VÖ: 15.08.2024
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