Alexander Gorkow – Die Kinder hören Pink Floyd – Review
Der Düsseldorfer Autor Alexander Gorkow legt mit „Die Kinder hören Pink Floyd“ einen neuen Roman vor. Alleine das plakative Platzieren der britischen Rockband und die Verwendung eines Regenbogenfarbverlaufes auf dem Buchcover funktionieren schon alleine als Kaufanreiz. Aber selbstverständlich überzeugt der Roman auch inhaltlich, selbst wenn er ganz anders ist, als der Titel suggeriert. Gorkow nimmt uns mit in seine Kindheit in den Siebzigerjahre, in den Muff einer Vorstadt, in der die Nachwehen des Krieges überall greifbar waren und man sich trotzdem zugunsten des aufkeimenden Wohlstandes blenden ließ und bereit war, vieles zu ignorieren. Es muss ja irgendwie weiter gehen.
Aus der Sicht eines Kindes
Man muss nicht unbedingt zu dieser Zeit gelebt haben, aber einige Erinnerungen sind natürlich dementsprechend intensiver. Wer zum Beispiel selbst im Funkhaus Evertz eingekauft hat, sich als Kind über die Präsenz des damals schon gruselig wirkenden Heino im TV gewundert oder tatsächlich das Glück hatte, dass Gesamtwerk von PINK FLOYD Platte für Platte für sich erschließen zu können, wird einen anderen Zugang zu „Die Kinder hören Pink Floyd“ von Alexander Gorkow haben. Die Erwähnung von Markennamen, das Beschreiben von gesellschaftlichen Ritualen und auch das exzessive Fernsehgucken sind herrlich nostalgisch. Wir erleben die Geschichte aus der Sicht eines 10 Jahre alten Jungen, er sendet quasi seinen Empfindungen direkt an uns, beschreibt die Umstände und Orte aus seiner Perspektive. Genau das ist anfangs verwirrend, noch dazu stottert er. Seine Gedanken sind also kindlich interpretiert und seine Empfindungen arglos und nichtsahnend. Es braucht seine Zeit, bis man sich darauf einlassen kann.
Der Spaß versteckt sich in der Tristesse
Dann kann man sich herrlich amüsieren, über die Loriot-Haftigkeit, die er unterhaltsam beschreibt und erst dann bemerkt man die Feinheiten und die detaillierte Sezierung von vermeintlichen Alltagssituationen. „Die Kinder hören Pink Floyd“ von Alexander Gorkow ist mitnichten durchweg spaßig. Die eingangs angedeutete Tristesse ist aber in jeder Episode spürbar und überall lauern die Folgen des Krieges, an jeder Ecke verstecken sich schrullige und vielseitig traumatisierte Personen. Ein wichtiger Handlungsstrang ist die herzkranke Schwester des Erzählers, die die Dinge wiederum sachlicher und nüchterner interpretiert und vieles auf eine andere, schon fast philosophische Ebene hebt. Fans von PINK FLOYD werden sich ebenfalls über die vielen Referenzen und die leidenschaftlichen Beschreibungen der einzelnen Songs freuen. Der Bandname ist nicht nur ein Kaufanreiz gewesen und gipfelt sogar in der Beschreibung eines Treffens mit Roger Waters.
Selbst wenn man Gefallen an der Erzählweise von „Die Kinder hören Pink Floyd“ von Alexander Gorkow findet, so ist es doch ein Roman, der in gewisser Weise auf der Stelle tritt. Der Weg zum Ende ist das Ziel und Trauer und Komik wechseln so schnell, dass man manchmal nicht schnell genug hinterherkommt. Alexander Gorkow nimmt ganz kleine Schritte durch die Story und gewährt uns dann doch noch einen kurzen Blick in die Zukunft. Erst dann realisiert man, welchen Einfluss die Vergangenheit auf den Erzähler hatte und bekommt ein ganz anderes Gefühl für Zeit und Wertigkeit.
Seiten: 192
Verlag: KiWI-Verlag
ISBN-10: 3462052985
ISBN-13: 978-3462052985
VÖ: 11.02.2021
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