Anne Stern – Fräulein Gold: Schatten und Licht (Band 1) – Review
Mit “Fräulein Gold: Licht und Schatten” macht uns die deutsche Schriftstellerin Anne Stern mit dem Berlin der Zwanzigerjahre bekannt. An der Seite der Hebamme Hulda Gold erfährt man als LeserIn aber nicht nur einiges Wissenswertes über die damalige, harte Zeit. Ehe man sich versieht, steckt man mitten in einem Kriminalfall, flankiert von dem Herzenschaos der liebenswerten Protagonistin, der auch ein Gespenst aus der Vergangenheit anzuhaften scheint.
Liebe, Krimi und Geschichte
Es geht um die ertrunkene Rita, die Nachbarin einer Frau, die Hulda Gold während deren Schwangerschaft betreut. Warum musste Rita sterben, wer hatte ein Interesse an ihrem Tod? Die Frage lässt Hulda nicht los und mutig, aber auch blauäugig, begibt sich sich auf eine gefährliche, und von vielen nicht gerne gesehene, Spurensuche. Als LeserIn kann man wunderbar mitraten, den spannenden Erkundungen folgen und weiß sich immer wieder sicher aufgefangen, von einer Handvoll vertrauter Personen.
Anne Stern präsentiert uns nicht nur Hulda Gold so charmant und nahbar, dass man sich sofort mit ihr verbinden kann. Darüber hinaus gibt es noch den väterlichen Zeitungsverkäufer Bert, die neugierige Vermieterin Frau Wunderlich, den undurchsichtigen Kommissar Karl und Huldas verflossene Liebe Felix Winter und seine strenge Mutter als stabile NebendarstellerInnen. Dazu kommen noch viele andere authentische und auch entscheidende Begegnungen und GegenspielerInnen, trotz allem lässt sich leicht der Überblick behalten und “Fräulein Gold: Licht und Schatten” wirkt – auch aufgrund der überschaubaren Handlungsorte – wie ein kleines Theaterstück.
Liebenswerte Protagonistin
Anne Stern stellt Hulda Gold als selbstständige Frau dar. Obwohl sie unverheiratet ist, ist sie mit nur 26 Jahren als mobile Hebamme auffällig autonom und unerschrocken. Ihre Ausflüge ins Berliner Nachtleben oder ihre Ermittlungen im einschlägigen Milieu, sind selbst für heutige Verhältnisse äußerst waghalsig. Neben der durch den Krieg verursachten Armut und den damit verbundenen Ängsten der damaligen Bevölkerung, beschreibt Anne Stern auch den Überlebenswillen, Pragmatismus und die charmant-schnoddrige Art der Berliner realistisch. Der Buchtitel greift die ausgewogene Stimmung also gut auf und die unterschiedlichen Atmosphären halten den Lesespaß hoch.
Die Berlinerin Anne Stern hat für “Fräulein Gold: Licht und Schatten” sehr gut über ihre Heimatstadt recherchiert. Gebäude, Plätze und politische Begebenheiten entsprechen größtenteils den Tatsachen, genauso wie der Umgangston und die harten Zustände. In wenigen Wochen erscheint der zweite Band der Reihe, es lohnt sich also jetzt einzusteigen in die Welt von Fräulein Gold.
Seiten: 400
Verlag: Rowohlt Taschenbuch
ISBN-10: 3499004275
ISBN-13: 978-3499004278
VÖ: 16.06.2020
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