Amerikas Gotteskrieger Annika Brockschmidt Buchcover

Annika Brockschmidt – Amerikas Gotteskrieger: Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet – Review

In ihrem Buch „Amerikas Gotteskrieger: Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet“ beschreibt uns die Autorin Annika Brockschmidt chronologisch, welche Kräfte in Amerika sich, mit welchen Zielen, gegenüberstehen und wer sich mit wem, zu welchem Zweck verbindet. Das Ziel der Evangelikalen ist klar, sie streben eine direkte Verknüpfung von Kirche und Staat an, um möglichst viel Einfluss zu haben und ihre Vorstellung von einem von Gottes Wort geprägten Amerika umzusetzen.

Die Ziele der Evangelikalen gehen also Hand in Hand mit Frauenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit, Ablehnung von Weiterentwicklung, Hass gegen LGBTQ+ und weisen somit starke Überschneidungen mit rechten Idealen auf. Dem gegenüber steht die Demokratie, die eine strikte Trennung vorsieht und eine progressive Entwicklung der Gesellschaft anstrebt.

Politik als Steigbügel, Wählerstimmen um jeden Preis

Annika Brockschmidt arbeitete für „Amerikas Gotteskrieger: Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet“ so präzise, dass einem beim Lesen ganz schwindelig wird, vor lauter Querverweisen, Jahreszahlen, Erläuterungen von Gesetzen und Kurzbeschreibungen von unterschiedlichen Protagonisten, die im späteren Verlauf noch eine wichtige Schlüsselrolle spielen. Dass der ehemalige Präsident Donald Trump in dem Buch auftaucht, ist keine Überraschung. Selbstredend versuchte er die verhältnismäßig große Wählergruppe für sich zu begeistern, was ihm wegen seines wenig christlichen Lebenswandel gar nicht so leicht fiel.

Die Fahne im Wind

Doch er fand andere Wege, befürwortete öffentlich das Verbot von Abtreibungen, obwohl er sich Jahre zuvor genau gegensätzlich geäußert hatte. Seine regelmäßige Demonstration von mangelnder Bibelfestigkeit, legten ihm die Evangelikalen kurzerhand trotzdem positiv und als „frisch erleuchtet“ aus. Er setzte immerhin mit Mike Pence einen extremen Christen als Vizepräsident ein, der wiederum keinen Hehl aus seinen radikalen Ansichten machte und sich trotzdem immer angemessen im Hintergrund hielt.

Und er nominierte, als Nachbesetzung für die verstorbene, feministische Richterin Ruth Bader Ginsburg, die erzkatholische Richterin Amy Coney Barrett und stellte die Abschaffung der Grundsatzentscheidung „Roe v. Wade“ von 1973 in Aussicht, die schwangeren Frauen ein Recht auf Privatsphäre zusichert. Die radikalen Evangelikalen beschreiben Abtreibungen vehement als Kindstötung und setzen sie in direkten Vergleich mit dem Holocaust. Alle Fakten dazu ignorieren sie, sie produzieren hetzerische Flyer, Bücher und Filme, um ihre falschen Argumente zu verbreiten.

Eine lange Historie in der Geschichte Amerikas

Doch Trump war nicht sonderlich clever oder innovativ, er tat letztendlich nur genau das, was George W. Bush und Ronald Reagan schon vor ihm getan haben. Die Entwicklung direkt mit ihm zu verknüpfen ist also falsch, man kann ihn allerdings dafür mitverantwortlich machen, dass die extremen Christen während seiner Amtszeit wieder einen beachtlichen Schritt vorangekommen sind. Mit dieser Taktik fuhren eben schon einige der bisherigen Präsidenten mal gut und mal weniger gut.

Bill Clinton war damit mäßig erfolgreich, unternahm auch keine ernsthaften Anbiederungsversuche und Barack Obama disqualifiziert sich schon alleine mit seinem zweiten Namen Hussein. Der Anschlag auf das World Trade Center rief 2001 noch dazu die unverhohlene Islamfeindlichkeit auf den Plan und der damalige Präsident George W. Bush erklärte die Rache kurzerhand zum Gotteskrieg. Dementsprechend ist auch der Ku-Klux-Klan nicht weit, wenn es darum geht die Ziele zu unterstützen.

Penibel recherchiert und sehr kleinteilig analysiert

Das Quellenverzeichnis von „Amerikas Gotteskrieger: Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet“ ist sehr lang und das Buch ist mit Sicherheit nicht einfach zu lesen. Das liegt nicht an der Ausdrucksweise von Annika Brockschmidt, sondern an der Komplexität des Themas und ihrem eigenen Anspruch, nahezu jedes Puzzleteil zu erwähnen.

Dieses Sachbuch ist definitiv kein Schmöker, für Menschen, die sich sonst nicht mit Politik beschäftigen. Besonders die lange Historie ist erschreckend, denn die extremen Christen werden einfach nicht müde, ihre Ideen marginal anzupassen und so über Generationen weiterzutragen, um ihrem Ziel irgendwie näherzukommen. Anhand des Buches lässt sich gut herleiten, wie es zur Destabilisierung der Demokratie in Amerika kommen konnte und im besten Fall lassen sich daraus Lehren für Deutschland ziehen.

Seiten: 416
Verlag: Rowohlt
ISBN-10: 3499006480
ISBN-13:  978-3499006487
VÖ: 19.10.2021

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Annika Brockschmidt Autorenseite beim Rowohlt Verlag

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