Beatrice Salvioni – Malnata – Review
Kein Wunder, dass “Malnata” von Beatrice Salvioni sich weltweit sehr gut verkauft, denn die darin behandelten Themen sind zeitlos und bieten viele Identifikationsflächen. Im Mittelpunkt steht die “Malnata” (zu Deutsch: Die Unheilbringende), ein Mädchen, das von den meistens Menschen im Dorf beäugt wird, weil sie Dinge hinterfragt und Grenzen überschreitet. Und anders ist böse – so einfach macht es sich zumindest die Gesellschaft, die 1935 in der Lombardei in Italien kollektiv darum bemüht ist, den Faschismus und Gott zu loben. Auf Francesca strahlt die “Malnata” jedoch einen seltsamen Reiz aus. Sie bietet ihr Perspektiven für das Frausein und bringt sie überhaupt erst auf die Idee, dass eigenständiges Denken und Handeln möglich sein könnte.
Strafe für eigenständiges Denken
Im Mittelpunkt von “Malnata” von Beatrice Salvioni steht also die Annäherung der beiden Mädchen und der Einfluss, den sie gegenseitig aufeinander haben. Was das Buch jedoch fast gruselig macht, sind die kalten Herzen der Kriegszeit und die Rolle, die Mädchen und Frauen zugedacht wurde. Es gibt strikte Vorstellungen davon, was sie zu tun und vor allem zu lassen haben. Jegliche Abweichung wird als Strafe Gottes angesehen; wer daran glaubt, bestraft sich am besten schon vorher selbst. Die “Malnata”, die eigentlich Maddalena heißt, ist keine Figur, die man auf Anhieb mag. Schon selbst eng verwoben mit den gängigen gesellschaftlichen Konstrukten, kann man sie schwer einschätzen, und es dauert, bis man über Francesca auf ihre guten Seiten stößt.
Der Feminismus ist leise, im Mittelpunkt steht die Freundschaft
Die Autorin Beatrice Salvioni lässt den Feminismus leise einfließen. Die “Malnata” bedient sich zwar großer Gesten, ist aber letztendlich doch in Abhängigkeiten gefangen. Beim Lesen wird klar, dass selbst wenn der Widerstand Erfolg hat, auch außerhalb des kleinen Dorfes kein Paradies auf die Mädchen warten wird. Die Welt ist 1935 schlicht noch nicht so weit und läuft zudem stramm in einen Weltkrieg. Die kleinen Erfolge und Akte der Rebellion kann man also auch beim Lesen nur kurz feiern. Die Lügen, die die Mädchen aufdecken, und die Erkenntnisse, die sie daraus ziehen, sind überwiegend schmerzhaft. Was den beiden jedoch niemand nehmen kann, ist ihre Freundschaft und das damit verbundene Gefühl, dass mindestens eine weitere Person ähnlich fühlt und denkt. Das ist das lose Pflaster, das die Erzählung zusammenhält und dafür sorgt, dass “Malnata” sich nicht nur dunkelgrau bis schwarz anfühlt, sondern auch Raum für Lichtblicke lässt.
Das bemerkenswerte Cover (der deutschen Version) fängt die Stimmung des Romans gelungen ein. Schaut man genau hin, sieht man in den Augen des Mädchens eine Mischung aus Enttäuschung, Wut und trotzdem etwas Trauriges. “Malnata” von Beatrice Salvioni ist ein intensiver Appell daran, dass viele Errungenschaften noch gar nicht so etabliert sind, wie man es sich wünschen würde.
Seiten: 272
Verlag: Penguin Verlag
ISBN-10: 3328602712
ISBN-13: 978-3328602712
VÖ: 15.05.2024
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