Bent Knee – You Know What They Mean – Review
Um dem Album „You Know What They Mean“ von BENT KNEE halbwegs gerecht zu werden, wurden ihm einige Extrarunden gegönnt und die Auseinandersetzung mit den 13 Songs war entsprechend intensiv. Fair enough, denn die aufwendigen Kompositionen für das fünfte Album der Art-Rockband aus Amerika entstanden ganz sicher auch nicht hastig zwischen Tür und Angel. BENT KNEE gehören zu den Bands, die man als Rezensentin gleichzeitig liebt und hasst. Einerseits wünscht man sich, dass viele Menschen diese kreative Musik hören. Andererseits will man die Musik auch nicht tot schreiben und lieber selbst wirken lassen.
Vereinfachtes Chaos
Um einen groben Eindruck von BENT KNEE zu haben, darf man sich eine proggig, jazzige, Rockversion vorstellen, die stimmlich an BJÖRK, SIOUXSIE AND THE BANSHEES und FLORENCE AND THE MACHINE („Give Us The Gold“) zu deren besten Momenten erinnert. Klingt verwirrend und unterschlägt, dass sich die Sängerin und Keyboarderin Courtney Swain immer mit ihrer ganz eigenen Stimmfarbe durchsetzt. BENT KNEE gelingt es, manchmal unbemerkt vom Hörer, alle Regeln des Songwritings auf den Kopf zu stellen. Das bezieht sich auf Längen, genauso wie auf Strukturen. Ganz selbstverständlichen reißen BENT KNEE Grenzen ein, interpretieren neu und jonglieren Möglichkeiten scheinbar zufällig. Das klingt aber meistens stimmig und bei genauer Betrachtung eigentlich sogar oft herrlich einfach.
Nach oberflächlichem Überfliegen des alten Materials scheinen BENT KNEE auf „You Know What They Mean“ deutlich griffiger zu sein, als früher. Mit Sängerin Swain im absoluten Zentrum, kreisen sich die meisten Songs mit rhythmischem Riffing oder anschwellenden Synthiegebirgen selbst ein. Die Knöchelverletzung des Drummers Gavin Wallace-Ailsworth und ein traumatisierender Unfall zwangen die Band anscheinend dazu, ihr Chaos zu vereinfachen. In „Cradle Of Rocks“ geben die krachigen Gitarren den Takt an, treiben den Song nach vorne. Der laszive Bassdröhner mit Streicherveredelung „lovemenot“ könnte locker als James-Bond-Song funktionieren. Auch wenn die folgende Klavierballade „Bird Song“ schön und bewusst reizarm inszeniert wurde, im Kontext wirkt sie doch schon fast farblos.
Tanzen Sie bitte mal das Wort Architektur
Swain sublimiert einfach jede Stimmung, zündelt jeden Aufstand an und ist die knisternde Spannung in den ruhigen Momenten. „You Know What They Mean“ stößt den Hörer atmosphärisch ins Candlelight Dinner mit Hummer, dann in die verrauchte Jazz-Bar und rüber ins verruchte Etablissement, gleich danach geht es zurück in die großen Hallen mit Superduperlichtshow. BENT KNEE kümmern sich wirklich nicht um Formeln, können beinahe alles sein und in ihrer Welt lässt sich alles skalieren. Dadurch entstehen ganz ungewöhnliche musikalische Spannung, die man selbst als Vielhörer nicht auf Anhieb aufnehmen und verstehen kann. Der Sinn von Songs wie das verzerrt dümpelnde „Garbage Shark“, das gejammte „Lovell“, das unpassende Intro „Lansing“ und das verstörend auseinanderlaufende „It Happens“ erschließt sich mir nicht vollends.
Es sind eher die lauten, wimmeligen Momente, in denen mich die Band überzeugen kann. Auch wenn über „You Know What They Mean“ stets das Wort „Kunst“ in bunten Lettern prangt, kann man BENT KNEE – durchweg StudentInnen des Berklee College of Music -nicht als versnobt oder abgehoben bezeichnen.
Dauer: 52:12
Label: InsideOut
VÖ: 11.10.2019
Tracklist „You Know What They Mean”von BENT KNEE
Lansing
Bone Rage
Give Us The Gold
Hold Me In
Egg Replacer
Cradle Of Rocks
Lovell
lovemenot
Bird Song
Catch Light
Garbage Shark
Golden Hour
It Happens
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