
David Safier – Die Liebe sucht ein Zimmer – Review
Mit „Die Liebe sucht ein Zimmer“ fügt der Autor David Safier seiner sowieso schon von großer Bandbreite geprägten Bibliografie ein weiteres Schmuckstück hinzu. Wir befinden uns im Warschauer Ghetto im Jahr 1942: Das komödiantisch angelegte Theaterstück „Die Liebe sucht ein Zimmer“ feiert Premiere – und dementsprechend klopft das Herz der Schauspielerin Sara bis zum Hals. Kurz vor der Aufführung unterbreitet ihr ein ehemaliger Vertrauter, Michal, die Möglichkeit, gemeinsam mit ihm nach der Vorstellung aus dem Ghetto zu fliehen. Doch das stürzt sie in ein Dilemma, geprägt von Werten, Ethik und Gefühlen.
Das Herz will bleiben, der Verstand flieht
Von diesem Moment an läuft die Zeit: Saras derzeitiger Geliebter Edmund steht ebenfalls mit ihr auf der Bühne. Soll sie ihn zurücklassen? Die Aussicht, den Nazis, dem Hunger und der Krankheit zu entkommen, ist übermächtig. Im Verlauf des Romans verdichten sich zwischen den Akten Gespräche mit verschiedenen Protagonisten – und mit ihnen neue Perspektiven, Dilemmata und Fluchten: moralisch fragwürdig, von purer Sehnsucht getrieben oder schlicht vom Wunsch zu überleben. Als Leserin jagt man nur so durch die Seiten, gefangen in den Fragen, die auch Sara umtreiben: Was ist richtig? Was wäre meine Entscheidung? Die beschriebenen Umstände im Ghetto und besondere Vorkommnisse während der Aufführung lassen einen beim Lesen erschaudern. David Safier hat ein bemerkenswertes Gespür dafür, wann es sich lohnt, die überlebenswichtigen Emotionen zu vertiefen – und wann die Grausamkeit für sich steht und nicht verstärkt werden muss.
Die Bühne war real, und der Schrecken auch
Das Besondere an diesem Buch „Die Liebe sucht ein Zimmer“ ist das das darin behandelte Stück tatsächlich das einzige überlieferte Theaterstück aus dem Warschauer Ghetto ist. Es handelt sich um das einzige während der Shoah von Juden geschriebene und überlieferte Stück. David Safier lässt Originalpassagen in seinen Roman einfließen, was nicht nur die historische Tiefe verstärkt, sondern immer wieder staunen lässt. Staunen darüber, dass es überhaupt aufgeführt werden durfte, und über die eskapistische Kraft der Kunst, die inmitten des Grauens noch Lachen ermöglicht. Noch dazu greift das Stück reale Begebenheiten im Ghetto auf, was Safiers Roman eine zusätzliche, fast dokumentarische Dimension verleiht.
Es ist kaum möglich, „Die Liebe sucht ein Zimmer“ von David Safier nicht in einem Rutsch zu lesen. Man hastet an Saras Seite durch die 90-minütige Aufführung und weiß genau: Es gibt keine wirklich richtige Entscheidung.
Seiten: 335
Verlag: Kindler Verlag
ISBN-10: 3463000474
ISBN-13: 978-3463000473
VÖ: 13.05.2025
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