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David Safier – Solange wir leben – Review

Mit “Solange wir leben” legt der Autor und Drehbuchschriftsteller David Safier mit Sicherheit seinen bisher persönlichsten Roman vor, er erzählt uns nämlich die Geschichte seiner Eltern. Seinen Durchbruch hatte der Bremer mit dem kurzweiligen Roman “Mieses Karma”, eine gelungene Satire über Glaube und Wiedergeburt. Danach folgten einige spaßige Bücher, bis er dann überraschend mit “28 Tage lang” einen Roman über das Warschauer Ghetto vorlegte, der wenig Anlass zum Lachen bot.

Auch “Solange wir leben” führt uns zwangsläufig in die dunkle Zeit, denn wir starten 1937. Für seinen jüdischen Vater Josef und dessen Familie verläuft der Krieg anders, als für seine Mutter Waltraud und deren Eltern und Geschwister. Seelisch verwundet und traumatisiert sind beide, ihre Leben verlaufen zuerst weit entfernt voneinander, wir dürfen beide mit “Solange wir leben” von David Safier bis zum letzten Tag begleiten.

War es ein schönes Leben?

Dass David Safier Drehbuchautor ist und deshalb ganz besonders gezielt Bilder in unseren Köpfen projizieren kann, kommt auch “Solange wir leben” wieder zugute. Man kann die fernen Länder beinahe riechen, wähnt sich selbst in den lebendigen Tanzlokal in der aufgekratzten Nachkriegszeit, meint den Schmerz selbst zu erfahren und fühlt sich wie vom Glück betrunken, als seine Eltern zusammenfinden und deren Liebe beginnt. Gerade wenn komplette Lebensgeschichten in Romanen erzählt werden, zieht man auch als Leserin oder Leser am Ende zwangsweise ein Resümee. War es unterm Strich ein schönes Leben?

“Solange wir leben” von David Safier berichtet uns von deutlich mehr Schatten als Licht. Geliebte Menschen überleben den Krieg nicht und nur weil dieser vorbei ist, läuft mitnichten alles rosig. Über jedem Glück von beinahe allen Beteiligten scheint ein schwerer Schleier zu lasten. Es gibt einige Momente, die pur und rein wirken, aber es sind nur kurze, die schnell verfliegen.

Über die Kurven, die das Leben so nimmt

Trotzdem ist “Solange wir leben” von David Safier nicht bedrückend, liest sich auch nicht schwer oder zäh. Denn was den Protagonisten widerfährt, ist erstmal unabhängig davon, was wir ihnen wünschen. Und deshalb folgt man gespannt weiter den Kurven, die das Leben nimmt, wundert sich über so manche Sitte, die noch vor wenigen Jahrzehnten gang und gäbe war. “Leben bedeutet leiden”, so lautet ein Grundsatz seiner Mutter Waltraud, die sich aber immer trotzig gegen jeden Widerstand stellt und unbeirrbar weiter ihr Bestes gibt.

Kein Maximum für Schicksalsschläge

Es ist aber auch kein Voyeurismus, der einen “Solange wir leben” beinahe am Stück lesen lässt. Es ist die Sympathie, die man mit seinen Eltern hat und der Wille, dass man möchte, dass sie es schaffen und hinter der nächsten Ecke wieder etwas Glück lauert. Dass man es tatsächlich mit den Eltern des berühmten Schriftstellers zu tun hat, vergisst man nahezu. Seine Auftritte im Buch sind auch, wahrscheinlich bewusst, gesichtslos und flankieren die Geschichte lediglich. Ein sehr bewegendes Buch, über die verzweifelte Suche nach Glück und die Tatsache, dass es für Schicksalsschläge kein Maximum gibt.

Verlag: Kindler Verlag
ISBN-10: 346300030X
ISBN-13: 978-3463000305
VÖ: 18.04.2023

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