Detlef – Supervision – Review
Der Lockdown brach erneut über uns herein und kurz bevor mich die Perspektivlosigkeit gänzlich überkam, holte mich Nadine von Krachfink aus meinem Loch, indem sie mir anbot mich doch mal am Review schreiben zu versuchen.
Sie legte mir direkt 2 Neuerscheinungen vor, die es zu besprechen gilt: DIE TOTEN HOSEN mit „Learning English Lesson 3: MERSEY BEAT! The Sound of Liverpool“ und DETLEF mit „Supervision“. Da ich von der einen Band noch nie etwas gehört habe und der Name mich direkt abschreckte, wählte ich die mir spontan sympathischer erscheinende andere Option. Hier also meine allererste Plattenkritik zu DETLEF mit ihrem zweiten Album „Supervison“
Nadine hat mir die mp3s per Mail geschickt und als ich mich bei ihr erkundigte, ob es auch einen „Waschzettel“ (also das branchenübliche Selbst-Abgefeiere der eigenen Platte, das der Bemusterung normalerweise beiliegt) gäbe, fiel ihr ein, dass sie die Label-Infos wohl weggeschmissen hätte. Eigentlich nicht schlecht, dachte ich mir, so gehe ich nämlich total unvoreingenommen an die Sache ran, ohne mich bereits im Vorfeld über die Formulierungen auf dem Waschzettel aufzuregen.
Punkrockerfahrenes DETLEF-Trio
Und ich muss sagen das Trio DETLEF (benannt nach den 3 DETLEFs in der Band) geht mir echt gut rein. Die wissen natürlich auch wie man Ohrwürmer kredenzt, schließlich haben 2/3 DETLEF das bei SUPERNICHTS und KNOCHENFABRIK schon zuhauf bewiesen. Der dritte DETLEF im Bunde spielt noch bei INCOMING LEERGUT, bisher Neuland für mich, aber der hat auf dem DETLEF-Instagram-Profil ein BVB-Trikot an, deshalb ist er mir sympathisch (im Gegensatz zu dem Schalke-DETLEF!). Jedenfalls taugt mir das, was ich da höre. Die erste Videoauskopplung laut meiner Google-Recherche (Nadine hat ja alle Infos weggeschmissen…) ist „Ich hasse Kopenhagen obwohl ich noch nie da war“. Kann ich sehr gut nachvollziehen, genau so geht es mir mit Island. Nur konsequent, dass DETLEF das Video dafür in Tschechien gedreht haben – schließlich wird ja auch besungen, dass der Alk in Kopenhagen teuer ist und wie wir alle wissen, ist er das in Tschechien nicht.
Nachvollziehbare Feindbildstereotypen
„Supervision“ ist gespickt mit herrlich-nachvollziehbaren Feindbildstereotypen – joggende Student*innen, die während der roten Ampelschaltung auf der Stelle weiterhampeln („Eisbären“), die Clique, die sich anstatt vollzusaufen lieber zum vietnamesich kochen verabredet („Ich saufe häufiger als du“), Florian & Julia von der „Rooftop Bar“ (aus dem gleichnamigen Song) oder die Familie die das Großstadtflair zwischen „New York & Bullerbü“ sucht, ihr Rhabarber-Hochbeet aber letztlich doch lieber im spießigen Kaff hätte pflanzen sollen („Tag des guten Lebens“).
Bei „Deutsche Männer“ dachte ich beim Intro kurz an ein Riff von der BLOODHOUND GANG, aber was weiß ich schon. Jedenfalls ein sehr treffender Song über die männliche Zunft hierzulande und irgendwie erfrischend, den mansplainenden Prototypen so gekonnt zu beschreiben: „Deutsche Männer sind empört / Auf jede Frage haben sie ein gut gemachtes Shirt / Frei wie ein Vogel, doch das Sichtfeld ist begrenzt / Selbstbewusst wie ein Laster“.
Gegen die eigene Bubble
Auf „Alle gegen alle“ hagelt es dann Kritik in Richtung eigener Bubble. Die Message ist eigentlich die selbe wie bei SLIMEs „Let´s get united“ – nur, dass DETLEF die Sache hier deutlich selbstironischer und – surprise – weniger verbissen als „Dicken“ angehen. SLIME dürften vermutlich auch Namensgeber für den Song gewesen sein (zumindest wahrscheinlicher als ZUGEZOGEN MASKULIN). Es dreht sich darum, dass sich die Linke oftmals an den komplexesten Baustellen gegenseitig aufreibt, während man durch interne Grabenkämpfe verpasst, den „Faschos auf die Füße zu treten“. Dieses Dilemma ist ja bekannt und wenn man sich anschaut, was und wen die Nazis so auf ihren Demos versammeln – Hauptsache der kleinste gemeinsame Nenner stimmt – dann sehnt man sich auch eine „linke Einheitsfront“ herbei, in der sich der eine DETLEF nicht schlecht fühlen muss, weil er ab und an ne Wurst aus echtem Fleisch verdrückt.
Da „links sein“ aber an sich wohl deutlich komplexer als „rechts sein“ ist, wird es innerhalb der linken Szene immer zu diversen Reibereien kommen und solange das nicht in gegenseitige dogmatische Abgrenzung ausufert, ist das an sich ja auch eine emanzipierte Herangehensweise. Sich also auch milieuintern zu hinterfragen und den fortschrittlichen Diskurs nicht zu scheuen, macht es sicherlich oft anstrengend – unterscheidet uns letztendlich aber von eben jenem absurden Haufen, der bestehend aus Homöopath*in, AfD, Impfgegner*in und Combat18 durch die Straße marodiert und Reichskriegsflaggen schwenkt. Mir sagt dieser undogmatische Appell von DETLEF dennoch durchaus zu, schließlich ist die Message eben auch ein Teil der innerlinken Debatte, die es kontinuierlich zu führen gilt.
Leider kein Verriss
Angesichts meines Corona-Blues und der daraus resultierenden schlechten Laune, habe ich mir für mein erstes Review irgendwie einen Verriss gewünscht (hätte ich mal lieber über diese DIE TOTEN HOSEN geschrieben, die noch zur Auswahl standen). Aber was soll ich sagen, DETLEF mag ich. 19 (!) Songs, die alle gut ins Ohr gehen und im Schnitt so um die 2 Minuten kreisen. Hier und da mal ein schnelles Brett wie „Übergangsjacke“ (< 1 Minute), ab und zu mal weiblicher Gesang, z.B. bei „Ein ganz normaler Freitag“ oder dem vulgären Ficki-Ficki-Song. Ansonsten wechseln sich die 3 DETLEFs mit singen ab, der MSV Duisburg-DETLEF hat ne richtig gute Asi-Stimme und ist mein Favorit, aber die Vocal-Variation ist bei der hohen Tracklist schon auch gut und wichtig. Alles top abgemischt, man versteht den Gesang und hört hier und da sogar mal ein Tamburin raus, was mich als Oasis-Fan natürlich abholt.
Zum Barkeeper in der Stammkneipe nerven
Textlich find ich’s größtenteils super, vereinzelt cheape Reims wie „Ich bin doch kein Spacko, ich sauf auch im Sakko“ („Casual Friday“) werden durch herrliche Zeilen wie „Und hör mir auf mit deinem Ami-Sport-Scheiß, als ob da irgendwer die Regeln weiß“ („Wie kann man sich nur nicht für Fußball interessieren“ – zweite Videoauskopplung btw) definitiv wettgemacht. Meine Lieblingslieder auf „Supervision“ sind „Tag des guten Lebens“ und der Kopenhagen-Diss. Wäre jetzt kein Corona, würde ich den Barkeeper in meiner Stammkneipe nerven, dass er die Songs auflegen soll, damit ich sie meinen Freund*innen ins Ohr grölen kann und sie somit auch von DETLEF überzeuge. Die Platte kommt am 04.12.20 auf Bakraufasdfjafrifstaa Records raus, das bürgt an sich ja schon für Qualität.
(Artikel von Matti)
Dauer: 38:02
Label: Bakraufarfita Records
VÖ: 04.12.2020
Tracklist „Supervision“ von DETLEF
Tag Des Guten Lebens
Würdet Ihr Bitte Euer Scheiss Maul Halten?
Ich Hasse Kopenhagen Obwohl Ich Noch Nie Da War
Ordnungsamt
Auge Um Auge, Schnaps Um Schnaps
Deutsche Maenner
Keine Zeit Für Geld
Kleiner Mann
Ein Ganz Normaler Freitag
Casual Friday
Alle Gegen Alle
Eisbaeren
Ich Saufe Häufiger Als Du
Uebergangsjacke
Wie Kann Man Sich Nur Nicht Für Fussball Interessieren?
Da Ist Gar Nichts
Man Muss Fallen, Wenn Die Feste Sind
F.I.C.K.E.N
Rooftop Bar
Alben, die Dir auch gefallen könnten:
ROGERS – Rambazamba & Randale
AKNE KID JOE – Die große Palmöllüge
DAS BILDUNGSBÜRGERTUM – Die Gewaltfrage
BAD AFFAIR – We Are Doomed
SVEN THE SLACKER – Hutch
DAS BLANKE EXTREM – Unheimlich nette Leute
TEAM SCHEISSE – Ich habe dir Blumen von der Tanke mitgebracht (jetzt wird geküsst)
DIE CIGARETTEN – Emotional Eater
ZEITKONSUM – Zukunftsmusik
LOSER YOUTH – Warum haust du sich selbst
SLIME – Wem gehört die Angst
Gemischte Tüte mit AKNE KID JOE
MAFFAI – Zen
Interview mit Daniel von MAFFAI zu “Zen”
Interview mit DEUTSCHE LAICHEN zur EP “Team Scheiße”
VANDALISMUS – Gloria und Schwefel
ACHT EIMER HÜHNERHERZEN kündigen Releaseshow für 2021 an
BAZOOKA ZIRKUS – Ach, das könnte schön sein
THE SCREENSHOTS – 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee
POGENDROBLEM – Ich-Wir
SORRY3000 – Warum Overthinking dich zerstört
SEDLMEIR- Senioren gegen Faschismus
ODD COUPLE – Universum Duo
SCHARPING – Powerplay (EP)
BAD RELIGION – Age Of Unreason
REIZ – Das Kind wird ein Erfolg
Interview mit THE SCREENSHOTS zu “2 Millionen Euro mit einer einfachen Idee”
Audio-Interview mit Dr. Marco Pogo von TURBOBIER über die Bierpartei
FEUERWASSER – Punklomerat
SCHEISSE GEFÄHRLICH – Aaron Maiden
KRASSER FAHRSTIL, ENNOLICIOUS, PADDELN OHNE KANU – Mit Abstand am besten
SIDEWALK SURFERS – Growing Up Is A Mess
AKNE KID JOE veröffentlichen Video zu „RiP / RaR“
MISSSTAND – Bon Apathie
BELITZKI. – In Kreisen
AKNE KID JOE – Die Jungs von AKJ