
Drangsal – Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönix emporgestiegen – Review
Nach satten vier Jahren melden sich DRANGSAL mit Album Nummer 4 und dem griffigen Titel „Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönix emporgestiegen“ zurück. DRANGSAL stehen bewusst im Plural, denn Max Gruber ließ verkünden, dass er sich vom Solokünstler zur Band verpuppt hat. Offiziell sind das also nun er, Lukas Korn (LYSCHKO) und Marvin Holley. Auf der Bühne kommen noch drei weitere Musiker dazu, was der Diskografie live eine ganz andere, neu entdeckte Wucht verleiht. So viel dazu – in der Realität dreht sich die neue Platte wahrscheinlich mehr denn je um Max Gruber.

Gelungene Selbstdemontage von DRANGSAL
Der hat in den letzten Jahren nichts anderes getan, als sich selbst zu demontieren. In Interviews – und davon gab es auffällig viele – hat er Schicht um Schicht von sich abgetragen. In Features, die fast inflationär wirkten, hat er sich aufgerieben, zersplittert, neu ausprobiert. Wer genau hingehört hat, konnte es ahnen: Der Max Gruber, den viele zu kennen glaubten, war längst dabei, sich selbst zu zerlegen. Wie ein Künstler, der sein eigenes Denkmal abträgt, um aus den Trümmern ein neues Gebilde zu errichten. „Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönix emporgestiegen“ wirkt wie ein eklektisches Gebäude – hier eine barocke Wendung, dort ein brutalistischer Klangblock, zwischendrin eine Glasfassade aus Pop – und trotzdem steht alles stabil.
Chöre, Funk („Pervert The Source“), Intimität („FKA M & M 1“, „Your Fears Are Well-Founded“), packende und luftschaffende Instrumentalstrecken, scharfkantige Refrains, tiefgründige Textzeilen. DRANGSAL wollen es niemandem recht machen, und schon gar nicht ihren Fans. Die Vielfalt auf diesem Album ist nicht anbiedernd, sie ist überwältigend. Und sie ist eben auch verdammt gut gemacht.
Über den schwer greifbaren Schauer
DRANGSALs neue Platte „Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönix emporgestiegen“ wirkt mit prallen 17 Songs nun auch wie das inhaltliche Resultat dieses langen, öffentlichen Selbstumbaus. Es geht um Liebe, Relevanz, Vergänglichkeit und den schwer greifbaren Schauer, der Körper in unterschiedlicher Ausprägung erfassen kann. Feinheiten wie das Intonieren von „Bergab“ im Refrain und die phonetische Präzision sind erst einmal irritierend, da sie mit gefälligem Pop und Indie auf Anhieb so gar nicht vereinbar sind. Gruber meint nicht nur, was er sagt – er hat auch eine genaue Vorstellung davon, wie es klingen soll. „Mein Eid“ oder „Habt Gnade“ sind nicht nur anspruchsvoll poetisch formuliert und somit zeitlos gestaltet, sondern über alle Maßen beeindruckend vorgetragen.
Über das, was Kunst schaffen kann
DRANGSAL erreichen auch kompositorisch andere Sphären, der Jazz-Einfluss von Marvin Holley ist unüberhörbar. Paddy McAloon von PREFAB SPROUT hätte „Wheelgreaser“ nicht stilvoller singen und swingender gestalten können. „Inkomplett“ ist geprägt von leiser Autorität und einer Reife, die nur jemand erreichen kann, der viel in sich hineinhorcht und die Erkenntnisse dann weise nach außen spiegeln kann. Genau das kann und soll Kunst schaffen, verlangt den Kunstschaffenden selbst aber viel ab. Das folgende „Rosa“ symbolisiert über die Musik die nach außen getragene Leichtigkeit, der Text erzählt vom parallel stattfindenden Kampf.
Keine Wendung, eher logische Konsequenz
Die musikalische Vielfalt überrascht nur auf den ersten Blick. Sie ist weniger Wendung als logische Konsequenz. Jeder, der Gruber zuletzt zugehört hat – in all seinen öffentlichen Facetten – wird hier keinen Bruch finden. „Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönix emporgestiegen“ ist kein Stilbruch, es ist ein Selbstporträt aus Splittern. Und genau deshalb trifft es wohl auch den Menschen Max Gruber besser, als ihm manchmal selbst lieb sein dürfte. „Lass mich gehen“, so lautet der letzte Satz auf der Platte. Aber hey, beruhigt euch, Leute – vielleicht wird er jetzt doch einfach Steuerberater.
Dauer: 58:37
Label: Virgin Music Group (Universal Music)
VÖ: 13.06.2025
Tracklist von „Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönix emporgestiegen“ von DRANGSAL
Love Will See Us Through This
Bergab
Die Bestie mit dem brennenden Schweif
Ich hab von der Musik geträumt
Die satanischen Fersen
Mein Eid
Pervert The Source
FKA M & M 1
Wheelgreaser
Hab Gnade!
Funke & Benzin
Your Fears Are Well-Founded
Mein Mo(nu)ment (feat. Sophia Blenda)
Inkomplett
Rosa
Nation Of Resignation
Ein Haus
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