Düsenjäger – Die Gespenster und der Schnee – Review
“Die Gespenster und der Schnee” ist das sechste Album der Punkband DÜSENJÄGER aus Osnabrück. Emo-Punker liest man im Netz oft über sie. Bisschen frech und irgendwie auch irreführend. Das lässt nämlich eher gefühlsduseligen Kryptopunk vermuten und nicht wirklich auf die aussagekräftige Wucht schließen, die die Band mit Texten und Musik lostritt. Und die Beschreibung weist auch nicht auf die Unmittelbarkeit hin, mit der DÜSENJÄGER dich mit ihrem angenehmen Grau-in-Grau-Sound sofort am Kragen packen.
DÜSENJÄGER sind eine Band, die gefühlt immer irgendwie zurück ist, so als hätte man Angst, dass sie einem abhandenkommen. Sich einfach nicht mehr melden. Doch zwischen dem letzten Album “treibsand” und “Die Gespenster und der Schnee” liegen nun tatsächlich 7 Jahre, was für Fans verdammt lang erscheint. Dabei ist es nicht so, als ob es in den letzten Jahren an stinkenden Themen mangeln würde und die Option, dass DÜSENJÄGER zu Gute-Lauen-Hippies mutiert sind, ist ebenfalls gering.
Sänger und Bassist Tobi Neumann stellt auch gleich im Opener mit “Ins Schwarze” fest, dass sich an der grundsätzlichen Einstellung nichts geändert hat. Nach einem verhältnismäßig kurzen Entree, ziehen DÜSENJÄGER mit einem Ruck die Wände näher, erhöhen vom Fleck weg den Druck auf Hals und Herz. Zu wenig, zu spät, gleich am Anfang schmettern und DÜSENJÄGER die Bankrotterklärung vor die Füße, wo sollen wir unterschreiben?
“Es muss was raus….”
Wahrscheinlich ist es dieses kleines bisschen Mehr. Mehr Melancholie, mehr scheißen auf die gefälligen Hymnen und mehr aushalten können, dass durchweg dunkle Farben niemals hell und bunt strahlen können. Da wo die großen Bands PASCOW oder TURBOSTAAT immer noch mal kurz Luft hineinlassen oder sogar aus dem typischen Punkrock-Trott ausbrechen und etwas ganz Neues probieren, bleiben DÜSENJÄGER im abgedunkelten Zimmer. Verlassen die Bude nicht, rufen keine Freunde an und schauen sich stattdessen das Unheil mit der Lupe an.
Zumindest musikalisch wirkt das so, aber auf “Die Gespenster und der Schnee” gibt es sogar für DÜSENJÄGER-Verhältnisse mit “Hurra hurra Dystopia” und “Drahtseilakt” zwei (gelungene!) musikalische Experimente. Ansonsten gibt es einen Querschnitt durch den Abfuck. Das Beste vom Schlechten, von früher bis heute. Auf dem Programm stehen Krieg, Armut, Gier, Neid, Zweifel, Resignation, Ignoranz und das Gefühl, dass alles zu spät ist, weil uns diese verdammte Zeit durch die Finger rinnt.
Das Beste vom Schlechten, von früher bis heute
Aber erfahrene Düsterpunker wissen natürlich, dass man zu tristen Songs wie dem herrlich schunkelnden “Human Untergang” oder der beinahe motivierenden Hymne “Treibsand” sehr wohl tanzen und fröhlich sein kann. Nicht im herkömmlichen Sinne, aber irgendwie doch. Wenn DÜSENJÄGER die Gitarren von Jan Frohne und Torben Haunhorst abkoppeln und die Drums von Lars Buhr uns in einen Wave-Rausch trommeln, dann entlädt sich innerlich etwas. Ein besonderer, hormoneller Vorgang, den hundsnormale Pop-Musik oder Punk, der eben doch immer die finsteren Ecken ausspart, nicht simulieren können.
DÜSENJÄGER können sowas, deshalb sind sie weniger erfolgreicher, aber umso wertvoller für die, die es abkönnen, auch mal ohne Zwinkersmiley abzuschließen. Kostprobe gefällig? “In den Bunkern wird gebetet, auf den Partys durchgemacht”…
Dauer: 40:35
Label: Grabeland / Schallfolien
VÖ: 12.05.2023
Tracklist “Die Gespenster und der Schnee” von DÜSENJÄGER
Ins Schwarze
Too Little, Too Late
Treibsand
Brandmelder
Stundenglas
Geisternetz
Vierunddreimaldiefünf
Midnight Crisis
Wir warten
Herbstmanöver
Hurra Hurra Dystopia
Drahtseilakt
Human Untergang
Horde II
Ein Tag im Grauen
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