Eastie Ro!s – s/t – Review
Die Punk-Rock-Band EASTIE RO!S aus Berlin meldet sich endlich mit einem neuen Album namens „s/t“ zurück. Ist das ein Zeichen für back to the roots oder ein hilfloses Winken vom Rande der Ideenlosigkeit? Man munkelt vom braunen Album und somit dem unvermeidbaren Abschluss der Scheiße-Trilogie, neben „Scheiße Gang“ und „Scheiße kalt serviert“. Verwirrt? Richtig so. Der hier vorliegende Shit nährt sich in erster Linie von diversen musikalischen Referenzen und geht die Themen von einer anderen, eigentlich alten, Seite an, was sich erfreulich vom gerade zirkulierenden Einheitsbrei abhebt.
Grenzen sprengen!
Einfach machen es sich EASTIE RO!S sicher nicht. Jenseits von EinszweiEinszwei-Geschrammel werden sie ihren plakativen Querverweisen an die großen Bands durchaus gerecht, zumindest was die Spielfreude und das konsequente, wenn auch marginale, Überschreiten von Genregrenzen angeht. Der Opener „Abhäng im Wedding“ torkelt wütend wie ein stark angetrunkener, britischer Post-Punk-Bastard durch die halb ausgehängte Tür. Gekreuzt von einem Sample sind hier schnell alle Erwartungen über Bord geworfen und der Refrain über die illustre Trinkstube Café Morena für immer ins Hirn gefräst. Im weiteren Verlauf blitzen Einflüsse von britischen Punkbands der Siebzigerjahre, NDW oder den Anfängen von DIE ÄRZTE („Jack Beauregard“) durch. Unterm Strich überwiegt aber stets die Eigenständigkeit und die Erfahrung der letzten 16 Jahre, gesammelt mitten im tobenden Krater der Szene.
Musik für echte Nobodys
Je tiefer die Texte von smarten Songs wie „Brechreiz“, „Menschen aus Glas“ oder „Ich finde mich nicht zurecht“ sacken, umso deutlicher wird, dass EASTIE RO!S sich auch dadurch abheben, dass sie den Spaß rigoros in den Vordergrund stellen können, ohne albern zu werden. Egal wie aussichtslos der Status Quo zu sein scheint, ein Augenzwinkern ist immer dabei, entweder verbal oder musikalisch. So heißt es im dichten „Ignoriert & Isoliert“ beinahe schon beiläufig „Geht es dir so wie mir, oder lässt dich das kalt? Besser wird es nicht, leider sind wir noch nicht alt„. Im Verbund mit einer düster mäandernden Gitarrenmelodie, im Sinne von RAZZIA oder ES WAR MORD, entfalten EASTIE ROIS mit vermeintlich einfachen Mitteln eine immense Wirkung. Mit dem satten „Drahtseilakt“ zeigen sie dann wiederum, dass sie auch konzis texten können und abgerundet mit Rock’n’Roll trotzdem alles gesagt ist.
Das Individuum in die Pflicht genommen
Es gibt zahlreiche Momente („Love Songs“, „George H“), in denen EASTIE RO!S eben nicht wie erwartet eskalieren und zur Rebellion aufstacheln, sondern urplötzlich behutsam und melodisch in ihre eigene Dynamik reingrätschen. Gerade dann heben sie sich von den formelhaften Politbands ab. Wenn überhaupt, dann appelliert die Band an das Individualverhalten und die damit verbundene Wirkungsmöglichkeit, lässt die Zeigefinger aber in der Hosentasche.
Obwohl Gitarrist Hässlon es mit understatement versucht und seinen durchaus eingängigen Gesang auf der eigenen Website schnöde als „Stimme“ bezeichnet, ist vor allem bemerkenswert, dass EASTIE RO!S lediglich als Trio unterwegs und trotzdem in jeder Disziplin packend und ausfüllend sind. Gerade der Gesang und die Chorelemente vermitteln eine angenehme Distanzlosigkeit zwischen Band und denen, die zuhören.
So eintönig braun ist die Scheiße von EASTIE RO!S am Ende also nicht – ganz im Gegenteil – aber schon Roger Willemsen wusste ja, dass man mindestens sechs Sorten Scheiße aus manchen Leuten rausprügeln kann. Der Zusammenstoß von vorgelegten Klavierakkorden und einem geselligen Chor im abschließenden „Kleben gelieben“ darf dann wohl als kleiner Hinweis verstanden werden, dass EASTIE RO!S sich über ihren Sound, dessen Ursprung und verkürzter Reichweite bewusst sind.
Dauer: 31:12
Label: Tomatenplatten
VÖ: 19.07.2024
Tracklist „s/t“ von EASTIE ROIS
Abhäng im Wedding
Arschloch
Du in meiner Hand
Brechreiz
Secret Love
Georg H
Menschen aus Glas
Ignoriert & Isoliert
Ich finde mich nicht zurecht
Drahtseilakt
Zeitliche Komponente
Jack Beauregard
Kleben geblieben
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