Fernando Aramburu - Langsame Jahre - Coverartwork

Fernando Aramburu – Langsame Jahre – Review

„Langsame Jahre“ von Fernando Aramburu ist sozusagen die Vorgeschichte für seinen hochgelobten Roman „Patria“. Es wird die Geschichte eines achtjährigen Jungen erzählt, der von seiner Mutter in die Obhut seiner baskischen Verwandten nach San Sebastián gegeben wird. Seiner Mutter fehlt das Geld, um ihn und seine beiden Brüder ernähren zu können, weshalb er quasi ausgelagert wird. Verpflegung scheint also nicht das Problem von seiner Tante, seinem Onkel, deren Sohn und ihrer Tochter zu sein. Dafür schlägt sich die Familie mit allen möglichen anderen kleinen sowie kleinen Sorgen herum. Es ist für den Jungen nicht so einfach seinen Platz zu finden.

Familie, und dann sind da noch die anderen

Anfangs wird er mehr oder weniger nur aufbewahrt, Er beobachtet aus sicherer Entfernung, wie die Verhältnisse innerhalb seiner Gastfamilie scheinen und wie sie tatsächlich sind. Fernando Aramburu hat sich für eine ungewöhnliche Erzählweise entschieden, die anfangs gewöhnungsbedürftig ist. Zum einen erzählt der mittlerweile erwachsene Junge rückblickend dem Autor seine Geschichten, versehen mit allerlei Hinweisen.

Den zweiten Erzählstrang übernimmt der Autor selbst, in Form von sogenannten Notate, die Skizzen für seine Arbeit sind und ebenfalls mit Hinweisen und Verbesserungsvorschlägen für sich selbst versehen sind. Was anfangs als störend empfunden wird, sorgt aber am Ende dafür, dass man „Langsame Jahre“ immer wieder aus einer anderen Perspektive erlebt.

Tiefgang trotz Kürze

Es passiert einiges in „Langsame Jahre“ von Fernando Aramburu und knapp 200 Seiten sind eigentlich viel zu wenig. Dem Jungen selbst passiert eher wenig. Es sind eher seine Beobachtungen der Situationen und kurze Verweise seiner Gedanken und seines seelischen Zustandes, die die Geschichte unterfüttern. Die Familie wird mit unterschiedlichen religiösen, gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Problemen konfrontiert. Es ist bemerkenswert, wie viel Tiefe der Autor der Familie auf dieser kurzen Strecke mitgeben konnte.

Rasch formen sich innerlich Vorstellungen von der Umgebung, dem Baskenland, den Konflikten und den Protagonisten. „Langsame Jahre“ von Fernando Aramburu ist schnell ausgelesen, wer „Patria“ noch nicht kennt, kann aber dann gleich anknüpfen. In den bereits erwähnten Notate geht der Autor auch darauf ein, warum es ihm wichtig ist, die Geschichte kurzzuhalten. Wahrscheinlich liegt er damit richtig, ein empfehlenswertes Buch, Ein Buch, das eindrucksvoll demonstriert, wie stark der kleine Kosmos Familie von außen beeinflusst wird.

Seiten: 208
Verlag: Rowohl Verlag
ISBN-10: 3498001043
ISBN-13: 978-3498001049
VÖ: 18.06.2019

Artikel, die dich interessieren könnten:
Carla Kaspari – Freizeit
Tanja Bogusz – Das Mädchen mit dem Heiermann, Großwerden auf St. Pauli 
Anne Sauer – Look What She Made Us Do – Über Taylor Swift
Petra Pellini – Der Bademeister ohne Himmel 
Uwe Carstens, Harald Stutte – Der Kleine von Dakota-Uwe: Meine Kindheit auf St. Pauli 
Harald Stutte – Wir wünschten uns Flügel, Eine turbulente Jugend in der DDR – und ein Fluchtversuch
Jan Müller, Rasmus Engler – Vorglühen
Olivia Jones – Ungeschminkt: Mein schrilles Doppelleben 
Andrea Abreu – So forsch, so furchtlos
David Schalko – Schwere Knochen

Autorenseite von Fernando Aramburu

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert