Fritzi Ernst – Jo-Jo – Review
FRITZI ERNST meldet sich mit ihrem neuen Album „Jo-Jo“ zurück. Die ausgebildete Klavierbauerin setzt für ihre Klangpoesie wieder überwiegend auf Tastenpower, aber auch andere Instrumente und Geräusche flankieren den herrlich dichten Sound und die tragisch echten Texte. Die Kombination wirkt wie ein sanfter Weckruf, der uns die Möglichkeit schmackhaft macht, die Leichtigkeit des Lebens zu bewahren, ohne die Schwere auszubilden. Die musikalische Sparsamkeit und schon fast nüchterne Virtuosität, die die ausgebildete Klavierbauerin an den Tag legt, weisen FRITZI ERNST außerdem wieder als wahre Meisterin der Reduktion aus.
„Jo-Jo“ als Ruhepause in einer lauten Welt
In einer Welt, die uns pausenlos zuballert und bei der es offenbar nur darum geht, von einer Superlative in die nächste zu schlittern, wirkt „Jo-Jo“ von FRITZI ERNST herrlich mager und wie eine echte Ruhepause. „Ich bin so dumm“ hat außerdem echtes Potential dazu, ein Indie-Hit zu werden. Der Text schwankt zwischen erfrischender Offenbarung der eigenen Unzulänglichkeit und einer ungesunden negativen Selbstverstärkung. Die Vorabsingle „Ich steh im Bett“ beschreibt die Entstehung und das Festbeißen an einer Idee, ohne den optionalen Burnout im kreativen Prozess außer Acht zu lassen. Ob und was man aus ERNSTs Texten ableitet, liegt am Ende in den Ohren der Hörerinnen und Hörer. Der humoristische Ansatz ist gesetzt und zieht sich durch die komplette Platte – wer da nicht mitgehen kann, kann sich „Jo-Jo“ auch nicht anhören.
Zelebration des Unperfekten und der Naivität
FRITZI ERNST zelebriert auf „Jo-Jo“ also erneut das Unperfekte („Kratzer“) und erinnert daran, dass das Leben eben keine makellose Inszenierung ist. Die naive Ästhetik überzeugt mit klaren Strukturen und eingängigen Melodien. Die Inhalte auf „Jo-Jo“ sind ungeschönt, direkt und mit einer besonderen Aufmerksamkeit für Details, die Erwachsene (damit sind wir gemeint!) oft übersehen oder verdrängen. „Denn die meisten meiner Fehler, hast du selber schon gemacht“, so heißt es im herrlich schleppenden „Ja, ich pfeif auf deine Regeln“. Beruhigend vorgetragen, pfeift und klimpert ERNST uns den sogenannten Ernst des Lebens aus der Birne und steht für das Recht ein, Fehler machen zu dürfen.
So ist es eben: Wie ein Jo-Jo bewegt sich das Leben zwischen Momenten des Erfolgs und des Scheiterns, der Freude und der Trauer. Der Schlüssel ist wohl, diese Bewegung als natürlichen Teil des Lebens zu akzeptieren und darin eine Art Rhythmus zu finden. Diesen Zustand brachten schon TEARS FOR FEARS in „Mad World“ zum Ausdruck, weshalb es nur naheliegt, dass FRITZI ERNST mit ihrem Cover diesen Ansatz aufgreift. Minimal instrumentiert, aber mit einer gewissen Dynamik ausgestattet, attestiert sie der Welt ebenfalls eine absurd witzige Verrücktheit.
„Jo-Jo“ von FRITZI ERNST ist nicht weniger, als ein heilsamer Rückzugsort, wenn mal wieder die Überforderung einsetzt.
Dauer: 29:23
Label: Bitte Freimachen Records
VÖ: 06.12.2024
Tracklist „Jo-Jo“ von FRITZI ERNST
Jo-Jo
Ich bin so dumm
Ich steh im Bett
Schreien oder Schweigen
Nie drüber gelacht
Kratzer
Ja ich pfeif auf deine Regeln
Alarm Alarm
Mad World
Märchen
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