Gemischte Tüte mit Thorsten Nagelschmidt und Felix Gebhard von Muff Potter – Interview

Wir treffen uns vor dem Konzert im Karlstorbahnhof Heidelberg backstage, alles ist neu und wirkt freundlich, manches aber auch noch unfertig. Eigentlich sollte das mit MUFF POTTER nur eine typische, lockere Ausgabe eines Interviews für die Rubrik “Gemischte Tüte” werden, so wie vorher mit IDLES, CLOWNS, AKNE KID JOE und den anderen Bands. Kurzweilige Fragen, in diesem Fall zum Thema live. Doch relativ schnell sind wir auf einer ganz anderen Ebene, rollen einen Teil der MUFF-POTTER-Geschichte auf und erkunden die Frage, was uns eigentlich an Musik so fesselt, nahezu süchtig macht und was die Abstinenz von Konzerten in uns verändert hat.

Wenn man eurem Newsletter glauben darf, dann war das letzte Konzert hier in Heidelberg 1997?

Thorsten: Ne, ich habe gerade nachgeschaut. Hier (zeigt auf ein Laptop auf dem Schreibtisch hinter ihm) siehst du das sagenumwobene Alle-Muff-Potter-Dates-ever-Worddoc, das uns wirklich gute Dienste leistet, auf ganz vielen unterschiedlichen Ebenen. Da habe ich vorhin nochmals nachgeschaut, das erste Mal war tatsächlich 1997 mit unseren Freunden von AMEN81. Wir haben aber dann nochmal 2006 in Heidelberg im Schwimmbad Musikclub gespielt.

Den gibt es nicht mehr, aber das war auch wirklich ein altes Schwimmbad und die Wände liefern immer an.

Thorsten: Jaja, ich erinnere mich auch nur ganz dunkel daran oder hätte mich vielleicht ohne die Liste gar nicht daran erinnert. Aber das war ein Schwimmbad, auch wenn ich es nicht mehr bildlich vor mir habe, dann weiß ich noch, dass es crazy dort war.

Aber es blieb nicht so in Erinnerung, wie der erste Auftritt, nachdem ihr dann bei Fans zu Hause gelandet seid?

Thorsten: (lacht) Wir sind ja früher immer bei irgendwem zu Hause gelandet, das war ja die Zeit, in der man keine Hotels hatte. Das war ja dann geil, wenn man in einem Club mit Pennraum gespielt hat, aber noch öfter war es so, dass man in einer WG vom Veranstalter gelandet ist. Aber da war es tatsächlich so, dass da eine Hausparty veranstaltet wurde und da wurden wir noch mit hingenommen, vielleicht sogar vom Veranstalter? Die Legende geht so, dass (lacht)… aber damit haben wir nichts zu tun, dass es dann Stress gab, wer wen mitgebracht hat, dass sich danach die Heidelberger Antifa gespalten hat.

Oh, interessant.

Thorsten: Das ist aber auch eine Geschichte, die wir uns schon selbst so oft erzählt haben (lacht), dass ich dafür jetzt auch nicht die Hand ins Feuer legen würde. Aber ja, da ist auf jeden Fall irgendwas dran.

Felix (lacht): Ich habe die auch schon gehört.

Felix, wann hast du denn MUFF POTTER zum ersten Mal gesehen?

Felix: Das Datum steht in dem Worddok, ich denke, es war Herbst 96 oder Anfang 97 (Thorstenschaut sofort nach!). Ich denke, es war 96 und damals waren ADELHEID STREIDEL EXPERIENCE…

Thorsten: 13.12.1996

Felix: Ok, es war auf jeden Fall in der Buchtstraße und da bin ich dem (zeigt auf Nagel) vorgestellt worden, von unserer gemeinsamen Freundin Atta. Und ich dachte noch, was ist das denn für ein Vogel. Weil er stand mit einer Flasche Liebfrauenmilch im Hosenbund da. Das war unsere erste Begegnung, wir haben uns wahrscheinlich unterhalten, da weiß ich aber auch nichts mehr davon, dann habe ich mir das Konzert angeschaut. Dann habe ich aber das nächste MUFF-POTTER-Konzert erst zehn Jahre später gesehen.

Thorsten: Dann waren wir wohl nicht so überzeugend (lacht).

Wenn Einer so mit Liebfrauenmilch im Hosenbund vor mir steht, dann hätte ich eine bestimmte Erwartung, was da an diesem Abend auf der Bühne abgeht. Hat er die erfüllt?

Felix: Zu der Zeit war das wahrscheinlich nicht so besonders, nicht so wow! Aber die Platzierung der Flasche, die hat mich beeindruckt, die fand ich ungewöhnlich. (beide lachen).

Thorsten: Ich hatte früher immer lieblichen Weißwein dabei, bin ja kein Biertrinker. Früher gab es nicht nur keine Hotels, sondern auch keine Rider, sondern bestenfalls VoKü oder so. Manchmal waren sie spendabler, manchmal gab es mehr Bier und manchmal weniger, aber wir hatten ja keine Anforderungen oder so und keine Option, die zu stellen. Das war in der Szene nicht üblich. Es gab auf jeden Fall selten Wein und wir haben oft in AZs gespielt und da galt es als snobistisches Getränk, das hätte ich da noch nicht mal kaufen können (lacht). Wir sind also vorher oft zum Aldi gefahren, da hatte ich so ein System. Wir sind ja nicht im Tourbus gefahren, sondern im Opel Ascona von unserem damaligen Gitarristen und ich hatte ein System, sodass ich die Weinflaschen unter den Sitzen so platzieren konnte, dass es genügend für ein Wochenende sind. Ich war immer sehr informiert über meinen Supply, Liebfrauenmilch kostet nur 1,99 Mark beim Aldi und ich mochte, dass man besonders gut das Etikett abknubbeln konnte, sodass kaum Rückstände blieben. Manchmal hat man es ganz sauber abgekriegt (lacht), das war meine Lieblingsflasche.

Warum hast du das gemacht, damit man nicht sieht, welche Marke es ist?

Thorsten: Ne, weil ich einfach so von meinem Naturell ein nervöser Typ bin, ich kaue auch Fingernägel und spiele an Sachen rum. Jetzt ist es nicht mehr so schlimm, ich habe zwei Gitarrenpleks, die ich in der Hosentasche drehen kann. Damals war das aber noch so, dass man sich gefragt hat, wohin mit den Fingern und dann gingen die an die Flasche. Wahrscheinlich könnte man das so freudianisch jetzt total auseinandernehmen (lacht), würde ich mal sagen. Aber es ist auch eine Lust, wie weit ziehe ich es auf, man will es noch nicht ganz abmachen und dann ist es eine schöne Spielerei, mit der man so aufregende Situationen überspielt. Man steht da vor der Buchtstraße, alles ist neu, weil man jung ist, neue Leute kennenlernen, neue Bands und dann hat man was mit den Händen zu tun (lacht).

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