Gemischte Tüte mit Thorsten Nagelschmidt und Felix Gebhard von Muff Potter – Interview

Das heißt, deine Erwartung war einfach nur, dass du spielen möchtest?

Thorsten: Ja, genau. Ich will mit diesen Leuten in einen Bus steigen und ich möchte Musik spielen. MUFF POTTER hatten selbst nur 6 Songs und noch zwei Cover, einmal „Just Like Heaven“ von THE CURE und was von EA80, aber auch noch was von REAGON YOUTH. Brami erzählt übrigens immer, dass er da schon gedacht hat, dass er lieber bei MUFF POTTER wäre, die seien ja irgendwie geiler (lacht). Hat er ja dann auch geschafft. Man kann das schon romantisch nennen, wie es damals war, da ist schon so was von Bromance drin, aber auf eine gute Weise, mit der ich heute auch noch was anfangen kann. Also gemeinsam etwas erarbeiten und dann irgendwo hinfahren und ins kalte Wasser springen und mal schauen, was einen da erwartet und sich dem dann stellen.

Mit welchem Blick schaut ihr auf vergangene gefilmte Konzertausschnitte zurück? Ist das dann vorbei und vergessen oder werdet ihr nostalgisch?

Thorsten: Ich kann das gar nicht so gut, mir etwas im Nachhinein von uns anschauen. Shredder ist da ganz anders, der schaut sich das an und bemerkt dann irgendwelches Verbesserungspotential beim Gitarrentuning oder so. Dann bin ich froh, dass er das gemacht und mir mitgeteilt hat, weil ich mach das wirklich nicht gerne. Dazu muss ich in einer ganz bestimmten Stimmung sein und das kommt ganz selten vor. Wir haben tatsächlich auch selbst – das ist so ein runnging gag bei uns in der Band – ganz viel gefilmt. Eine gute Freundin von uns, die viel bei Konzerten von uns dabei war, hatte als damals sehr früh einen Camcorder, als das so in wurde. Deshalb haben wir viel Camcorder-Material aus den Neunzigern und den Nullerjahren in völlig verschiedenen Formaten. Es gibt Kartons mit Videomaterial gefüllt, die teilweise jahrelang bei unserem Ex-Bassisten rumlagen, die wir jetzt in unseren Besitz gebracht haben, die aber noch nie jemand angesehen hat.

Und es hat auch niemand so richtig Lust drauf (lacht), aber es wurde viel gefilmt. Wir hatten auch eine eigene Bandkamera, die wir auf Tour mithatten und damit haben wir, noch vor Social Media, Videos geschnitten und bei YouTube hochgeladen. Das ist schon was, was uns Spaß gemacht hat, aber nicht im Sinne von konservieren und festhalten, später wieder ankucken und so. Nein, eher so mit dem Gedanken, dass es cool ist, dass sowas möglich ist und das dann einfach mal ausprobieren und machen. Auch lustige Sounds darunterzulegen, sich also intensiv damit zu beschäftigen. Aber das war eigentlich eher immer Shredders Ding.

Was sind eure Erwartungen an euch selbst, wenn ihr ein Konzert spielt? Ganz unabhängig von einer Punk- oder Jazzhaltung, hat man ja eine Vorstellung davon, was passieren muss, damit es ein gutes MUFF-POTTER-Konzert war.

Felix: Ich finde wichtig, dass eine Band das Material qualitativ gut und glaubhaft in der Performance rüberbringen kann. Ich ärgere mich, wenn ich Fehler mache beim Spielen und hoffe, dass ich gut abliefere (lacht).

Handwerklich?

Felix: Ja, genau. Es ist ja Arbeit, was ich da mache und da will ich dann auch eine gute Figur machen. Eine Rockband birgt viele Klischeefallen, das ist ein Thema, das mich beschäftigt. Und trotzdem mag ich Rockmusik und navigiere aber bewusst an gewissen Fallen vorbei und hoffe, dass ich glaubwürdig dabei bin.

Nenn mal eine konkrete Falle.

Felix: Große Gesten, die man in so Breakmomenten macht, wenn der Song einen gewissen Moment erreicht, so physische Geschichten halt. Für mich funktioniert ein MUFF-POTTER-Set auch ohne diese Dinge…

(Thorsten holt ein kleines Notizbuch heraus und schreibt etwas auf)

… kriegt er jetzt einen Eintrag ins Band-Klassenbuch? Felix gibt falsche Antwort zum Thema Rockband!

Thorsten: (lacht) Nein, ich schreibe mir nur ein Wort auf, das ich mir merken will.

Felix: (lacht) Also ich meine eher, wenn man zum Beispiel auf ein Festival geht und dann der Großteil des Auftrittes aus Publikumsanimation besteht. Und mittlerweile färbt das sogar auf die eigenen Konzerte von den Bands ab, das gibt mir gar nichts.

Thorsten: Es gibt so Bands, die da gar nicht herauskommen, die das mal angefangen haben und denken, sie müssten das jetzt immer durchziehen, weil sie Angst haben, dass das Publikum sonst sofort gelangweilt ist und denkt, die hätten keinen Bock, weil sie zu nichts aufgefordert haben.

Felix: Mein Anspruch ist, dass man einen Konzertabend schafft und präsentiert, der halt ohne sowas auskommt und bei dem die Musik und die Texte im Mittelpunkt stehen.

Thorsten: Und es gibt ja auch eine Art von Interaktion mit dem Publikum, die nicht so funktioniert und ganz anders stattfindet. Unsere Konzerte sind wirklich sehr unterschiedlich. Gestern in Stuttgart hätte ich im Leben nicht gedacht, dass es so eine Art von Konzert wird. Da fand viel Interaktion zwischen uns und den Menschen statt, vielleicht nehme ich als Sänger, der die Ansagen macht, das auch anders wahr. Aber es hatten sich Sachen etabliert, die dann ein paar Songs später wieder aufgegriffen werden konnten und alles hat sich aus der Situation heraus ergeben, da war nichts geskriptet oder so. Mir ist wichtig, das Wort hat Felix eben benutzt, dass die Physis stimmt. Bei Rockmusik oder bei Musik generell, ist das wichtig. MUFF POTTER sind tendenziell laut, unser Mischer sagt immer, wir sind die lauteste Band, die er unter Kontrolle bringen muss.

Aber es geht eben auch sehr viel um Arbeit, um körperliche Arbeit. Mir persönlich gefällt das, auch wenn ich das nicht so richtig erklären kann, was ein gutes Konzert für mich ausmacht. Aber es gibt so Momente, die kann und will ich gar nicht auseinanderdröseln, aber da kann ich mich reinlegen. Also hinter mir ist Bramis Schlagzeug und auch von der Seite kommt Musik und in den allerbesten Momenten lege ich mich da irgendwie rein, kann darauf surfen und lasse es einfach so gut sein, wie es ist. Wenn man diese Momente hat und dann noch in guter Qualität, dann ist es ein gutes Konzert . Und für mich auch wirklich etwas, also auch im Vergleich zur Literatur, was nur Musik erreichen kann. Das kann ich mit nichts Anderem herstellen, auch nicht mit Sport oder sowas. Irgendwas funktioniert da im Zusammenspiel, irgendeine Note mit einem Beckenschlag oder eine Bewegung von unserem Bassisten, die ich nur im Augenwinkel wahrnehme und dann kommt was zusammen und dann ist es das für mich.

Im besten Fall trägt sich das dann auf den nächsten Song weiter. An manchen Abenden ist es ein Selbstläufer und an anderen dann Stop-and-Go, man hat es erreicht und kommt dann doch wieder raus. Ich finde die Frage total interessant, sorry, dass ich jetzt so aushole (lacht). Aber das ist etwas, das kann man nicht erklären, also ich zumindest nicht. Klar gibt es Läden, die klingen gut, andere nicht so gut und manche Bühnen sind echt schwierig, weil man einfach keinen guten Sound hinkriegt und dadurch dann einfach nicht so gut zusammenspielt und nicht so ein gutes Bandgefühl hat. Gestern dachte ich echt beim Soundcheck, dass wir unsere Kunst dort nicht adäquat darbieten können, weil es eine sehr strikte Dezibelbegrenzung gab, über die wir schon ohne die PA drübergekommen sind.

Lest den Konzertbericht zu Muff Potter und Drens, live Karlstorbahnhof Heidelberg, 27.04.2023
Voller Körpereinsatz beim MUFF-POTTER-Konzert in Heidelberg, Foto von Nadine Schmidt

Und ich dachte, dass wird einfach nicht so richtig schocken heute. Wir spielen natürlich unser bestmögliches Konzert, aber ich wollte mich schon bisschen darauf einstellen, damit ich dann nicht enttäuscht bin, wenn ich da stehe und es nicht so rockt (lacht), jetzt mal ganz plump gesagt. Aber dann war es ein total schönes Konzert, weil irgendwas ganz anderes passiert ist, in diesem Raum und mit den Leuten. Keine Ahnung, was es war, aber das ist halt möglich. Und deshalb finde ich es auch so schade, wenn manche Bands sich das dann so kaputtmachen, indem sie sowas gar nicht zulassen und immer nur das gleiche Programm abspulen. Ich denke, das ist ein Erlebnis von einer solchen Intensität, dass man es nicht mit anderen Sachen herstellen kann und darum möchte ich mich selbst ungern bringen. Ich möchte nicht, dass alles ganz perfekt ist und man sich diesen kleinen Bereich abschneidet, in dem dann möglich ist, dass etwas Unvorhersehbares entsteht.

Manche Auftritte, besonders auf Festivals, sind schon so durchchoreographiert, dass man das Gefühl hat, da würden Actionfiguren stehen. Für mich sind Auftritte dann am schönsten, wenn man spürt, dass da Menschen sind. Bei „Nottbeck City Limits“ freue ich mich schon total darauf, dass die Musik niemals so sein wird, wie auf der Platte und auch dein Vortrag kann ja niemals so klingen, wie auf der Platte…

Thorsten: … oh, jetzt habe ich aber total Druck (lacht).

Felix: Ein sehr gutes Beispiel, denn genau der Song lässt alle Möglichkeit für Freiheiten. Ich spiele da niemals das Gleiche, es gibt eine Struktur, an der ich mich abarbeite und dann bestimmte Szenen im Text, in die ich reingehe…

Thorsten: …der Text ist aber nie genau da an der Stelle, wo er auf der Platte ist.

Und genau das will ich sehen und hören!

Felix: Und die Chance, dass ich den Einsatz verpasse und gerade nicht auf den Text gehört habe, die macht es für mich interessant. Das ist jetzt nicht so gefährlich, wenn ich checke, dass da der Moment war, dann fließe ich da auch wieder mit rein. Aber es gibt diesen Moment, den ich nicht verpassen sollte… (lacht), aber die Chance, dass ich den verpassen könnte, die ist da und das macht es für mich interessant.

Thorsten: Das erste Konzert nach der Bandauflösung war ja beim „Jamel rockt den Förster“-Festival, aber danach das erste Konzert von MUFF POTTER war dann in der Live Music Hall in Köln und wir haben gleich den Anfang von „Wenn dann das hier“ verkackt. Wir haben uns so verheddert, dass wir aufhören mussten und dann wieder anfangen und das ist natürlich was, was niemand möchte (lacht). Das ist ein Schülerbandmoment, den man eigentlich unbedingt vermeiden will. Aber in dem Moment war das irgendwie so geil, weil wir es selbst lustig fanden und natürlich irre aufgeregt waren. Das würde ich heute so niemals wieder machen, das erste Konzert in Köln. Das ist eine wichtige Stadt für uns und da waren 1.500 Leute da, so viele sind früher nie gekommen. Weißte, das war alles sowieso schon so unter Spannung (lacht).

Dann habe ich aber gemerkt, dass das Publikum da auch total drauf abgegangen ist. Wir sind ja keine Dienstleistungsband, wir spielen halt das, worauf wir Bock haben und da fehlen halt auch mal Hits. Vielleicht spielen wir die mal wieder, aber wir spielen immer das, was wir spielen wollen. In einer Welt, in der alles immer perfekter wird und alle mit ihren Endgeräten, mit allen Filtern alles bearbeiten können, da werden die Imperfektion und der Moment einen viel größeren Stellenwert kriegen. Leute freuen sich, wenn MUFF POTTER sich verspielt haben und sie waren dabei (lacht). Es weiß ja jeder, dass man kaum noch eine Platte hört, auf der nicht der Gesang getunt ist oder das Schlagzeug geradegerückt, auch nicht in der Rockmusik. Das ist auch common knowledge. Live kann man zwar auch bisschen tricksen, aber bei einem MUFF POTTER Konzert ist vieles drin, also auch, dass was schiefgeht. Aber das ist für mich unabdingbar.

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