Gemischte Tüte mit Thorsten Nagelschmidt und Felix Gebhard von Muff Potter – Interview

Was nehmt ihr denn von der Bühne vom Publikum wahr, kriegt ihr da was mit davon?

Felix: Wir spielen ja nicht im Stadion, man hat ja gut Sichtkontakt.

Thorsten: Für mich ist diese Frage ein großes Thema, weil ich das gerne anonymisiere, weil es mir dann leichter fällt zu spielen. In meiner Doppelfunktion als Gitarrist und Sänger bin ich ja sehr beschäftigt. Wenn ich singe, fixiere ich einen Punkt, muss auch immer mal wieder auf das Griffbrett schauen, also ich habe keine Zeit, mir das in Ruhe anzuschauen. Aber es gab Momente, in denen ich einen brainfuck hatte, weil ich jemanden im Publikum gesehen habe.

Ich erinnere mich an ein Konzert im Stollwerk, Mitter der Nullerjahre, in Köln, da stand der Sänger von EA80 im Publikum. Ich kenne Martin, hatte ihn aber lange nicht gesehen, er ist zwei Meter groß und stand genau in der Mitte, so beinahe vor mir…(Felix lacht). Und ich habe von da an, nachdem ich ihn bemerkt hatte, mir die Songs nur noch durch seine Ohren vorgestellt und überlegt, was er wohl zu diesem oder jenem denkt. Weil das einfach für uns eine wichtige Band war und mit ein Grund dafür, um MUFF POTTER zu gründen. Neulich in Rostock hatten wir VODOO BEACH aus Berlin dabei, die Sängerin und Gitarristin Heike hat einen Shop zum Gitarren reparieren, da bringen Felix und ich unsere Gitarren hin. Die ist einfach megacool und schon seit gefühlt hundert Jahren in Bands und eine sweete, coole Person, aber für mich auch irgendwie eine Autorität. Wir haben gespielt und irgendwann habe ich sie rechts stehen sehen und wusste, dass das ihr erstes MUFF POTTER Konzert ist. Sie stand da mit Fine, der Schlagzeugerin, die haben dann was zueinander gesagt…. Also ich kann jetzt souverän damit umgehen, stelle aber fest, dass solche Beobachtungen mich dann für ein paar Minuten beschäftigen (lacht). Also nach Möglichkeit, möchte ich das vermeiden, denn über sowas will ich eigentlich nicht nachdenken.

Worum geht es dir da genau? Du kannst nicht abstellen, dass du weißt, dass die da sind und musst immer hinschauen?

Thorsten: Ne, ich denke dann so zusammenhangslos, von wegen, dass Heike ja die Gitarre vielleicht auch mal bearbeitet und in der Hand gehabt hat und jetzt sieht, wie ich die da spiele (lacht). Es sind keine zu Ende gedachten Gedanken oder Probleme, aber ich merke, dass das in irgendwelchen Bereichen des Hirns so rumwabert und ich das aber da weghaben will (lacht). Das soll mich nicht beeinträchtigen.

Wie verhaltet ihr euch, wenn ihr selbst Konzerte als Besucher anschaut?

Felix: Ich bin ja sehr groß und stehe deshalb meistens hinten. Ich habe einfach gemerkt, dass es Leute nervt, wenn ich vor ihnen stehe und versuche deshalb so seitlich, aber weiter hinten zu stehen oder ich stelle mich an die Bar, wenn die Lokalität es zulässt. Ich sehe schon gerne genau, was abgeht. Aber ich wüsste jetzt nicht, welche Band mich jemals in ein Stadion locken würde oder so, wo man ja einfach mal weiter weg stehen müsste.

Du warst noch nie auf einem Stadionkonzert?

Felix: Müsste nachdenke, aber eher nicht, das ist nicht so mein Ding. Es interessiert mich bei Konzert auch total, was handwerklich zu tun.

Thorsten: Wobei das auch bisschen auf die Band ankommt, neulich waren wir beide zusammen bei OFF! auf einem Konzert. Wir standen relativ weit hinten und es passte an dem Abend auch für uns. Aber als die Leute dann weg waren, haben wir doch nochmal einen Weg so rund um die Bühne gemacht, um zu sehen, was da eigentlich so alles auf der Bühne so abging und was da rumsteht. Ich bin nicht der große Gear-Nerd, aber das interessiert mich dann schon. Was mir bei Konzerten total wichtig ist, ist der Anfang. Ich hasse es, zu spät zu kommen. Denn ich liebe es, den Anfang eines Konzertes zu sehen. Wie die Band reinkommt, wie sie sich verhält, ob sie gleich Kontakt aufnehmen mit dem Publikum oder eben nicht. Dann geht bei mir sowas los, was mich dann richtig in die Show, Vorstellung oder Darbietung, wenn man mal theaterhafter denkt, so reinzieht. Dann habe ich das Gefühl, ich bin ein Teil davon. Wenn ich zu spät komme, selbst wenn es nur zwei Minuten sind, dann bin ich nicht so verbunden mit der Sache.

Felix: Das sehe ich auch so. Für dich ist auch so die Magie des Aufgangs wichtig, wie das so wirkt. Aber ich finde, die kleinen Sachen, die man dann noch so vorher sehen kann. Also ob die Band selbst beim Umbau ihren Kram macht, das finde ich auch superinteressant.

Thorsten: Und welche Umbaumusik läuft!

Felix: Ja genau, und wie das Material rumgeschoben wird. In den späten Neunzigern habe ich ein Konzert von BEN FOLDS FIVE gesehen, da haben Typen ihm einen mobilen Flügel hingeschoben. Und ich habe mich so gefragt, wie geht denn das? Das war wohl so aufgebockt und vorher alles fertig gemacht, also so Kleinigkeiten, das interessiert mich.

Lest den Konzertbericht zu Muff Potter und Drens, live Karlstorbahnhof Heidelberg, 27.04.2023

Thorsten: Also nochmal zu diesem NOTWIST-Konzert (lacht), ich kann anhand dieses einen Konzertes komplett über Musik reden. Alles was mich an Musik interessiert, also die Songs, wie die Band Musik macht, auf technischer Ebene, auf emotionaler Ebene, auf ästhetischer Ebene, die Darbietung und einfach alles, könnte ich rund um dieses Konzert erzählen… ich erzähle das auch allen (lacht), da muss mich auch keiner danach fragen (lacht).

Da stand auch so unfassbar viel Zeug auf der Bühne und ich habe mir beim Umbau alles angesehen. Da stand dieses Vibrafongerät, das wirklich groß ist, eine Tuba, Drums und so viel Percussions und da stehen die dann auch wirklich sehr beengt. Da stehen, alter Schwede, sieben Leute auf der Bühne, dass die überhaupt eine Supportband hatten. Denn es wäre für die deutlich einfacher, wenn die einfach Soundcheck machen und dann ihr Zeug hinstellen würden. Der Soundcheck dauert bestimmt eh schon lange genug. Aber die rollen dann den ganzen Kram da rein und das war echt eine Menge. Ganz viele alte analoge Synthesizer und Tasteninstrumente, was ja auch alles irgendwie diffizil verkabelt ist.

Wenn die Person das Instrument selbst spielt, dann finde ich die Verbindung interessant. Schon oft war ich auf einem Konzert und dachte, mich interessiert XY und dann war da auf einmal eine Bassistin oder ein Drummer, denen ich fasziniert zugeschaut habe, wie sie mit ihrem Instrument umgehen. Danach höre ich auch manchmal die Platten anders, kennt ihr sowas?

Thorsten: Ja, kenn ich. Vorgesten war ich bei YO LA TENGO, die ich zum ersten Mal live gehört habe, auch ein tolles Konzert. Ich wusste, dass die die Instrumente wechseln, aber nicht, wer bei welchem Song was spielt. Klar, beim Gesang hört man es, auf der neuen Platte gefallen mir die Songs am besten, die die Schlagzeugerin singt. Aber das die dann auch zwischen Drums, Bass, Tasten und Gitarren wechseln, das war mir so nicht klar und das hat mir einen anderen Zugang zu der Musik verschafft. Wenn ich es gewusst hätte, dann wäre es mir bei der Platte schon aufgefallen.

Und genau deshalb sollen Menschen auf Konzerte gehen, um einen anderen Zugang zur Musik zu kriegen, diese wirklich zu spüren und das Unvorhersehbare erfahren zu können. Man kann sich das nicht zu Hause anschauen, das ist etwas anderes und deutlich schlechter.

Thorsten: Vergleichbar damit, ob man am Rücken gestreichelt wird oder ein Like bei Instagram bekommt. Bei Instagram wird Serotonin ausgeschüttet und wenn dich jemand am Rücken streichelt, am besten noch da, wo du nicht hinkommst (lacht), dann wird Oxytocin ausgeschüttet. Wir sind ja oft frustriert, wenn wir den ganzen Tag an den Endgeräten hängen, aber das wirkliche Erlebnis, das auch nachhallt, ist das mit anderen Menschen. Und das gilt auch für Kunst und somit auch für Musik.

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