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Harald Stutte – Wir wünschten uns Flügel, Eine turbulente Jugend in der DDR – und ein Fluchtversuch – Review

Mit seinem autobiografischen Buch „Wir wünschten uns Flügel, Eine turbulente Jugend in der DDR – und ein Fluchtversuch“ arbeitet der Autor und Journalist Harald Stutte seine eigene Geschichte auf. Das Finale ist eigentlich entscheidend und erscheint einem rückblickend vollkommen absurd. Dabei startet das Buch durchaus unterhaltsam, aus der Sicht eines Kindes wirkte die DDR noch eher in ihrer Überschaubarkeit behütend.

Doch mit jedem Jahr wuchs der Wunsch nach Freiheit, stiegen die Zweifel an dem Plan und im Falle von Harald Stutte und seinen Kumpels war klar: Sobald ich 18 bin und meinen Schulabschluss in der Tasche habe, bin ich hier weg! Das Wie und Wo war nicht ausformuliert, Hauptsache weg hier.

Verschobenes Bild, teilweise geradegerückt

Je weiter man mit „Wir wünschten uns Flügel, Eine turbulente Jugend in der DDR – und ein Fluchtversuch“ von Harald Stutte kommt, umso klarer wird, dass man wirklich viel zu wenig weiß, über die DDR. Lange Wartezeiten für Autos, Stasi, eingeschränkte Verfügbarkeit von bestimmten Waren, Reiseverbot und ein vom Staat diktiertes Fernseh- und Radioprogramm. Darüber hinaus waren die Menschen, die im sozialistischen Staat lebten, natürlich erfinderisch, versorgten sich illegal mit allem Möglichen aus dem Westen oder Ausland.

Rebellion und Erkenntnisse

Harald Stutte und seine Freunde durchliefen also in Teilen eine ähnliche Kindheit und Jugend wie die Menschen im Westen. Denkt man. Die Tatsache für den Besitz einer bestimmten Jeans oder eines Glas Nutella oder für die falschen Fragen in ernsthafte Schwierigkeiten zu geraten, kann man sich nicht wirklich vorstellen, wenn man frei aufwuchs. Stutte wird erst zum Hippie, später zum Punk, rebelliert mal leiser und mal lauter. Ein Besuch im KZ Auschwitz öffnet ihm die Augen darüber, wie stark die Partei sich selbst die Geschichte passend macht. Gedenken an NS-Opfer gab es schon, aber eher an die eigenen Gefallenen und weniger an die vielen unschuldigen, jüdischen Menschen. In diesem Moment hinterfragt Stutte zum ersten Mal generell kritisch sein Deutschsein.

Die Schlinge zieht sich zu

Der leicht poetische Anfang im Buchtitel „Wir wünschten uns Flügel, Eine turbulente Jugend in der DDR – und ein Fluchtversuch“ von Harald Stutte unterstreicht die Sehnsucht, die der Autor im Buch sehr gut vermittelt. Von Seite zu Seite wird sie stärker, immer unerträglicher. Einfach über die Mauer fliegen, das wär’s. Stattdessen wagt er gemeinsam mit seinem Kumpel einen Fluchtversuch, der misslingt. Er sitzt eine lange, ungerechtfertigte Haftstrafe ab, die ihn letztendlich für immer aus der DDR ausschließt. Der Preis, den er dafür zahlen musste, ist hoch. Das Trauma wird ihn wohl für immer begleitet. Und als Leser oder Leserin bleibt man mit einem stumpfen Gefühl zurück und der ständigen Frage nach dem Warum?

Seiten: 256
Verlag: Rowohlt Taschenbuch
ISBN-10: 3499010712
ISBN-13:  978-3499010712
VÖ: 31.01.2023

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Autorenseite von Harald Stutte beim Verlag

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