Hippotraktor – Meridian – Review
Man kann es sich superleicht machen mit „Meridian“, dem ersten Album der Progressive-Post-Metalband HIPPOTRAKTOR und einfach sagen, dass es ungefähr so gewaltig ist, wie GOJIRA. Wow, große Töne gespuckt, oder? Aber unterm Strich stimmt es. Sehr starkes Drumming und Riffgewitter, das die Erde erschüttern lässt, mischt sich mit folkloristischen Ansätzen und wird getragen von harschem und gerne auch mal melodiösem Gesang.
Die Belgier walzen ihre Kompositionen gemächlich aus, haben genug Material und ausgeprägte Fähigkeiten, um alles ansprechend auszugestalten und mit „nur“ sieben Tracks ins Ziel zu fahren. Sänger Stefan De Graef hat sich darüber hinaus schon bei PSYCHONAUT bewährt, unerfahren ist hier mit Sicherheit niemand.
Gegen die Gott-Maschine
HIPPOTRAKTOR ist eine imaginäre Gott-Maschine, auf deren Vorstellung und Wirkungsmöglichkeiten das komplette Album aufbaut. Im Zentrum von „Meridian“ steht ein einsamer Wanderer, der unterschiedliche Welten durchquert und dazu gezwungen ist, aufgrund von mangelnden Abgleichmöglichkeiten mit anderen, seine ganz eigene Wahrheit unbeeinflusst zu finden. Jeder Song auf dem Album symbolisiert eine Auseinandersetzung, mit dem, was sich ihm bietet. Das wären also die Natur und selbst erdachte Gottheiten.
Klingt alles ziemlich abgefahren und taugt als interessanter Unterbau, aber HIPPOTRAKTOR funktionieren auch ohne diese fantastische Erzählung. Die wechselnden Szenen und Emotionen sorgen dafür, dass häufig wütend und laut aufgestampft und im nächsten Moment auch musikalisch alles in Hoffnung und Frieden aufgeht („Beacons“). Dabei können HIPPOTRAKTOR über lange Strecken auf Gesang verzichten, aber auch gleichermaßen mit ihm einen stimmlichen Zuckerguss erschaffen, der herrlich einnehmend ist.
Eine zusammenhängende Geschichte
Es gibt keinen Song, bei dem man nachträglich kürzen möchte. Alles wurde gut überlegt und nachvollziehbar abgewogen. Das Riffing tendiert häufig in kühles Djent („God Is In The Slumber“) und am schönsten sind tatsächlich die Szenen, in denen die Band Gut und Böse gnadenlos aufeinanderprallen lässt. Das Drumming ist immer dominant, immer wegweisend und dieses Merkmal teilt sich die Band mit GOJIRA. Besonders die polyrhythmischen Explosionen, wenn kurz alle Musiker miteinander rangeln, sind bemerkenswert. Grundsätzlich steht und fällt dieses Album aber mit der Fähigkeit der Hörerinnen und Hörer, sich darauf einzulassen. Den alles erstrahlenden Hit sucht man vergebens, es geht um alles.
„Meridian“ wirkt am besten, wenn man sich wie damals bei dem Konsolenspiel „Shadow of the Colossus“ an dem schweißtreibenden Kampf und der beschwerlichen Auseinandersetzung mit dem vermeintlich Unbesiegbaren erfreuen kann. Und so sind die letzten zwei Minuten von „A Final Animation“ wahrlich erschöpfend, die schlängelnden Gitarren werden von wütend drängelnden Drums förmlich an den Abgrund gezwungen und man bekommt den Eindruck, dass sich „Meridian“ am Ende ins Nichts stürzt.
Dauer: 41:53
Label: Pelagic Records
VÖ: 15.10.2021
Tracklist „Meridian“ von HIPPOTRAKTOR
Manifest To The Mountain
Mover Of Skies
Sons Of Amesha
God Is In The Slumber
Juncture
Beacons
A Final Animation
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