Inga Vesper – In Aufruhr – Review
Die deutsche Autorin Inga Vesper nimmt uns mit ihrem Kriminalroman „In Aufruhr“ mit in ein weißes Vorstadtviertel in Kalifornien im Sommer 1959. Joyce, Ehefrau und Mutter von zwei Kindern, verschwindet, zurück bleibt nur eine mysteriöse Blutlache. Die schwarze Reinigungskraft Ruby, die diese entdeckt, wird unfreiwillig in den Fall verwickelt und arbeitet dem Polizisten Mick, der den Fall übernimmt, etwas widerwillig zu. In erster Linie tut sie dies, um ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, denn aufgrund ihrer Hautfarbe stehen ihre Chancen denkbar schlecht und schon die bloße Anwesenheit in der Nähe des vermeintlichen Tatortes macht sie verdächtig und bringt sie in große Gefahr.
Tristesse und Enttäuschung auf beiden Seiten
Den Kreis der gelangweilten, privilegierten Hausfrauen kennt sie, auch wenn sie nie ein Teil davon war und alles nur von außen beobachtet hat. Und auch mit Joyce, die sie beauftragt hatte, kam sie immer wieder ins Gespräch, fühlt sich ihr verbunden und verpflichtet. Spätestens an diesem Punkt ist „In Aufruhr“ von Inga Vesper schon deutlich mehr, als ein handelsüblicher Krimi, denn der Alltag von PoC war damals noch schwerer als heute. Die Autorin arbeitet die Klassenunterschiede fein und deutlich heraus. Sie verzichtet aber vollständig auf Gewaltszenen oder übertriebene Schilderungen.
Viel schlimmer ist, dass wir beispielsweise aus den Gedanken der Betroffenen die Zustände als akzeptiert wahrnehmen. Gleichen wir diese mit unserem heutigen Stand ab, ist das natürlich erschreckend. Als Leser*in fühlt man sich weder im konservativen Sunnylake, noch im armen Viertel South-Central wohl. Beides ist von Traurigkeit überschattet, mal deutlicher sichtbar und mal weniger offensichtlich. Und je tiefer wir in dem Fall graben, umso deutlicher wird, dass „In Aufruhr“ von Inga Vesper auch ein feministischer Krimi ist.
Ständige Spannung, bis zur letzten Seite
Nach und nach erfahren wir mehr über die Vorgeschichte der verschwundenen Joyce, über die Ehe des Polizisten, über die Beziehung von Ruby zu ihrem Freund Joseph und über die Probleme der Frauen aus dem vermeintlich guten Viertel. Überall herrscht Druck, es gibt Enttäuschungen und geplatzte Träume auf beiden Seiten. Die Kapitel sind jeweils immer mit dem Namen einer Hauptperson überschrieben und behandeln dann zentral deren Anliegen oder Abschnitte im Fall, die sie betreffen. Wir sind Ruby und dem Polizisten meistens einen Schritt voraus, wissen immer etwas mehr und doch bis zum Ende nicht die tatsächliche Lösung. Es liegt einiges auf der Hand und Stück für Stück kann man sich seine Theorie zusammenbauen.
Inga Vesper beschreibt sehr detailliert und so, dass man sich tatsächlich vorstellen kann, wie es an den jeweiligen Orten riecht. Über „In Aufruhr“ liegt eine ständige Spannung, man fühlt sich angemessen involviert und es gibt keine Längen, die man mühsam mitlesen muss. Alles ist dem Fall zuträglich, sodass „Im Aufruhr“ ein sehr kurzweiliger, wenn auch trister und bis zum Ende sehr trauriger Roman ist.
Seiten: 384
Verlag: Kindler Verlag
ISBN-10: 3463000229
ISBN-13: 978-3463000220
VÖ: 21.04.2021
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