Interview mit Cadavre De Schnaps zur EP “Unlearning By Doing”
Wer jetzt denkt: “CADAVRE DE SCHNAPS, was ist das denn für ein verrückter Bandname?”, der sollte erstmal die Musik der Kölner hören. Irgendwie schräg, ohne anstrengend zu sein und wenn die EP “Unlearning By Doing” einmal durchgelaufen ist, fühlen sich die Ohren angenehm freigepustet an. Grund genug mal bei Jeong, Philipp und Bastie nachzuhaken, was sich sich dabei gedacht haben.
Mit welcher Idee habt ihr CADAVRE DE SCHNAPS gestartet?
Jeong: Ich habe nach dem Ende meiner damaligen Band um 2015 angefangen, mit sehr rudimentären, um nicht zu sagen aussichtslosen, Mitteln Songs zu “produzieren”. Das war ausgesprochen dilettantisch, aber machte um so mehr Spaß. Nach zwei Alben wuchs das ganze dann zur festen Band, auch und vor allem, weil es mir wenig Freude bereitete, alleine live zu performen. Alle Bandmitglieder kannte ich vorher schon aus anderen Zusammenhängen, teilweise waren wir auch schonmal musikalisch gemeinsam aktiv.
Wie habt ihr eure Instrumente erlernt, jahrelanger Unterricht oder learning by doing?
Jeong: Eine gewisse musikalische Ausbildung haben die meisten von uns genossen, die meisten Aspekte, Spielen in einer Band, Songwriting, Produktion und so weiter, wurden und werden aber tatsächlich einfach gemacht und dabei vielleicht auch ein wenig erlernt.
Bastie: Ich hatte ungefähr eineinhalb Jahre Basisunterricht, als ich so 12 oder 13 war und ab dann wurde viel gedaddelt. Als ich dann 22 Jahre alt war, habe ich es noch mal für ne Zeit richtig ernst genommen auch Unterricht genossen.
“Unlearning By Doing”, das klingt nach dem Wunsch, Gewohnheiten abzustreifen. Was würdet ihr gerne vergessen, welche Angewohnheit an euch, nervt euch?
Jeong: Ich habe bei dem Titel eher das Gefühl, dass es um Gewohnheiten geht, die einen etwas blind dafür machen, wofür man sie eigentlich pflegt. Wodurch man dann darin “schlechter” wird, obwohl man ja eigentlich viel “Übung” darin hat. Es geht also weniger um konkrete Dinge, die einen an sich selbst stören als um unbewusstes Handeln, das vielleicht bewusster unter die Lupe genommen werden könnte.
Genres sind euch ganz offensichtlich komplett egal, versucht ihr bewusst zu vermeiden, eine bestimmte Stilrichtung zu bedienen oder Musikmachen ohne Grenzen für euch sogar ein Muss?
Jeong: Der ursprüngliche Ansatz war, einfach die Songs umzusetzen, die einem so in den Sinn kamen. Das hat sich bis heute im Grunde gehalten. Daher ist es wohl eine bewusste Entscheidung, sich keine Grenzen zu setzen, was ja irgendwie auch schade wäre. Allerdings sind die beiden vorangegangenen Alben noch wesentlich wechselhafter, was die Stilistik angeht, auf der EP kann man zumindest alles irgendwie in die Indie-Rock-Schiene einordnen, wenn man möchte.
Das Video zu “Balloon (Modern Version)” und auch der ganze Look im Video haben eine Tendenz zu den Achtzigern oder frühen Neunzigern, wie kam es dazu? PREFAB SPROUT kamen mir sofort in den Sinn.
Jeong: Die Grundidee des Songs hat schon ziemlich klar diese Richtung vorgegeben. Auch andere Songs auf der EP wecken vermutlich Assoziationen zu Bands dieser Zeit. Entsprechend war es auch logisch, in der visuellen Umsetzung darauf einzugehen.
Philipp: Die Prefab-Sprout-Assoziation finde ich super.
Jeong, dein Gesang ist mir sofort aufgefallen, da ich ihn sehr besonders finde. Hast du im Hinblick auf Gesang Vorbilder, die dich begeistern und deren Tiefe du bewunderst?
Jeong: Ganz klare Vorbilder auf allen Ebenen fielen mir nicht ein. Aber natürlich finde ich viele Leute toll und kupfere hier und dort unbewusst was ab. Ich höre aber eigentlich eher selten isoliert darauf, was jemand gerade gesangtechnisch macht, sondern normalerweise auf das komplette Paket, da muss sich der Gesang irgendwie logisch eingliedern.
Wie geht ihr beim Songwriting vor, sehr intuitiv?
Jeong: Ja, total. Dadurch, dass ja alles erlaubt ist, fühlt es sich immer am besten an, wenn sich Dinge irgendwie zwangsläufig ergeben. Das ist auch sehr befriedigend, da sich Entscheidungen dann bestenfalls wirklich richtig anfühlen.
“Spilled Milk” wirkt wie eine Bestandsaufnahme von einem lethargischen Moment, anfangs sogar etwas gruselig instrumentiert. Haben die Texte alle persönlichen Bezug und handelt es sich hier tatsächlich um eine bestimmte Situation, die in einem Song gepackt wurde?
Jeong: Nein, es gibt nicht immer, sogar eher selten, einen klaren persönlichen Bezug. Aber das Wort Bestandsaufnahme passt in diesem Zusammenhang gut, wie ich finde. Speziell in diesem Song trifft es zu, da sich hier nichts storylike fortbewegt, sondern nur Feststellungen aneinandergereiht werden.
Was passiert im besten Fall mit Hörerinnen und Hörern, wenn sie eure Musik hören?
Jeong: Am besten fühlt sich Musik für mich an, wenn man irgendwie gepackt und nicht mehr losgelassen wird, wobei das natürlich auf unterschiedlichste Weise passieren kann. Das kann sowohl ein sehr freudiges als auch ein verstörendes Erlebnis sein. Ich denke, auf der EP sind aber die freudigen Momente in der Überzahl.
Erzählt mir bitte noch was zum Artwork, wer hat das gestaltet und in welchem Zusammenhang steht es mit eurer EP?
Philipp: Auf dem Cover ist eine Collage einer befreundeten Künstlerin Claudia Söchting abgebildet, auf das Motiv konnten wir uns alle spontan einigen, es hat etwas dynamisch-rätselhaftes. Auch für die Innen- und Rückseite konnten wir auf Claudias Fundus zurückgreifen.
Wie informiert ihr euch selbst über neue Musik?
Jeong: Informationen auf allen möglichen Wegen, seien es kommerzielle Publikationen, Blogs und Zines, Empfehlungen von Freunden oder tatsächlich auch algorithmisch vorgeschlagenes Zeug. In den letzten Jahren richtig gekickt haben mich bspw “Serf’s Up” von FAT WHITE FAMILY, weil es in aller Kaputtheit auf selbstverständliche Weise mit tollen Pop-Momenten kollidiert, aber auch alte Sachen wie Pere Ubu oder Swell Maps, aus ähnlichen Gründen.