Interview mit Chris von Giver zum Album „Sculpture Of Violence“
Im Song „The same stream“ heißt es „you don’t feel a change, if you don’t move“. Das passt jetzt inhaltlich sehr gut, danach kommt ein krasser NAPALM DEATH-Moment, haben die musikalisch und inhaltlich Einfluss auf euch?
Ne, ich kenne die, aber nein. Krass (lacht). Wobei vielleicht auf unseren Sänger, der ist unser Metalhead.
Ich habe den Eindruck, dass ihr dieses Mal, in jeder Kategorie noch einen drauf gelegt habt. Das Artwork, der Sound, die Videos, wer hat das alles gemacht?
Witzigerweise haben wir ganz viel mit denselben Leuten gearbeitet und ich glaube, dass die sich ganz stark mit uns gemeinsam weiterentwickelt haben. Es war dasselbe Studio und der gleiche Mensch. Aber ich habe neulich mal selbst die Platten gegengehört – normalerweise höre ich nicht unsere eigene Musik (lacht) – aber ich war selbst erstaunt, wie krass das jetzt klingt. Es war eine Überlegung von uns, zusammen mit meiner Freundin der Fotografin Marie Laforge, die auch unser Cover gemacht hat, dieses Mal nur Videos zu machen, die auch was zum Song beitragen.
Wir wollten das ganze auf ein neues Level heben und ein zusammenhängendes Kunstwerk aus Videos und Songs zu machen. Wir haben beide mit unserem Kumpel Adrian Gucze gedreht, der das letzte Video zu „Heart Of Dark“ von unserem letzten Album gemacht hat. Wenn einer von uns nicht im Land war, hat er Gitarre oder Bass gespielt, also er ist quasi das sechste Bandmitglied. Überlegt haben wir uns alles selbst, aber gedreht und geschnitten hat er.
Und auch liebe Grüße an euren Drummer, der einen richtig guten Job gemacht hat. Es hört sich wirklich an, als ob da mehrere Alben Entwicklung dazwischen liegen.
Gebe ich gerne weiter, er ist mittlerweile Papa geworden und hatte Bedenken, dass er es nicht schafft. Wahrscheinlich musste er sich mehr fokussieren und das war gut (lacht).
Wenn ihr in unterschiedlichen Städten wohnt, wie macht ihr das dann mit dem Proben?
Die meisten von uns sind nach Köln gezogen, unser Sänger wohnt als einziger in Dresden. Instrumental proben wir schon halbwegs regelmäßig, wir machen dann eine Vorproduktion, schicken das an unseren Sänger und dann schicken wir uns Texte hin und her. Wenn wir auf Tour sind, nehmen wir manchmal seine Stimme nochmals extra auf.
Sein Gesang klingt auch anders, ich habe es als „gepresster“ beschrieben, er hat auf jeden Fall deutlich mehr Druck und es klingt dringlicher.
Er selbst ist deutlich zufriedener dieses Mal und ich glaube, das lag am Aufnahmemodus. Wir haben beim ersten Album alle unsere Instrumente in Southhampton im Studio aufgenommen und den Gesang von ihm dann selbst und dann auch noch in nur drei oder vier Tagen. Das lag einfach daran, dass er nicht abkömmlich war zu diesem Zeitpunkt. Er hat dann stundenlang am Stück geschrien und das ist wahnsinnig anstrengend. Dieses Mal war er mit dabei und konnte pro Tag eine Stunde singen oder bis er nicht mehr konnte. Deshalb hatte er immer volle Energie.
Ja, genauso hört es sich auch an, volle Energie. Ihr habt schon einige Tourdaten für das Album veröffentlicht. Da ihr politisch sensibilisiert seid, nehmt ihr Leute mit, die Stände zu wichtigen Themen aufbauen oder achtet ihr auf die Clubs, in denen ihr spielt?
Wir machen uns Booking noch selbst, die EMPLOYED TO SERVE-Tour, die wir jetzt spielen, das macht deren Booker. Da freuen wir uns sehr darauf, denn das sind gute Freunde von uns. Wenn wir selbst spielen, dann achten wir schon darauf, in welchen Läden wir sind und wir haben auch mittlerweile unsere Kontakte und veranstalten hier im autonomen Zentrum in Köln auch selbst Shows. Wir haben uns vorgenommen, jetzt mit „Sculpture Of Violence“ auch mehr zu machen, abgesehen von nur spielen. Wir haben jetzt ab März immer einen kleinen Stand mit Literatur und Infomaterial zu Themen, die uns wichtig sind.
Gibt es eine Band, die für euch in dieser Hinsicht ein Vorbild sein könnte? Also nicht ausschließlich musikalisch, sondern eher von der Positionierung.
Ähm, wir finden wirklich alle die IDLES cool und den Vibe, den die haben. So ein richtiger Einfluss sind die nicht, aber wir sind früher mit VERSE oder STRIKE ANYWHERE oder PROPAGANDHI aufgewachsen, die stark politisch sind und nicht nur plakativ, sondern wirklich ausführliches Beiwerk zu ihren Texten liefern.
Lustig, dass in den letzten zehn Interviews, die ich geführt habe, mindestens einmal das Wort IDLES fiel. Es gab nur zwei Musiker, die damit nichts anfangen konnten. Bemerkenswert, dass diese Band über mehrere Genres hinweg so Eindruck hinterlassen haben.
Ich habe vor Kurzem einen Auftritt von denen im Internet gesehen, da hat der Sänger den Song gestoppt und meinte, dass es kein Circlepit sei, wenn nur Männer in diesem Circlepit sind, sondern ein Phallus (lacht). Wir hatten so einen krassen Moment, dass wir in August auf einem Festival gespielt haben und nach uns trat eine größere Hardcoreband auf. Ich will jetzt keine Namen nennen, aber die machten eine Antisexismus-Ansage und im nächsten Ultramoshsong waren dann einfach nur Typen. Das sehe ich kritisch, da machen wir sicher selbst auch noch Fehler und müssen einen Umgang damit finden. Aber da muss man mittlerweile ein Auge darauf haben und das kriegen IDLES einfach vorbildlich gut hin.
Als ihr mit GIVER angefangen habt, war da gleich klar, dass ihr eine Ansage machen wollt und nicht nur Zickezacke Hühnerkacke singen wollt?
(lacht) Ich glaube, da gab es sehr wenig System am Anfang. Die haben mich gefragt und mir war klar, dass ich keine Sekunde investiere, wenn es nichts bringt. Das Schöne an GIVER ist, dass wir uns zusammen entwickelt haben und die Band immer eine Plattform war, um sich mit Dingen auseinanderzusetzen. Wenn wir einen coolen Podcast auf der Fahrt zur Show gehört haben oder was auch immer, dann teilt man das mit den anderen und findet Themen heraus, über die man gerne mal singen würde. Eine Band ist schon ein ganz gutes Konstrukt, um sowas mal zu machen, soziales kulturelles Kompendium von komisch zusammengewürfelten Leuten.
Trifft bei euch wirklich Pedant auf Chaot oder seid ihr euch schon ähnlich?
Wir sind schon ziemlich bunt zusammengewürfelt. Wir waren vor Kurzem mit TIDES DENIED auf Tour, der Sänger war früher mein Mitbewohner. Die sind eben zusammen aufgewachsen und kennen sich alle seitdem die kleine Kinder waren. Und da ist mir aufgefallen, wie gleich eine Band aufgestellt sein kann, im Gegensatz zu uns. Wir haben teilweise komplett unterschiedliche familiäre Hintergründe von komplett kaputtem Elternhaus bis hin zu vorbildlichem, bürgerlichem Hintergrund. Wir versuchen es so zu gestalten, dass immer jeder fair an allem teilnehmen kann, was nicht immer einfach ist (lacht).
Wahrscheinlich macht aber genau das die Band GIVER und eure Musik aus. Die Diversität spiegelt sich dann dort wider. Das ist eine schöne Klammer für unser Gespräch, weil es unterstreicht, dass es schön ist, wenn Menschen unterschiedlich sind und es ist auch genau das Besondere, das man eurer Platte anhört.
Ja, wird mir wahrscheinlich auch gerade selbst bewusster, weil wir darüber reden (lacht). Man nimmt sowas immer als gegeben hin, aber wir haben schon teils sehr unterschiedliche Lebensrealitäten. Einer von uns ist Familienvater und hat einen festen Job, der andere wohnt in einem 13-Leute-Hausprojekt in einer Fabrikhalle, also komplett unterschiedliche Charaktere. Aber es macht immer Spaß mit allen zusammen und das ist es, was es ausmacht.
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