Interview mit Daniel von Leitkegel zum Album „Wir sind für dich da“
LEITKEGEL gründeten sich bereits 2011 in Essen. Eher zufällig kamen die vier Musiker in der damaligen Besetzung zusammen, wie uns Sänger Daniel erzählt: „Hendrik haben wir damals in der Bahn nach dem Olgas Rock Festival getroffen, das war ganz witzig. Er hat ein Gespräch von uns mitgehört und uns dann erzählt, dass er auch Musik macht, Schlagzeug spielt und man sich ja mal treffen könnte.“ Es wurde also ein temporärer Proberaum in Essen gemietet und nachdem die ersten Töne erklungen waren, war ziemlich schnell war klar, dass sich die Band nicht gesucht, aber gefunden hatte. Songs wurden geschrieben und relativ rasch auch die ersten Konzerte gespielt. Allerdings bremsten die üblichen Verpflichtungen wie Studium und Job, die Band dann jäh wieder aus. Im Würgegriff des Alltags gefangen, setzten LEITKEGEL die Priorität der Band nach unten und werkelten auf Sparflamme vor sich hin. Der Gedanke der Auflösung, der stand allerdings nie im Raum und nach einem Bassistenwechsel 2017 nahm das Bandschiff dann endlich wieder Fahrt auf. Nun gibt es mit „Wir sind für dich da“ ein erstes Album und Sänger Daniel von LEITKEGEL gab am Telefon bereitwillig Auskunft dazu.
Ihr habt euer erstes Album „Wir sind für dich da“ also Ende 2018 aufgenommen. Warum hat es dann aber wieder so lange gedauert?
Ist eine gute Frage (lacht). Wir hatten das relativ zügig in vier Tagen aufgenommen, wovon ja ein Tag alleine für Aufbau und Soundcheck war. Unser Gitarrist Daniel meinte danach aber, dass man an der ein oder anderen Stelle noch etwas feilen oder ein paar Overdubs zufügen könnte… Dann haben wir noch einige Kontakte ausfindig gemacht, die uns dabei behilflich sein könnten und ich musste auch nachträglich noch zwei Passagen einsingen. Das hat sich dann bis in den Februar hineingezogen, bis wir dann alles so eingespielt hatten, wie wir uns das vorgestellt und gewünscht haben. Dann kam der Mix und die Frage danach, wo man das mastern lässt. Wir haben ein Label gebraucht, dann muss es ins Presswerk und dann braucht man ja auch noch Vorlauf für die Promo.
Aber genau die Mühe, die ihr euch für die Songs gemacht habt, die ist mir aufgefallen. Es ist alles sehr bildlich inszeniert und vermeintliche Kleinigkeiten, wie der Einsatz der Bläser oder das Cello, fallen positiv auf. Waren das die Momente, an denen Daniel feilen wollten und mit denen ihr erst nicht so zufrieden gewesen seid?
Ich würde nicht sagen, dass wir nicht zufrieden waren. Unser Gitarrist Daniel schreibt die Songs, er kommt meisten mit fertigen Ideen an. Wir sind keine wahnsinnig technikaffine Band, die sich die Sachen gegenseitig hin und her nach Hause schickt und dann fügt jeder irgendwo noch etwas hinzu. Es ist eher so, dass er die Songs schreibt und sie uns dann mit dem Handy schickt, damit wir sie mal anhören können, Das kriegen wir technisch dann schon noch hin (lacht). Und bei der nächsten Probe wird es dann gemeinsam ausgearbeitet. Er hat Musikwissenschaften studiert und ist auch ein Musiknerd durch und durch. Daniel ist sehr musikbegeistert und hat auch ein krasses musikalisches Verständnis.
Das ist etwas, dass wir anderen Drei dann so gar nicht so haben. Wir denken dann, dass ein Song cool ist und fertig. Ja, den kann man doch schon so rausbringen, oder? (lacht). Und er fügt dann an bestimmten Stellen noch ein oder zwei Töne ein, die ihm einfach fehlen. Wenn er die dann eingespielt hat, ist das für uns immer sehr krass zu hören, wie viel solche vermeintlichen Kleinigkeiten ausmachen können.
Die Feature für „Über Berge und durch Täler“ haben sich einfach angeboten, da der Song an sich schon so episch ist, ja schon fast kakofonisch. Und so eine Stimmung hätten wir mit unseren normalen Instrumenten gar nicht leisten können. Und jetzt war es natürlich gut, dass Hendrik den Ilja von THE HIRSCH EFFEKT gut kennt.
Anette, von den Essener Philharmonikern, war meine ehemalige Nachbarin. Sie hat den Streicherpart vorgeschlagen, beide Seiten fanden es sofort gut und dann klang es auch wirklich rund. Gleiches auch mit dem Bläsersound, Jens ist ein Freund von Hendrik und Multiinstrumentalist. Wir schlugen einfach vor, ihm das Lied „Ich hab‘ 99 Probleme und das Mädchen hat mich“ mal zu schicken und baten ihn darum, einfach alles einspielen, was er selbst zu Hause machen kann. Und der Bläsersound bringt den Song auch nochmals weiter.
Vor Kurzem habe ich ein Interview von MARATHONMANN gesehen. Deren Schlagzeuger Jo merkte an, dass er den Eindruck hat, dass die deutsche Post-Hardcore und Punkszene gar nicht so gut vernetzt sei und eigentlich jeder mehr oder weniger alleine wurschtelt. Ihr hingegen scheint richtig gut vernetzt zu sein, wie empfindest Du die Szene?
Das ist eine interessante Frage, bei MARATHONMANN ist es wahrscheinlich auch eine Standortfrage. Im Süden hat man es sicher mit Punk nochmal schwerer, als in den Epizentren Berlin oder Hamburg. Bei uns im Ruhrgebiet geht es auch ganz gut, wobei es hier eher Richtung Hardcore angesagt ist.
Wir hatten anfangs Schwierigkeiten, da wir nie so einer Szene richtig zugehörig waren. Für Indie waren wir nicht soft genug, für Hardcore nicht hart genug und für Punk nicht punkig genug. Deshalb spielten wir am Anfang mit vielen Bands, zu denen wir eigentlich nicht richtig gepasst haben. Die Veranstalter sahen dann irgendeine Art von Schnittstelle und haben uns dann eben dazu geholt. Dadurch haben wir aber wirklich viele unterschiedliche Leute kennengelernt, auch viele Freundschaften geknüpft und das ist dann eher natürlich so zusammengewachsen.
Es kam mir bis jetzt gar nicht so vor, als ob wir gut vernetzt seien. Aber als Du das jetzt eben gesagt hast, fiel es mir selbst auf. Ja, wir sind gut vernetzt und kennen doch schon einige Leute. Hier gibt es den Emokeller, da waren wir auch während unserer Pause sehr viel privat als Besucher. Da kommst man einfach mit Musikern und anderen Bands in Kontakt. Oder auch durch unseren Proberaum, wir proben in einem riesigen Proberaumkomplex, direkt gegenüber von der Stauder Brauerei, da proben natürlich auch ganz viele andere Bands. Ja, wir haben wohl mehr Kontakte, als uns bewusst war.
Dass mit der Schnittmenge fiel mir auch auf, da ich eure Optik ungewöhnlich für den Sound finde. Man geht oberflächlicherweise davon aus, dass Leute, die so eine Musik machen, tätowiert sind. Dann noch der Bandname LEITKEGEL, das klingt eher nach Indie. Dann die Band TOCOTRONIC im Songtitel, das leitet auf eine falsche Fährte. Wolltet ihr bewusst die Bandbreite anbieten?
Also bewusst, machen wir tatsächlich gar nichts (lacht). Das ist eher etwas, das jetzt durch die Label und Promotern so zugeschnitten wird. Unser Sebi kommt aus dem gestalterischen Bereich, der hat da auch noch einiges eingebracht. Und wir sind tatsächlich alle stark tätowiert (lacht), auch wenn man das auf den Bildern nicht sieht. Es ist einfach so passiert, da wir alle sehr offen sind und viele unterschiedliche Einflüsse haben. Es war nicht vorgesehen, dass wir uns auf eine Schiene festlegen wollten. Wir machen, auf was wir Bock haben, musikalisch oder wie wir uns anziehen.
Auch der Bandname ist ein Zufallsprodukt, bei dem wir nie damit gerechnet hätten, dass es irgendwann relevant wird. Also wenn man mal ein paar Lieder geschaffen hat, dann möchte man natürlich auch einen Bandnamen. Dann heißt man eben LEITKEGEL, dann kann man nur hoffen, dass die Leute den irgendwie auch noch mal gut finden (lacht).
LEITKEGEL ist für mich eine Art Grenze, die zwar sichtbar ist und irgendwie für Ordnung sorgt, aber auch genauso leicht wegzutreten ist. Was habt ihr euch dabei gedacht?
Das ist auf jeden Fall eine Interpretation, die ich ab jetzt benutze, vielen Dank dafür (lacht).
Die Geschichte hinter dem Bandnamen ist total simpel und fast schon jugendlich doof. Er stammt aus dieser Bandgründungsnacht, die wir damals in Essen hatten. Wir hatten bisschen was getrunken und wollten in erster Linie zusammen Musik machen, aber wir wollten natürlich auch ein bisschen Spaß haben. Irgendwann bekamen wir so gegen Mitternacht Hunger und sind dann durch Essen gelaufen, auf der Suche nach einer Pizzeria. Dann haben wir eine kleine Baustelle gesehen und da stand halt so ein Ding rum, das haben wir dann mitgenommen, uns auf den Kopf gesetzt und Spaß damit gemacht. Wir brauchen ja auch noch einen Bandnamen und dann war das irgendwie unser Symbol. Einer von uns ist auch am nächsten Morgen zu Hause mit dem Ding aufgewacht, sodass wir dann einfach entschieden haben, das als unseren Bandnamen zu nehmen. Wir können uns ja später noch mal umbenennen…
Das wäre auch ein guter Bandname, WIR KÖNNEN UNS JA SPÄTER NOCHMAL UMBENENNEN. Wusstet ihr gleich, dass das Ding Leitkegel heißt, das ist gar nicht so ein gängiger Begriff?
Ja, genau das war dann auch die darauf anschließende Diskussion. Wir wollten uns danach benennen und dann kam die Frage auf ‘Ja, wie heißt das denn jetzt eigentlich?’. Wir mussten dann erstmal googeln und ich kam dann auf die Idee, dass es doch Pylonen heißt. Aber so kann man sich ja nicht nennen, das wäre ja dann richtig bescheuert. Also blieben wir bei LEITKEGEL.
Mit „Tocotronic darf niemals siegen“ habt ihr ja schon bisschen in die Blase gepikst, in der sich viele Leute bewegen. Besonders fies fand ich, dass auch die Musik am Ende so breit auffächert und damit den Hörer nicht nur inhaltlich, sondern auch musikalisch stark manipuliert. Ihr habt eben exakt die Formel verwendet, die die angesprochenen Bands benutzen. Aber worauf wolltet ihr genau hinaus?
Die Songtitel kommen in der Regel bei uns am Schluss dazu. Man hat für jeden Song und für jede Melodie ein gewisses Gefühl, das dann letztendlich zu dem Songtitel inspiriert. In dem Fall ist es aber eher ein Produkt der Umstände, wir haben den Song bereits im Jahr 2013 geschrieben. Zu der Zeit waren wir ja noch etwas aktiver. Aufgrund der kruden Mischung, die wir spielen, ist es uns sehr oft passiert, dass wir mit ganz seltsamen Verweisen konfrontiert wurden. Wir haben einen Song namens „Kapitulation, ja bitte“. Nach Konzerten kamen oft Leute zu uns, die uns gesagt haben, dass das ja total nach TOCOTRONIC klingen würde und wieder andere, die uns gesagt haben, dass wir von denen gemopst hätten und wieder andere, die gesagt haben, dass wir ja angeblich total von denen beeinflusst seien würden. Dann haben wir mal mit LOVE A zusammen in Düsseldorf gespielt und bekamen ähnliche unterschiedliche Rückmeldungen, dass wir ja voll gut mit denen zusammenpassen und garantiert von denen inspiriert seien.