Interview mit Desolat zum Album “ückendorfication”
Skaten, kiffen, Mucke machen: Eine Trilogie, die bei vielen etwas auslöst, meistens aber mit der Vergangenheit verbunden ist. Mit ihrem Debütalbum “ückendorfication” fangen DESOLAT aus Gelsenkirchen ein ganz bestimmtes, schon fast universelles Gefühl ein. Im gelungenen Mix aus Grunge, Punk und Indie, ist aber durchaus für alle Generationen etwas zu holen. Den urbanen Blick kontern DESOLAT mit starken Einflüssen, die sie direkt weit weg in Japan sammeln konnten. Markus und Mika plauderten im Interview – stellvertretend für die komplette Band – über die etwas langwierige Entstehung der Platte, ihre Sicht auf Konsumgüter, den Wert von Musik, Work-Life-Balance und warum sie trotz aller regionalen Querverweise nicht die HÖHNER von Gelsenkirchen werden möchten.
Woher kennt ihr euch und wie kam es dazu, dass ihr zusammen als DESOLAT Musik macht?
Markus: Sven kenne ich von der Schule, wir kommen ursprünglich beide aus Hattingen. Mogli habe ich, als ich nach Gelsenkirchen gezogen bin, durchs Skaten kennengelernt. What a match 😊. Mika kenne ich ebenfalls vom Skatepark und Musiker finden sich immer schnell, sowie Kiffer, hehe. Lilly habe ich durch Recordings für DESOLAT kennengelernt, die wir an der Deutschen Pop in Bochum gemacht haben.
Das Wort desolat beinhaltet ja keine Hoffnung auf Verbesserung, ist das eine Überspitzung oder ist das Glas für euch wirklich halb leer?
Markus: Desolat ist ein Wort, dass ich tatsächlich durch Schlagzeilen zu Gelsenkirchen in verschiedenen Tageszeitungen erst kennengelernt habe. Wir wollten damals einen kurzen, knackigen und melancholischen Namen für die Band. Das war aber lange vor “ückendorfication”. Ich glaube, jedem ist bekannt, dass es Gelsenkirchen nicht leicht hat. Trotzdem gibt es auch hier, wie in jeder vergleichbaren Stadt, sehr coole Seiten. Das Glas soll den inhaltslosen Ist-Zustand der Stadt bildlich darstellen, aber auch die Möglichkeit und den Reiz, dieses mit seinen persönlichen Ideen und Visionen zu füllen, vermitteln. Dass das berühmte Weck-Glas ursprünglich als Rempel Glas in Gelsenkirchen erfunden wurde, aber jegliche Anerkennung hierfür an der Stadt vorübergegangen ist, ist nur eines von vielen Beispielen. Ebenso verhält es sich mit der hiesigen Musiklandschaft. Es gibt sehr viele nice Undergroundkünstler mittlerweile in Gelsenkirchen, aber jeder kennt nur SODOM. Wenn überhaupt.
“ückendorfication” ist euer erstes Album, wie lange habt ihr daran gearbeitet?
Markus: Zu lange, hehe. Nee, eigentlich war alles genau richtig. Es gibt ein paar wenige Songs auf dem Album, die tatsächlich schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben. Tatsächlich sind sie aber am Ende im Studio doch spontan auch noch verändert und angepasst worden. Uns ist es wichtig, mit konkreten Songs ins Studio zu gehen, aber wir wollen auch Zeit zum Experimentieren haben. Manchmal passieren Dinge aus spontanem Geblödel heraus, die einfach genial sind. Sie funktionieren auch nur für diesen Glimpse und sind nur in einem kurzen Moment reproduzierbar. Das ist der Moment, where the magic happens. Die heiße Arbeitsphase war von Sommer 2022 bis Frühling 2023. Es tut auf jeden Fall unendlich gut, dass das jetzt raus ist. Die Dinge, die wir mit den Songs auf diesem Album thematisieren, wollten wir schon lange in die Welt schreien. Wir sind selbst eigentlich gedanklich schon beim nächsten Album, da uns die Songs auf “ückendorfication” schon viel länger begleiten, als sie released sind.
Mika: Im Studio haben wir im November 2022 angefangen, waren gegen Ende Februar 23 fertig. Wir haben dieses Sommeralbum also teilweise an Tagen von -5 Grad aufgenommen!
Könnte man sagen, dass “ückendorfication” mit der Beschreibung des Alltags der Generation X schon eine Art Konzeptalbum ist?
Markus: Jein. Irgendwie vermittelt der Titel mehr Konzeptcharakter, als das Album in Wirklichkeit hat. Auf der einen Seite sind alle Lyrics durch unseren Alltag und damit auch unseren Wohnort in Gelsenkirchen, beeinflusst. Darüber hinaus sind alle Skits an verschiedenen Orten in Ückendorf aufgenommen worden bzw. thematisieren diese, bspw. die hiesige Straßenbahn 302. Die Songs selbst bauen aber nicht aufeinander auf oder so, außer “Anschluss I und II”. Ich glaube aber schon, dass die Lyrics in vielen Fällen Allgemeingültigkeit und damit ein hohes Identifikationspotential für unsere Generation haben.
Mika: Habe ich bisher nicht so gesehen, kann ich aber vermutlich schwer beurteilen. Viele Themen sind aber sicherlich generationenübergreifend, ich kann mich da als Gen Z genauso mit identifizieren wie wahrscheinlich Millennials oder die Gen X.