Grafi 2020_250

Interview mit Grafi zum Album “Ektoplasma”

Wenn ich an “Dämmerung” denke, dann klingt es für mich so, als ob es Dir gelungen ist, Dein Gefühl vom Übergang von Nacht zu Tag in einen Song zu packen.

Dankeschön, so ist es auch gemeint. Das ist so der Schnitt auf dem Album und deshalb ist es bewusst ein kleiner Stilbruch, der Übergang zum helleren Part des Albums. Die letzten beiden Songs von “Ektoplasma” sind ja etwas glückseliger, als die anderen (lacht).

“Neptun” und der Inhalt von “Mahlstrom” lassen darauf schließen, dass Du das Meer als Metapher für das Seelenleben siehst.

Ja, total. Vor drei Jahren wollte ich schon unbedingt einen Track mit Meermetapher machen, weil mir die Ästhetik der Worte gefällt. Ich bin da sehr eigen, suche nach Worten, die mir gefallen, die gut klingen oder auch Worte, die noch nicht so oft benutzt wurden. Aber erst jetzt bei “Mahlstrom” konnte ich es umsetzen. Letzten Sommer war ich in einer sehr schwierigen Phase wegen eine Beziehung, habe alles zerdacht und hatte massiven Gefühlsverlust. Komplett überfordert und kurz vorm Burnout, war ich in meiner Gedankenspirale gefangen. Das Gefühl, dass es dunkel wird und einen immer weiter nach unten zieht, das wollte ich vermitteln.

In der Tiefsee gibt es ja auch echt hässliche Gestalten. Je mehr man sich mit sich selbst beschäftigt, umso krasser sind die Ängste, die man da findet.

Je tiefer man ins Unterbewusstsein geht, umso finsterer kann es werden (lacht).

Kann man sagen, dass “Neptun” und “Mahlstrom” zusammengehören. In “Neptun” geht es ja um ein Mädchen, das mit ihren Gedanken isoliert ist.

Ich glaube, leider schon. Das ist komisch bei mir. Wenn ich Texte schreibe, dann bin ich fast wie in einem Traumzustand und ich glaube wirklich, dass ich da so tief in meinem Unterbewusstsein bin, dass mir erst danach auffällt, wie ich tief ich eigentlich war. Deshalb sage ich leider, weil es um meine Ex-Freundin geht. Ich habe es geschrieben und dachte, es wäre imaginär. Die Dinge werden dann später für mich wahr, obwohl ich sie schon vorher geschrieben habe. Macht mir selbst manchmal bisschen Angst.

Also bewahre alles auf, was Du jemals schreibst. Kann man sagen, dass alle GRAFI-Texte auch zu einem großen Teil selbstheilend sind?

Auf jeden Fall. Das ist eine Art Therapie und ich mache das schon immer, dass ich über Texte Dinge verarbeite.

Bei “Insomnia” geht es um Schlafstörungen, hast Du welche?

In der Zeit, als der Song entstand, hatte ich gerade massive Schlafstörungen. Ich hatte mal ein paar Schlaganfälle und daraus resultierend dann Sprachverlust. Das hat sich dann zwar schnell wieder reguliert, sodass ich wieder sprechen konnte, aber kein Arzt konnte mir genau sagen, woran es lag. Darauf folgte dann Panik, seit der Zeit hat sich viel für mich zum Positiven verändert. Ich bin sensibilisiert, auch wenn ich das seit einigen Jahren nicht mehr habe. Aber wenn es mir gut geht, dann habe ich eigentlich einen guten Schlaf (lacht). Davor konnte ich nicht nachvollziehen, wie intensiv das Gefühl sein kann und was genau dahinter steckt.

Gleich am Anfang im Titelsong, thematisierst Du das Paradies. Was stellst Du Dir darunter vor?

Das ist für mich eher ein Zustand und kein Ort. Das persönliche Glück, nach dem irgendwie jeder sucht. Am Ende will doch jeder einfach nur glücklich sein und es geht im Endeffekt darum, dass einen immer wieder dunkle Gedanken daran hindern. Der Song soll die Einleitung sein und kurz anreißen, worum es dann auf dem Album gehen wird.

cover Grafi - Ektoplasma

Wer macht denn die grafischen Arbeiten für Dich?

Das Logo hat der Spanier VIEW FROM THE COFFIN gemacht, der macht auch viele Logos für Black-Metal-Bands wie SUN WORSHIP oder Post-Black-Metal-Bands. Ich hatte erst Angst, dass er keines für mich machen will, wenn er hört, welche Musik ich mache (lacht). Aber dann meinte er, dass er früher selbst Hip-Hop-DJ war und das für ihn alles cool ist. Meine Artworks, da mache ich immer Skizzen dafür, bin sozusagen der Art Director und denke mir alles aus. Aber die Umsetzung machen dann andere, die es besser können. Das Artwork für “Ektoplasma” war schon meine Idee, aber Freunde haben mich dann dabei unterstützt.

Hast Du “Ektoplasma” so kurz gehalten, um auf das vermeintlich geänderte Hörverhalten einzugehen?

Es gibt mehrere Gründe. Einer war, dass ich eigentlich eine EP mit vier oder fünf Songs machen wollte. Da klang es aber noch nicht rund und deshalb haben wir dann weiter gemacht. Der andere Punkt war dann, dass das Konzept mit acht Songs wiederum fertig erschien und nicht mehr Material nötig war. Irgendwann steckt so viel Herzblut drin und dann auch natürlich viel Zeit, sodass man an einen Punkt kommt, an dem man es einfach zu Ende bringen und rausschicken muss. Es belastet dann irgendwann, wenn man zu lange damit herumlaufen muss.

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