Interview mit Karo von 24/7 Diva Heaven über „Gift“
Ja, meistens sind die Leute lieb, ich erinnere mich an ein Konzert von DRANGSAL in Heidelberg vor gut sieben Jahren, da war er total krank und ihm war es extrem unangenehm, aber die Leute haben dann einfach lauter gesungen, es war am Ende für alle total scheißegal, Hauptsache er war da.
So soll es ja auch eigentlich sein, dass man die Leute unterstützt, die sich da auf die Bühne stellen. Ich glaube, das einzige Mal, dass ich richtig doll beleidigt war, war als ich mit 14 bei einem KELIS-Konzert war. Sie kam eine Stunde zu spät und dann hat sie irgendwie so ein schwitziges T-Shirt angehabt und ist da gefühlt 20 Minuten rumgehüpft und dann wieder gegangen. Und dann dachte ich so, okay, wow, das war echt hart frech. Das habe ich ja auch nicht verziehen, aber ansonsten, das soll sein, vor allem wenn Leute krank sind und dann trotzdem noch spielen.
Wenn ich da an Trent Reznor denke, als ich mal NINE INCH NAILS gesehen habe, da war der richtig aggressiv zu seinen Leuten. Man hat gehört, wie er zwischen den Songs die Band zusammengeschissen, get your shit together. Und da ist einem wirklich die gute Laune vergangen.
Aber ehrlich gesagt, das kann ich mir sehr gut vorstellen, dass der krass perfektionistisch ist und dass es auch nicht so einfach ist, mit dem auf Tour zu gehen. Hat ja auch einen Grund, warum er eigentlich alles alleine macht.
Der erste Song auf „Gift“ heißt „Rat Race“ und der steht sofort mitten im Raum, was ich auch total geil finde. Habt ihr den bewusst so als Opener gedacht und auch so unmittelbar geformt oder habt ihr da echt was abgeschnitten so?
Ne, der fing schon immer von vornherein, als er geschrieben wurde so an, also ohne groß irgendwie vorher was Klimbim. Das es dann am Ende der Opener ist, das war natürlich noch nicht klar, als der geschrieben wurde. Man weiß ja nie, was noch so kommt, aber meistens ist es schon so, dass wir bei so Songs dann schon ein Gefühl haben und so war es bei „Rat Race“ auf jeden Fall. Ich hatte schon Ambitionen dafür, dass man den an erste Stelle packt, aber ja, ich finde das halt auch mal geil, einfach so direkt, man muss ja nicht immer vorher noch irgendwie was einleiten, wenn es nichts einzuleiten gibt.
Das ist die Kunst des Weglassens, die viele leider nicht beherrschen. Eigentlich klingt es auch immer fies, wenn man sagt, die Platte ist zu lang, aber ich würde wirklich sagen, also das trifft gauf 80% der Alben zu. Aber ihr könnt das gut, auf „Gift“ ist kein Ballast drauf, nichts Ich habe mir hier noch was zu dem Song „Face Down“ aufgeschrieben, und zwar, dass er eine heftige Noise-Schlagseite hat. Der klingt fast so intuitiv, als ob ihr den auf einmal geschrieben hättet.
Wir waren letztes Jahr ein Wochenende auf einem Hof in Annerhütte in Brandenburg, ein ausgebauter, alter Bahnhof, und die hatten im Keller einen Proberaum, in dem man was aufnehmen kann. Wir haben da so eine Art Kreativ-Wochenende gemacht und da sind „Crown of Creation“ und „Face Down“ entstanden. Wir dachten uns, ja, okay, gut, dann haben wir ja jetzt ganz gute Strukturen, mal gucken, was man damit macht. Und bei „Face Down“ war dann schnell klar, ja, meine Güte, was soll der noch ran, das war’s, würde ich sagen, oder?! Warum, was soll man da noch mehr sagen? Es hat halt irgendwie eine Minute dreißig einen reingeknallt und fertig. Es hätte sich irgendwie falsch angefühlt, dann da noch was hinzubimmeln oder irgendwie noch was zu strecken, weil es ist ja eigentlich alles gesagt war. Deswegen war es eigentlich schon, ja, es war schon in einem Wisch geschrieben, ohne es zu wissen.
Aber grundsätzlich habt ihr wieder in Darmstadt mit René Hofmann aufgenommen. Welche Vorstellung habt ihr von eurem Sound?
Also, wir haben dieses Mal schon so ein bisschen zusammengesucht, und IDLES waren beispielsweise Thema, mit dem ziemlich vordergründigen Schlagzeug und Bass und der eingebetteten Gitarre. Jeder hat so Notizen gemacht, die haben wir zusammengetragen, haben sie René dann gegeben, und der hatte ja auch mal noch ganz eigene Vorstellungen von dem, was man machen kann. Wenn wir selbst Platten von anderen Bands angehört haben, haben wir uns das rausgepickt, was wir geil fanden. Dass das vordergründig ist oder dass es dann wechselt oder dass der Bass trocken ist und alles irgendwie super flüssig klingt.
Finde ich gut, dass du den Vorgang wie ein normaler Mensch erklärst. Man geht ja immer davon aus, dass, sobald jemand eine Band hat, die alle total firm sind, Ahnung von Harmonielehre haben und wissen, was man wie nennt. Aber in der Regel ist es auch so, dass die meisten Bands ins Studio gehen und sagen: „Mach mal, dass das knallt!“ Oder: „Guck mal, so hier wie bei IDLES und mach mal Mastering.“ Keine Ahnung, was das heißt, aber muss geil sein.
Ja, so ist es bei mir zumindest. Keine Ahnung. Ich glaube, bei den anderen beiden aus meiner Band ist das schon auch so. Aber ich denke auch, dass es eigentlich total egal ist, wie man es nennt. Hauptsache, am Ende kommt irgendwie raus, was man möchte, und ich bin eigentlich ganz zufrieden. Ich muss auch sagen, dass ich da auch super offen bin. Wenn René dann irgendwie eine Idee hat, wie man es auch machen könnte, dann höre ich mir das auch an. Weil, ganz ehrlich, er ist ja der Typ mit dem Studio und hat bestimmt hier und da die bessere Idee als ich. Oder beziehungsweise eine Idee, auf die ich gar nicht komme. Ich drück mich halt irgendwie ziemlich flach aus, würde ich sagen, und mach das so lange, bis was bei rumkommt. Lass mich da auch ein auf das, was die anderen sagen.
Ich habe vor kurzem irgendwo gelesen, dass Mary jetzt hauptberuflich als Drummerin arbeiten kann.
Ja, macht sie seit Januar. Sie ist selbstständig und gibt zum Beispiel Schlagzeugunterricht – ist aber auch offen für Anfragen von anderen Musikern.
Ist das für dich auch eine Option, sowas komplett hauptberuflich zu machen?
Nein, auf keinen Fall. A) mag ich meine Arbeit und B) weiß ich nicht, wie viel Bock mir das machen würde, wenn es tatsächlich zu einer Pflicht wird, weil man angewiesen ist, um seine Miete zahlen zu können und was zu essen zu haben. Ich glaube, ich würde vielleicht sogar den Bock verlieren, jeden Tag früh aufzustehen, den ganzen Tag irgendwo im Bus zu sitzen, abends irgendwo anzukommen, ewig rumzusitzen, zu soundchecken, dann wieder rumzusitzen, zu spielen, ein Bier zu viel zu trinken und das Ganze am nächsten Tag wieder… Ich weiß auch nicht. Ich glaube, meins wäre es nicht. Ich mag irgendwie den Ausgleich zwischen der normalen Arbeit und dem Unterwegssein.
Ich gehe morgen zu ANNIE TAYLOR auf ein Konzert, aber ansonsten weiß ich gerade gar nicht, wann es das letzte Mal war, dass ich privat auf einem Konzert war. Das ist bestimmt anderthalb Monate her, dass ich freiwillig auf ein Konzert gegangen bin, weil ich mir, wenn wir von der Tour kommen, immer erstmal gar nicht vorstellen kann, überhaupt auf ein Konzert zu gehen. Und ich mach es dann auch nicht, es sei denn, es ist NICK CAVE. Aber ich bin einfach weniger unterwegs privat, wenn viele Shows im Jahr sind, weil ich dann lieber abhänge oder Leute treffe, die ich nicht gesehen habe, um irgendwie unterwegs zu sein.
Kann ich total nachvollziehen. Guckst du dann bei Konzerten auch so, wie haben die denn die Kabel verlegt und so? Was spielen die für einen Bass?
Nee, sowas interessiert mich ehrlich gesagt nicht. Also der Bass interessiert mich vielleicht schon noch, aber auch nur so, ah ja, geile Farbe oder ja, schicker Fender, aber so irgendwie mehr dann auch nicht. Aber wie gesagt, dafür bin ich auch, glaube ich, echt zu uninteressiert an der ganzen Technik, muss ich ganz ehrlich sagen. Ich möchte halt irgendwie, dass es einen geilen Sound hat, im besten Fall auch noch gut aussieht. Wenn ich dann noch verstehen kann, wie irgendwie alles funktioniert, ist top, aber ich muss jetzt irgendwie nicht wissen, wie alles funktioniert und wer wie seine Kabel aufrollt und wie der die transportiert und welches Case das Beste ist.
Gibt es irgendeine Platte oder Band, die dich jetzt in diesem Jahr so mitgerissen hat? Es muss auch nicht aktuell sein, dass du sagst: „Check die mal aus, die fand ich echt cool.“
Wir haben das erste Mal in Holland gespielt, in den Niederlanden, und haben mit einer Band gespielt, die heißt RAT AND DAGGERS und die haben mich richtig weggeflasht, zumal ich auch vorher gar nichts von denen kannte. Das war auch eh so, dass man teilweise gar nicht wusste, wer irgendwie mit einem spielt, und dann war ich richtig, richtig weggeflasht. Die sind saugeil, RAT AND DAGGERS würde ich dir, den Leserinnen und Lesern von krachfink.de definitiv empfehlen.
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