250_luet-mersmak 02 _Hans Marius Mikkelsen and Ørjan Nyborg Myrland

Interview mit Mads und Markus von Lüt zum Album “Mersmak”

Erlend Hjelvik hat mir im Interview im November noch erzählt, dass es wohl in Norwegen erlaubt sei, Shows mit bis zu 200 sitzenden Personen zu spielen. Ist das nicht mehr so?

Markus: Ja, das ist nicht mehr so. Wir arbeiten ja beide als Live-Techniker und hatten gerade mal für zwei Wochen Arbeit. Jeden Tag haben wir gearbeitet und dann wurde alles wieder dicht gemacht.

Also habt ihr doppelt geschissen, weil ihr auch hauptberuflich davon betroffen seid?

Mads: Ich jetzt nicht mehr ganz so schlimm, weil bei mir in der Gegend die Bestimmung etwas lockerer sind. Aber wir sind noch weit davon entfernt, dass wir irgendwie in Richtung normal kommen.

LÜT heißt sowas wie Waschmittel, zumindest habe ich das gelesen, stimmt das?

Markus: (lacht) Nein, nicht wirklich. Das ist eher sowas wie Chlorin, also etwas, um die ganz harten Sachen zu entfernen. Mit Saubermachen hat das nichts zu tun. Als wir den Namen gesucht haben, waren wir alle ziemlich von TOOL angefixt und wenn man das auf Norwegisch rückwärts ausspricht, dann wird daraus LÜT. Das fanden wir damals ganz cool (lacht). Das ist eigentlich die Geschichte.

Mads: Für mich war es nie wichtig, ob der Bandname irgendwas bedeutet. Hauptsache, es klingt gut und der Klang passt irgendwie zum Bandsound.

LÜT 2021, Credit: Hans Marius Mikkelsen and Ørjan Nyborg Myrland
LÜT 2021, Credit: Hans Marius Mikkelsen and Ørjan Nyborg Myrland

Der TOOL-Gag funktioniert mit der deutschen Aussprache von englischen Wörtern irgendwie nicht.

Mads: (lacht) Sagt von mir aus Waschmittel, ist doch auch egal.

Was sind denn eure Ziele für die Band?

Markus: Wir hatten von Anfang an große Ziele für die Band und haben das auch allen, die es hören und nicht hören wollten, erzählt. Ein Ziel wäre eine Nominierung für die Norwegischen Grammys, mal vollkommen unabhängig davon, ob wir den Preis gewinnen würden. Aber schon alleine auf der Party dort abzuhängen, das wäre doch schon was (lacht). Wir möchten so groß wie möglich werden, gerade in den letzten Monaten war viel Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen. Es geht darum, auch andere zu inspirieren und durch harte Zeiten zu helfen. Musik hat das mit mir gemacht, schon immer, seit ich mich erinnern kann. Wenn ich einen schlechten Tag hatte und dann schöne Lieder gehört habe, dann fühlte ich mich besser.

Mads: Im Prinzip würden wir Menschen gerne mit Musik beeinflussen, so wie wir selbst von Musik beeinflusst wurden.

Für euch hat Musik viel mit Gefühl zu tun. Immerhin singt ihr auf Norwegisch und viele Leute können das gar nicht verstehen, also müssen sie es in erster Linie fühlen.

Markus: Ja, aber ehrlich gesagt verstehen selbst die Norweger und Norwegerinnen nicht, was ich singe (lacht). LÜT war nie eine Band, in der immer eine Person für die Musik zuständig war. Wir hatten immer diesen harschen Gesang, aber die Inhalte der Texte stehen für uns schon immer im Vordergrund. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mal Texte schreibe.

Während der Schulzeit habe ich mal bisschen Schlagzeug gespielt, dann wurde ich Soundtechniker und ich war also immer eher so die helfende Hand. Texte hatte nie eine große Bedeutung für mich, bis wir mit LÜT selbst anfingen Lieder zu schreiben. Seitdem interessiert mich das immer mehr, auch bei anderen Bands. Damit immer besser zu werden, ist auch ein langfristiges Ziel von mir.

Mads: Das merkt man schon alleine daran, dass die Texte für “Mersmak” dieses Mal viel persönlicher geworden sind.

Markus: Weil wir einfach auf die Erfahrung des Debüts zurückgreifen konnten. Das zweite Album zu schreiben, fiel uns jetzt schon viel leichter. Grundsätzlich geht es auf “Mersmak” also um den Prozess an sich. Beim ersten Album war ich 19 und jetzt bin ich immerhin schon 23, also als Person an und für sich schon gereift und auch nochmal ganz speziell als Bandmusiker.

Mads: Der Song “VIEPÅ” dreht sich ganz genau darum, um diesen Prozess, den wir als Band durchlaufen haben.

Und das sollte man erfühlen und weniger Wort für Wort verstehen können. Wenn ich da mal an KVELERTAK denke, deren erstes Album war die reinste Märchenplatte. KVELERTAK haben da auch Wege geebnet, man ist an die harte Kombination von norwegischem, gutturalem Gesang und schönen, im Chor gesungene, Melodien gewöhnt.

Mads: Wir können das Gefühl in unserer eigenen Muttersprache eben viel besser transportieren. Das fühlt sich im Studio und auch live ehrlicher an.

Man merkt total, dass bei LÜT sehr viel direkt von euch drinsteckt. Jetzt habt ihr ja aber schon Line-up-Umstellungen gehabt, wie wichtig ist denn die Bandkonstellation, um das aufrechtzuerhalten?

Markus: Sehr, sehr wichtig. Obwohl wir sehr unterschiedlich sind, sind wir im Wesentlich einer Meinung. Das kann man nicht erzwingen, wobei es auch nicht ausreicht, dass jemand ein netter Kerl ist, aber eben sein Instrument nicht spielen kann (lacht). Das ist natürlich auch wichtig und es muss beides stimmen. Bringt ja auch nichts, wenn es schrecklich klingt und wir uns aber super verstehen.

Bevor wir mit der aktuellen Band fünf Tage am Stück gespielt haben, zum ersten Mal mit dem neuen Schlagzeuger, haben wir ihm ganz offen gesagt, dass wir seinen Stil toll finden und er aber bitte komplett ehrlich sein soll, was sein Gefühl der Band gegenüber angeht. Es war sehr wichtig, dass er da offen ist. Und es hat total gut geklappt.

Mads: Ja, es hat sofort gepasst. Wir arbeiten total als Einheit zusammen, handwerklich auf der Bühne und auch als Freunde.

Markus: Ich würde sogar noch nicht mal sagen, dass wir nur Freunde sind, für mich fühlt sich das eher wie Geschwister an (lacht).

Wie genau schreibt ihr dann Songs, auch gemeinschaftlich?

Markus: Gerade beim ersten Album kamen viele Ideen von unserem damaligen Bandmitglied Hans Marius Mikkelsen, einige auch von mir. Aber wir haben dann immer gemeinsam die Songs zu Ende gebracht, er hat auch die meisten Texten geschrieben. Und deshalb war die größte Herausforderung jetzt erstmal, das ohne Hans Marius Mikkelsen hinzukriegen. Einige seiner alten Ideen, bildeten sogar die Basis für manche Songs auf “Mersmak”.

Mads: Das ging eigentlich ziemlich klassisch vonstatten. Jemand brachte eine Idee, ein Riff oder eine Melodie und wir haben es gemeinsam ausgearbeitet.

Jetzt bin ich aber neugierig, wurde “We Will Save Scandirock” aus einer Idee von Hans Marius entwickelt?

Markus: Ja, genau, das war noch eine Grundidee von ihm, auch wenn wir das Arrangement und den Gesang komplett alleine gemacht haben.

Das ist für mich ein perfekter Song. In weniger als drei Minuten zeigt ihr, was im Punkrock möglich ist. Er ist knackig, tanzbar und einfach richtig cool. Alleine das Ende, ungewöhnlich und unerwartet für einen Punkrocksong.

Mads: Ja genau, gerade das Ende ist schon fast bisschen theatralisch und zieht einen richtig runter.

Markus: Solche Dinge würde ich gerne noch mehr einbringen können. Ich höre sehr viel britischen Punkrock im Moment und mag daran, dass sie unfassbar weit vom Genre selbst entfernt sind und trotzdem noch eindeutig Punkrock. Daran will ich arbeiten.

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