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Interview mit Mads und Markus von Lüt zum Album “Mersmak”

Hat der skandinavische Rock es denn wirklich nötig gerettet zu werden, sind da zu viele Imitatoren unterwegs?

Mads: Erst war es nur ein Witz, mit Bezug auf den Song “Who Will Save Scandirock” von THE GOOD THE BAD AND THE ZUGLY. Wir wollten einen Scandirock-Song haben und generell machen wir ja öfter mal Witze in unseren Liedern. Also kam uns der Gedanke, wenn überhaupt jemand Scandirock retten muss, dann auf jeden Fall wir.

Markus: Und es ist schon eine Art Reaktion auf die Entwicklung der norwegischen Musikszene. Wir haben damals, wie jede Band, angefangen in kleinen Bars aufzutreten. Aber wir hatten schon früher konkrete Erwartungen an die Band und waren uns klar darüber, dass wir nur Musik spielen würden, die wir auch selbst hören wollen. Und das ist auf jeden Fall Musik, die man gut mitsingen kann. Das kommt aber in der Punkrock-Szene nicht bei allen so gut an.

Mads: Deshalb wurde uns auch schon von Anfang an vorgeworfen, dass wir eine Band seien, die sich verkaufen würde. Dafür dass es Punkrock ist, gibt es verdammt viele Regeln. Man darf nicht dieses und jenes Instrument spielen und muss das so und so machen. Uns war schnell klar, dass wir auf diese Regeln scheißen wollen und nicht Musik machen, wie sie deren Erwartungen entsprechend sein sollte, sondern so wie sie uns gefällt.

Markus: Und gerade THE GOOD THE BAD AND THE ZUGLY sind hier in Norwegen als eine Art Punkrockpolizei bekannt. Die sind schon ganz nett und so, abgesehen davon spielen sie auch selbst ziemlich eingängigen Punkrock. Natürlich wollen wir Scandirock nicht retten, ist auch der einzige Scandirock-Song auf unserem Album. Aber mal so einen Mittelfinger an diese Szene zu richten, das war schon unser Anliegen.

Woher kommt das denn, dass viele Bands aus Norwegen diese groben Chöre haben? Ist es bei euch besonders beliebt in Chören zu singen?

Markus: (lacht) Es ist wohl eher ein Versuch unsere Melodien zu maskieren. Wenn man vier Typen in einer Band hat und sich niemand traut, alleine zu singen, dann singt man eben gemeinsam in einem Chor (lacht).

Warum seid ihr eigentlich nicht auf den gängigen Streamingportalen vertreten? Wollt ihr damit auch ein Statement setzen?

Markus: (lacht) Nein, ehrlich gesagt liegt das an unserem aktuellen Plattenvertrag, der relativ neu ist und es wird gerade abgewickelt, dass alles dort verfügbar ist. So cool sind wir dann doch nicht, dass wir uns da verweigern.

LÜT 2021, Credit: Hans Marius Mikkelsen and Ørjan Nyborg Myrland

Habt ihr Pläne für eine Releaseshow?

Markus: Es sind einige geplant, aber ich denke nicht, dass wir die spielen können. Selbst mit 200 Leuten in einem Raum und wenn dann noch alle sitzen müssten, dann wäre das nicht das Richtige für ein LÜT-Konzert. Vor einigen Wochen haben wir in einem geschlossenen Einkaufszentrum eine Show gefilmt, mit Liveversionen von dem ganzen, neuen Album und das wird aktuell bearbeitet. Daraus würde ich gerne eine Art Dokumentation machen.

Du filmst viel für die Band, oder?

Markus: Ja, das haben wir schon immer gemacht. Einige von uns interessieren sich sehr dafür.

Anmerk. d. Red.: An dieser Stelle bricht unser Streamkontingent ab und wir entscheiden uns spontan noch weiter zu quatschen, deshalb wurde diese Antwort nicht weiter ausgeführt. Wir greifen das aber später nochmals auf.

Warum seid ihr eigentlich nicht so aktiv auf Social Media? Ihr seid ja noch ganz jung.

Markus: Instagram ist ganz ok, wir machen jetzt auch TikTok, aber Facebook ist irgendwie doof.

Mads: Es ist auch gar nicht so einfach herauszufinden, was die Leute mögen.

Und wenn man das raus hat, dann muss man schnallen, was die Plattform mag. Es ist ein ewiger Kreislauf, in dem man es unterschiedliche Ansprüche erfüllen muss.

Markus: Ja, dabei sollte man eigentlich nur das machen, was einem selbst gut gefällt. Gerade im letzten Jahr war das doof, denn Social Media war für uns die einzige Möglichkeit, um zu kommunizieren. Wahrscheinlich passt TikTok da echt am besten zu uns.

Mads: Wir haben da auch noch nicht alles so raus, sind aber dran.

Ist es wirklich so nötig auf Social Media zu sein und sind es nicht die Liveshows, die wirklich Fans binden? Viele folgen Bands auf Social Media und interessieren sich trotzdem überhaupt nicht für die Band. Man kann das immer gut sehen, wenn die Band live geht und von 10.000 Followern, die größtenteils auf Social Media herumhängen, trotz Ankündigung dann nur 20 zuschauen.

Markus: Und am Ende sind es sogar nur die eigenen Eltern… (lacht)

Und die Ex-Bandmitglieder.

Mads: Und die Ex-Freundinnen (lacht).

Für den Titelsong “Mersmak” habt ihr ein Video gemacht. Es zeigt so eine Art immer wiederkehrenden Traum.

Markus: Wir haben das ja in L.A. gedreht, und insgesamt sind es vier Videos. Wenn man die davor schaut, dann ist es eine Art LÜT-Film. Das fängt an mit dem Video zu “Mersmak” an, dann “We Will Save Scandirock”, dann “INDIÅ” und dann kommt noch abschließend ein Video für “LÜTetro”. Also ja, es wirkt alleine so, als ob es darum geht, immer den gleichen Tag zu erleben. Aber wenn alle Videos nacheinander gezeigt werden, dann hat es eine andere Bedeutung.

Ich will nochmal darauf zurückkommen, dass ihr echt filmisch sehr aktiv seid. Wer hat diese Videos gemacht?

Mads: Das haben alles wir gemacht.

Markus: Als Soundtechniker bin ich sehr versiert, was Ton angeht, aber Filmemachen ist für mich neu. Allerdings interessiert mich daran weniger der technische Aspekt, sondern eher der kreative Prozess dabei. Das macht mir richtig Spaß, wenn die eigene Idee Formen annimmt und man das sehen kann. Bei der Musik ist es eher so, dass das Lied nicht ein einziges Gefühl hat und sehr abhängig von den HörerInnen und ihrer Stimmung am Tag und ihren Erfahrungen ist. Und ich bin nicht frustriert, wenn das von dem abweicht, was ich mir dabei gedacht habe.

Das ist nicht bei allen Bands so, viele wollen eindeutig verstanden werden. Wie wichtig sind Videos von anderen Bands denn für euch?

Mads: Das kommt echt auf die Band an. Manche Bands sind schon sehr visuell angelegt und die Umsetzung muss dazu passen. Wir möchten gerne etwas dazwischen machen. Also etwas, das man auf dem Bildschirm abspielen und etwas, das nur live wiedergegeben werden kann.

Wenn wir schon über Visuelles sprechen – ihr kommt ja aus Norwegen – wie sieht es denn mit Corpsepaint und Black Metal aus? Könnt ihr sowas ernst nehmen?

Mads: Black Metal ist schon sehr visuell und darauf fokussiert, das funktioniert sonst nicht so gut. Der Tradition entsprechend spielten die weniger oft live, wenn dann aber sehr eindrucksvoll. Nimmt man mal MAYHEM als Beispiel, die ja um die ganze Welt touren, dann ist es selbst bei denen viel weniger geworden. Attila ist wohl der Einzige, der noch Corpsepaint benutzt und auch bei IMMORTAL lief das langsam aus.

Das ist übrigens einer meiner liebsten Social-Media-Accounts, der von ABBATH! Es ist einfach so toll diese Illusion bewahren zu können, dass er noch genauso aussieht, wie vor 30 Jahren, weil er eben schon immer gleich geschminkt ist.

Mads: (lacht) Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich diesen Typen liebe.

Ich auch und ich mag auch seine neue Musik total gerne.

Mads: Hast du diesen Festivalauftritt gesehen, bei der sich auf den Arsch gelegt hat (lacht).

Ja, klar. Du hörst also Black Metal?

Mads: Ja, aber ich bin wohl der Einzige in der Band.

Markus: Ich habe es früher gehört und hab mir auch mal eine Platte von MAYHEM gekauft, die ist aber noch am selben Tag kaputtgegangen (lacht). Dann hatte ich keinen Bock mehr auf Black Metal.

Das war wohl ein Zeichen, mit der Scheiße gar nicht erst anzufangen. Heutzutage gibt es viele Bands, die einfach ganz normal in Shirt und Jeans auf die Bühne kommen. Aber für mich gehört die Show dazu, ich mag große Rockshows wie beispielsweise GHOST. Bei Punkrock mag ich dann lieber alles etwas abgeranzter.

Mads: Lustig, dass du GHOST erwähnst. Das sind mit Sicherheit eine unserer größten Einflüsse, was die machen, ist einfach großartig. Die visuellen Aspekt und die fette Rockshow, das ist sehr beeindruckend.

Markus: Auch wenn ich nicht viel Black Metal gehört habe, dann habe ich doch viel dunkelatmosphärische Musik gehört, die wiederum von Black Metal beeinflusst war. Ich schreie ja aber nicht, weil ich Leuten Angst machen will. Viele fragen mich sowieso, warum und wie ich das mache. Es war aber einfach so, dass ich gemerkt habe, dass ich mich mit dieser Art zu singen wohlgefühlt habe. Das schafft einfach Kraft, die auch wieder zu mir zurückkommt.

Ich finde es auch total unpassend, euch mit Black Metal zu vergleichen. Wenn man wirklich absolut gar keine Ahnung von Black Metal hat, dann kommt man über Doublebass oder Schreien zu der Assoziation. Aber wer Black Metal auch nur ein bisschen kennt, wird schnell merken, dass ihr nichts damit zu tun habt.

Mads: Ja, ganz genau, davon sind wir meilenweit entfernt.

LÜT 2021, Credit: Hans Marius Mikkelsen and Ørjan Nyborg Myrland

Aber nochmal zurück zum Video. Was wäre denn für euch ein perfekter Tag, den ihr immer wieder durchleben wollen würdet?

Markus: Lustige Frage. Aber ich glaube, schon alleine, wenn man wüsste, dass man ihn immer wieder durchleben muss, dann wäre es nur halb so cool. Weil alles, egal wie toll es ist, irgendwann langweilig werden würde. Darüber habe ich sogar echt vor Kurzem nachgedacht. Da ich ja Vollzeit als Soundtechniker arbeiten konnte, ging es immer und den ganzen Tag nur um Musik. Jetzt mache ich zwei Teilzeitjobs, einmal Pizza ausfahren und einmal in einem Kindergarten. Und das macht mir dann viel mehr Lust darauf, wieder an das Bandzeug zu gehen. Außer das Üben, das macht immer noch keinen Spaß. Aber durch diese Abwechslung ist das Andere wieder reizvoller.

Also gibt es keinen perfekten Tag?

Mads: Könnten wir das nicht auf eine Woche ausweiten?

Markus: Da gab es doch mal was von “How I Met Your Mother”, oder? Also wenn überhaupt, dann müsste es eine perfekte Woche sein und ich könnte beispielsweise jeden Montag das Gleiche tun.

So wie Sheldon von “Big Bang Theory”?

Markus: (lacht) Aber es wäre schon was mit Musik, Freunde treffen … ach ehrlich gesagt habe ich meine Erwartung aktuell massiv heruntergeschraubt und wäre schon mit vielem zufrieden.

Haben wir alle aktuell, stimmt.

Markus: Mads, was sind deine Vorschläge für eine perfekte Woche. Ein Haufen Alkohol, oder? (lacht)

Mads: (lacht) Nein, ich würde so viel wie möglich mit Freunden abhängen und so viele Shows wie möglich zu spielen. Und am besten dieses Hoch erreichen, das sich entwickelt bevor man auf die Bühne geht und entlädt, wenn die Show vorbei ist.

Markus: Oh ja, dieses Hoch jeden Tag zu erreichen und jeden Tag vor 3.000 enthusiastischen Fans zu spielen, das wäre cool.

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