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Interview mit Riot Spears zum Album “Bad”

Martha: An viele Schreibprozesse kann ich mich allerdings auch nicht richtig erinnern, aber ich denke wir alle tragen irgendwie Songs in uns herum. Die Grobidee und Stimmung für Mermaid Bitch habe ich sogar geträumt, hihi. Boah, zu diesem Thema fällt mir echt extrem viel ein. Aber meistens klimper ich auf der Akustikgitarre rum, wenn mir langweilig ist, wenn ich mich einsam fühle, wenn ich nicht weiß, wer ich bin, wenn der Kühlschrank leer ist, wenn ich voll den Schelm gefressen habe und dann stoße ich auf ‘nen Riff oder auf eine Gesangsmelodie mit ‘ner guten Portion Kauderwelsch.

Das kann manchmal meditative oder auch manische Züge annehmen. Und dann nehme ich es oft auf Handy auf und höre es ständig unterwegs und entwickle dann neue Parts und ‘ne Reihenfolge, oder Svenja oder Blanca haben noch ‘ne Idee. Manchmal versuche ich auch aus dem Kauderwelsch Wörter für die Lyrics herauszuhören und dann werden sie mit Themen ergänzt, die sonst so brodeln oder höre oder singe ich bereits unbewusst von den Dingen, die bereits brodeln? Das Hirn ist unergründlich (lacht). Ich möchte nochmal betonen, dass die Songs erst im Bandkontext wirklich Gestalt annehmen, so coole Beats wie von Blanca oder den Baselines von Svenja würden mir gar nicht in den Sinn kommen und geben den Songs erst den RIOT-SPEARS-Charakter! Ganz zu schweigen von den schönen Gesangsharmonien!

Ich höre auf “BAD” einen maritimen Touch oder zumindest mehrere Querverweise, stimmt das?

Svenja: (lacht) Bei maritimer Touch muss ich zuerst an gestreifte Hemden und geschnitzte Möwen und Strandkörbe denken. Also davon ist ja eher weniger da drin, aber stimmt, “Devil And The Sea” und “Mermaid Bitch”, da kommt das so als Bild vor. Martha sagt du doch mal, kommt das, weil du vonner Küste bist?

Martha: Bestimmt (lacht), mein erster Wunschberuf war nach Detektiv auch Meeres- und Walforscherin! Irgendwie hat der Ozean für mich was sehr Magisches und Unfassbares an sich, indem es sich entspannen, abtauchen und schweben, aber auch ertrinken lässt. Wahrscheinlich ist das irgendwie eine Grundmetapher für unser Album, zumindest für das Cover. Oder wir sind einfach nass wie die Tiefen unseres Unterbewusstseins. Lustigerweise habe ich ‘ne Menge Lieblingslieder, die mit Meeresbegriffe zu tun haben, aber vielleicht ist das auch wieder nur die Anziehungskraft oder ‘ner Menge Leute geht es so.

Und was ist eure erste Assoziation, wenn ihr das Wort Meer hört?

Svenja: Mermaid Bitch und Mermaid Fridge. Das ist eine Mischung aus Mensch und Kühlschrank.

Martha: Wale und Pommes und Mutterkuchen

Wie entstehen eure Texte und wie wichtig sind für euch die Inhalte, die ja bei euch zweifelsohne sehr stark und konkret sind?

Martha: Die Texte sind mir wichtig. Sie sind teilweise persönlich, aber auch frei interpretierbar. Ich versuche oft ein Ventil für persönliches zu schaffen und gleichzeitig den Raum für andere Betrachtungsweisen zu lassen. Manchmal, wie im “Park Song”, weiß ich aber auch nicht zu 100% was ich da genau singe, es ist eher eine Stimmung, eine Annäherung, ein Spiel mit Wörtern. Songs wie “WW3” oder “I Feel So Good” haben wiederum ziemlich konkrete Inhalte, die auch mit Absicht so konkret sind. Andere Songs haben gleich mehrere Themen verwoben und verbergen manche Subtexte, wie zum Beispiel “Devil & The Sea”. Für mich persönlich, ist es vor allem spannend, mit Sprachbildern, Assoziationen und Symbolen Spannungsfelder aufzumalen und Stimmungen auszudrücken. Und zwischen den Zeilen steht am Ende wohl zumindest genauso viel, wie in den Wörtern.

Der Text-Schreib-Prozess ist oft ähnlich, wie der Song-Schreib-Prozess. Ich habe meist ein Schlagwort oder ein Themenfeld und stricke dann drum herum, tippe etwas ins Handy, vergleiche x Variationen, streite mich mit mir selber über einzelne Begriffe und versuche, dass alles in die Gesangsschablone zu hauen. Dann zerkaue ich das über ‘nen gewissen Zeitraum, spucke den Kaugummi in mein Hirn, der keimt dann und aus dem Kaugummibaum ernte ich dann neues Material.

Könntet ihr euch auch vorstellen, Musik mit Dada-Texten zu machen oder gehört der Ausdruck von Meinung oder Gesellschaftskritik für euch untrennbar zu RIOT SPEARS?

Svenja: Ich liebe Dada und könnte mir das sehr gut vorstellen, schreibe aber ja gar keine Texte. Auch bei Dada gibt’s ja eine Interpretation, und ich finde es sowieso viel cooler, wenn dir die Bedeutung nicht so ins Gesicht springt. Marthas Texte sind eh immer oder oft sehr assoziativ, verworren, metaphorisch. Deswegen mag ich die Texte auch so sehr.

Martha: Find ich genauso (lacht) und ich finde es lässt, sich vor allem sehr gut kombinieren und auch nicht immer so leicht voneinander trenne. Gute Beispiele dafür sind die Bands BAUMARKT oder die WELTSTALL GROUP. Ich selber sehe den Ausdruck von Meinung und Gesellschaftskritik auch nicht als Hauptbestandteil der Texte per se. Aber wir haben menschlich und als Band eine relativ konkrete Haltung.

Der definitiv größere Teil der Erlöse von “BAD” wurde gespendet, also um die Kohle geht es euch definitiv nicht, oder?

Svenja: Bis jetzt haben wir noch nix gespendet. Machen wir noch. Ehrlich gesagt, ist das etwas gruselig, mit solchen Summen zu hantieren wie in diesem Förderantrag und dann wird das am Ende alles geprüft und ey, keine Ahnung, ob dann Hans-Jürgen in der Förderantragskontrollverwaltung findet, dass Rechnung XY einen Rechtschreibfehler hat und wir deswegen 1.500€ zurückzahlen müssen.

Deswegen hab ich persönlich gerade Angst, eine größere Summe zu spenden, weil ich sowas auch noch nie gemacht habe, soviel Geld verwaltet, so viele Leute bezahlt. Aber bis jetzt läuft es gut, alle Projekte sind bezahlt, wir verkaufen Platten und vielleicht können wir auch ein paar Konzerte spielen. Wenn das absehbar ist, dann spenden wir einen Batzen. Vorher bestimmt auch schon einen Teil.

Also und klar geht es uns auch um Kohle, solange wir im Kapitalismus leben. Wir brauchen Geld, damit Blanca sich endlich ein eigenes Schlagzeug kaufen kann. Bis jetzt teilen wir das mit einer befreundeten Band, aber wenn wir mal ein Konzert parallel haben oder die auf Tour sind, dann konnten wir immer nicht proben oder nicht spielen. Wir brauchen auch Geld, damit wir die nächste Platte produzieren können. Außerdem brauchen wir Geld, um morgen ein geiles Käsebrot essen zu können. Ich hab zwar ‘nen Job, aber die anderen beiden wären, glaube ich, schon froh, wenn da Kohle aus unseren Bandtätigkeiten rüberschwappt auf ihr Konto. Warum auch nicht? Aber wir machen natürlich nicht Musik, weil wir Dollarzeichen in den Augen haben. Da gibt es bestimmt lukrativere Tätigkeiten.

RIOT SPEARS, 2021, Foto von Kenta

Blanca, du machst u.a. auch noch elektronische Musik als Henchman, was kannst du da zum Ausdruck bringen, was bspw. mit RIOT SPEARS jetzt nicht funktionieren würde? Die beiden Musikrichtungen sind ja schon sehr unterschiedlich, aber du hast zwei eurer eigenen Songs geremixt.

Blanca: Wenn ich Musik als Henchman mache, habe ich sozusagen die ganze Kontrolle über das was passiert und was nicht. Im elektronischen Bereich ist man auch generell einfach freier, was den Klang von Songs betrifft, weil man technisch fast alles machen kann. Da bin ich also nicht abhängig davon, was die akustischen Instrumente leisten können.

Zeitlich gesehen, bin ich in dem Projekt natürlich auch freier, weil ich mich alleine aufnehme und mische.Ich nehme zwar gerne meine eigenen Songs auf, aber ich finde es auch spannend verschiedene Versionen von Liedern zu hören, die mir gefallen. Ich habe da eben z.B. “Harvester” neu interpretiert, weil mir der Riff so gut gefallen hat. Ich habe das Riff langsamer aufgenommen und dann in ein komplett anderes Umfeld gesetzt und konnte es düsterer gestalten. Auch den Song “You’re Watching DV” von PASSIONLESS POINTLESS habe ich gecovert, den gibt’s auf Soundcloud.

Svenja: Jo der eine Strings & Synth Remix ist von mir, glaube ich. Der ist auf unserer EP “I Am Not An Object, Not Yet A Person” zusammen mit der Henchman Version von “Harvester”. Ich mache Kram als Keri Mihoum, hab z.B. auch einen Remix von den HEROINE WHORES, vom Song “Burn the Stage” gemacht. Ich spiele von Haus aus Geige und bastel seit Jahren Beats, schnippel Sounds auseinander und baue sie wieder zusammen. Da geht’s eher so darum im Sound zu baden und herumzubasteln, bisschen theatralisch zu sein und so.

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