Interview mit Smile And Burn über “Seid ihr stolz auf mich”
“Nur waren alle müde irgendwann…”, so lautet eine der starken Textzeilen von “Seid ihr stolz auf mich“, der neuen Platte der Punkband SMILE AND BURN aus Berlin. Ein Satz, den sicher viele Menschen sofort unterschreiben würden. Das Trio steht seit 2008 für gute Laune, wuchtige Songs und meinungsstarke Texte. Ersteres aufrechtzuerhalten fällt angesichts der zahlreichen Krisen heutzutage immer schwerer. SMILE AND BURN können mit Veränderungen durchaus umgehen: Sie haben ihr Line-up von fünf auf drei Bandmitglieder geschrumpft und sind von englischen zu deutschen Texten übergegangen.
Was die neue Platte besonders macht, ist die Empfindsamkeit, die uns die Drei über ihre Texte vermitteln. Eigene Traumata im Verbund mit den großen, weltweiten Krisen. Welche Auswirkungen ergeben sich dadurch und wie vermeidet man, daran zu zerbrechen? Gitarrist und Sänger Sören hat krachfink.de einige Fragen beantwortet: Wir sprachen über Stolz, prägnante Kindheitserinnerungen, das Gefühl, als Gesellschaft unter den Möglichkeiten zu bleiben, Tragödien vs. Hoffnung und darüber, welche Erwartungen man an eine Band heutzutage überhaupt noch haben kann.
Hat euch die Platte Schritt für Schritt dahin geführt oder es ein bewusster Weg, den ihr eingeschlagen habt?
Ja, wir wussten am Anfang nicht, wo wir landen werden. Wir waren immer schon sehr offen und ehrlich in unseren Songs, aber auch sehr verklausuliert. Durch das Bandschrumpfen und die Pandemie und die sonstigen Krisen des Lebens sind wir am Ende wohl doch zu einer sehr intimen Zelle gewachsen, die nicht nur als fahrende Partytruppe existiert, sondern auch darauf bedacht ist, sich gegenseitig zu stützen, zuzuhören, Händchen zu halten. Mir fällt es erst jetzt in dem Moment auf, wo du deine Frage stellst. Und ich bin sicher, das merkt man dem Album auch an.
“Seid ihr stolz auf mich”, so heißt euer kommendes Album, wie würdet ihr Stolz für euch persönlich definieren?
Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Deswegen ist der Titel ja als Frage formuliert. Ich glaube, das Gefühl ist sehr wichtig, es kann einen sehr resilient machen und einem viel Orientierung im Leben bieten, weil wir uns alle rückversichern wollen, dass der Punkt, wo wir im Leben stehen, schon irgendwie richtig ist. Tief im Inneren ist es deshalb wahrscheinlich immer noch die wichtigste Frage, die wir an unsere Eltern haben. Das Gefühl wird wirklich unterdurchschnittlich thematisiert, die Rechten haben es halt für ihren Quatsch gepachtet.
Das Artwork und auch der Opener greifen das Flackern von Erinnerungen auf. Es ist so absurd, an wie wenig man sich doch tatsächlich von früher erinnert. Gibt es eine besonders prägnante Erinnerung an deine Kindheit?
Ich war 1998 mit meinen Eltern in den USA. Ich hatte gerade 2 Jahre Grundschuldenglisch und war sehr prahlerisch damit. Mein Vater hat mich in diese Eisdiele in der Hitze Floridas geschickt und meinte, ich soll mir mein Eis selbst bestellen. Das war einigermaßen überfordernd, zum einen, weil das natürlich Überwindung kostet, zum anderen, weil ich eigentlich einen Frozen Yogurt wollte. Meine Mutter hielt meine Hilflosigkeit irgendwann nicht mehr aus und hat mir mit Händen dann einfach ein Schokoeis bestellt. Alles an dieser Situation nervt mich bis heute. Aber am meisten wie es im Nachhinein zu einer lustigen Familienanekdote geworden ist, die ich selbst bis ich 35 war, immer gerne gehört habe. Bis eines Tages jemand sagte: Ist das nicht eher traurig, wenn man als Kind so stehen gelassen wird? Ich will damit sagen, es ist nicht absurd, dass man sich manchmal an wenig erinnert, sondern, dass man keine Kontrolle darüber hat, woran man sich sein Leben lang erinnert. Das ist das eigentlich Tragische.
“Bomben fallen” ist eigentlich ein sanft wiegender Song, aber mit inhaltlicher Wucht. Wir ignorieren alles, warten auf den Knall, sehen das Ende kommen und machen doch nichts?
Es ist gar nicht mal so, dass wir nichts machen, es wird nur jeden Tag schwerer zu wissen, was wir machen sollen. Die Komplexität der Welt ist etwas, dass bestimmt viele Menschen auf einen Reset und Neustart hoffen lässt und auch gleichzeitig etwas, dass einen schnell in eine Art Handlungsstarre führt. Da steckt Drama drin, denn nicht zu handeln ist ja genau das Problem. Vielleicht kann die Menschheit nicht anders.
“Asche von gestern” ist eine deprimierende Beschreibung des Status Quo: Jetzt hätten wir alle Möglichkeiten, um vieles besser zu machen und leben doch in einer Welt, in denen wir bspw. die Digitalisierung überwiegend dazu nutzen, bei Insta zu scrollen, statt mal Bildung in jeden Winkel der Erde zu tragen oder irgendetwas anderes sinnvoll zu verbessern… geht es euch in dem Song, um das Gefühl zu versagen oder auch um Überforderung?
Versagen ist ein radikales Wort, im Prinzip aber nicht ganz falsch. Ich wollte gerne das Gefühl vertexten, wenn man zum ersten Mal im Leben zurückschauen kann, wenn man eine Geschichte hat, die lang genug ist, um einen ein wenig schwindelig zu machen. Der Moment, in dem man vermisst und sich sagt: Wenn wir all diese Ideen und Ziele hatten, müssten wir dann nicht jetzt schon etwas davon erreicht haben oder einen guten Teil des Weges gegangen sein?
Und dann die Tragik, die entsteht, wenn wir einsehen, dass das unvermeidlich nicht passiert ist, die knallt so unendlich doll rein. Und daraus entsteht ja auch eine brutale Entscheidungssituation (ja, vielleicht Überforderung): Machen wir weiter, wenn ja wo? Können wir das Feuer nochmal schüren? Sind wir müde und altersmilde?
Mit dem Album “Seid ihr stolz auf mich” macht ihr euch insofern angreifbar, weil ihr euch auch in poppigen Refrains ausdrückt. Habt ihr euch bis dahin schon bewusst an ungeschriebene Punk-Szene-Gesetze gehalten und die jetzt ebenso bewusst über Bord geworfen?
Also, die klare Antwort lautet in dem Fall ja. Das hat mit dem Album davor zu tun, da wollten wir das Punk 1×1 genauso haben, beweisen, dass wir das beherrschen. Gleichzeitig hat das den sehr großen Raum aufgemacht, diesmal dann zu sagen: Im Zweifel treffen wir immer die musikalisch mutigere Entscheidungen und sind etwas experimenteller, und wenn nicht, dann wenigstens unpunkiger. Und genauso haben wir das im ersten Produzentengespräch mit den DONOTS auch angekündigt und für – sagen wir mal – Drittel des Albums auch sehr konsequent umgesetzt.