Lest die Review zu "Infinite Child" von SWAIN bei krachfink.de

Interview mit Swain zum Album „Infinite Child“

Sechs Jahre Funkstille, dann ein Album wie ein Befreiungsschlag: SWAIN melden sich mit „Infinite Child“ zurück – gereifter, feiner, aber kein bisschen zahmer. Inmitten von Pandemie, Umbrüchen und Lebenswandel hat die Band ihren Sound leise weiterentwickelt, ohne ihre rohe Emotionalität zu verlieren. Bei krachfink.de sprechen Noam (Gesang, Gitarre) und Steffen (Bass) über innere Kämpfe, die Angst vor Veränderung und die Kraft, sich selbst treu zu bleiben. Irgendwo zwischen erwachsen werden und Kind bleiben.

Seit eurem letzten Album „Negative Space“ ist ziemlich viel Zeit vergangen. Was ist in den letzten sechs Jahren bei SWAIN passiert?

Noam: Erstmal: Covid. Als „Negative Space“ Mitte 2019 rauskam, hatten wir nur sehr wenig Zeit, bevor Covid zuschlug, und wir konnten im Grunde nicht auf Tour gehen. Wir waren nie besonders aktiv auf Social Media, und der ganze Livestream-Kram, der damals aufkam, war nicht so unser Ding. Wir haben weiter geschrieben und geprobt und ein paar Singles veröffentlicht, die eigentlich Teil einer EP namens Monochrome werden sollten – aber die letzten beiden Songs haben wir nie fertiggestellt.

Als die Beschränkungen wieder aufgehoben wurden, befanden wir uns plötzlich in ganz anderen Lebensphasen – einfach weil wir nicht touren konnten und unsere Energie anderweitig einsetzen mussten. Boy hat die Band verlassen, Boris lebt derzeit in LA und macht Tourmanagement für einige großartige Acts, und sowohl Steffen als auch ich sind ziemlich in unserer Arbeit aufgegangen (und Steffen mit seinem neugeborenen Kind!!).

Es fühlt sich an, als ob sich die Dinge gerade wieder verändern. Ich glaube, dieses Album war längst überfällig. Für mich ist SWAIN eher ein fortlaufendes musikalisches Projekt, das offen für verschiedene Leute ist, im Gegensatz zu einer klassischen Band. Vielleicht gehen wir wieder viel auf Tour, vielleicht auch nicht – wer weiß??

Was definiert SWAIN als „Infinite Child“?

Noam: Staunen, Vorstellungskraft, der Drang, das zu tun, was uns antreibt – ohne Einschränkungen; der Wunsch, verspielt zu bleiben und selig unbeeindruckt vom Urteil anderer; und das Bedürfnis, vollkommen authentisch zu bleiben.

Konflikte, innere Kämpfe und Hoffnung – das sind zentrale Themen des Albums. Spiegelt das die Erfahrungen und Stimmungen der gesamten Band SWAIN wider oder eher deine Gedanken und Impulse, Noam?

Noam: Ich glaube, wir reden eigentlich gar nicht so viel aktiv über solche Dinge. Ich denke, für manche sind die Texte generell gut nachvollziehbar, aber sicherlich nicht für alle. Zum Beispiel ist „Unbecome“ ein sehr persönlicher Song, der auf einer allgemeinen Ebene vielleicht nachvollziehbar ist, aber im Kern wohl nicht.

Steffen: Nee, wir haben da im Vorfeld nicht wirklich bewusst drüber gesprochen. Ich erinnere mich, wie Noam uns das Demo von „Infinite Child“ vorgespielt hat – das war damals noch ein Arbeitstitel – als eine der ersten Ideen, als wir angefangen haben, neues Material zu schreiben. Das hat sofort mit uns resoniert, und von da an hat sich alles andere irgendwie natürlich gefügt. Insofern spiegeln die Themen dann doch bis zu einem gewissen Grad unsere Leben und Stimmungen wider. Manche Songs mehr als andere, natürlich.

Alle Songs scheinen miteinander verbunden und auch musikalisch miteinander verwoben zu sein. Folgt das Album einem Konzept? Gibt es eine übergeordnete Geschichte, einen roten Faden?

Noam: Das überlasse ich deiner Interpretation. Generell gilt: Ja, die meisten unserer Werke sind in irgendeiner Form konzeptionell miteinander verbunden. Ich bin niemand, der den Hörerinnen und Hörern eine bestimmte Deutung vorgibt – ich glaube, Musik hat mehr Wert, wenn man die Verbindungen selbst herstellen kann.

In „Feel the Groove“ tritt Steffen als Bassist mehr in den Vordergrund. Der Song erinnert mich stark an den großartigen Soundtrack des PlayStation-Spiels Spyro the Dragon. Kennst du den?

Steffen: JA! Ich hatte damals nur die Demo-Version – ich habe dieses eine Level bestimmt hundert Mal gespielt. Ich erinnere mich nur noch vage, irgendwas mit einem Drachen auf einem Skateboard, oder? Den Soundtrack hab ich nicht mehr genau im Kopf, aber war da nicht dieser pumpende, sich allmählich steigernde Synth-Bass?

„Feel the Groove“ war ursprünglich ein Demo für unsere Platte „The Long Dark Blue“. Der Song hat seitdem mehrere Entwicklungsstufen durchlaufen – ich glaube, es gibt mindestens drei Versionen. Der Arbeitstitel war damals Groove, also hatten wir: Groove I, II und III.

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SWAIN live, Foto von Volker Racho

Zwei Fragen dazu: Warum hast du den Bass als Instrument gewählt, und könntest du dir vorstellen, Musik für einen Film, eine Werbung oder ein Videospiel zu schreiben?

Steffen: Ich habe den Bass nicht wirklich gewählt, es ist eher passiert. 2017/18 habe ich bei Swain immer mal wieder ausgeholfen, nachdem unser damaliger Gitarrist ausgestiegen war und unser Bassist zur Gitarre gewechselt ist. 2019 bin ich dann fest eingestiegen und spiele seitdem Bass. Aber eigentlich ist Gitarre mein erstes Instrument.

Ich habe mal für ein kleines Videospiel, das ich vor ein paar Jahren programmiert habe, einen Soundtrack geschrieben. Es gibt definitiv Zeiten, in denen ich gerne Musik allein mache – vor allem instrumentale Sachen. Wenn ich mehr Kontakte in die Gaming-Branche hätte, wäre ich da wahrscheinlich schon tiefer drin. Filmmusik finde ich übrigens auch faszinierend. Ein Theme, das mir sofort einfällt, ist der Opener von „Severance“ – ich finde den absolut brillant.

Was mir bei euren Songs immer auffällt: Sie erzeugen sofort ein Gefühl. Legt ihr da bewusst Wert drauf, und was macht für euch einen guten Song aus?

Noam: Ja, natürlich. Was ist Musik ohne das, was ein Gefühl auslöst? Wir sind kein Entertainment-Betrieb – wir sind hier, um uns auszudrücken und hoffentlich Menschen zu erreichen, die emotional mit dem resonieren, was wir tun.

Ihr spielt Grunge. Die Welle junger Grunge-Bands flaut gerade wieder ab. Welche Bands aus dem Genre beeinflussen euch, und wie haltet ihr den Sound präsent in eurer Musik?

Noam: Ich glaube nicht, dass wir heutzutage konkrete Einflüsse aus dem Genre haben, auf die wir regelmäßig zurückgreifen. Wir hören eigentlich selten Grunge-Musik – das meiste davon ist ehrlich gesagt Überbleibsel aus unserer Jugend. Ich denke, was Swain einzigartig macht, ist, dass wir Elemente aus vielen verschiedenen Genres nehmen und diese mit unseren musikalischen Prägungen aus der Jugendzeit kombinieren.

„Fade Out“ handelt von innerer Stärke und dem Setzen von Grenzen. Viele Menschen nutzen Musik, um „auszublenden“. Was ist eure Form des Eskapismus, um mal alles zu vergessen?

Noam: Musik ist die Flucht.

Steffen: Freunde treffen, auf jeden Fall.

Ich habe SWAIN schon oft live gesehen und es immer sehr genossen. Werdet ihr das Album auf Tour präsentieren?

Noam: Am 29. Juni haben wir unsere Release-Show hier in Berlin. Wir schauen uns gerade ein paar Optionen an, um wieder auf Tour zu gehen. Es ist etwas schwierig, da wir alle buchstäblich überall auf der Welt leben und reisen, aber wir setzen alles daran, dass es irgendwie klappt.

Gibt es einen Song auf Infinite Child, der euch besonders am Herzen liegt? Wenn ja: welcher und warum?

Noam: „Sugarblind“ – das wird irgendwie gerade mein Lieblingssong. Ich kriege jedes Mal Gänsehaut, wenn das Ende einsetzt.

Steffen: Das hat sich seit der Aufnahme des Albums jeden Monat geändert. Im Moment bin ich total in „Unbecome“ – vor allem seit wir die Videoidee dazu hatten. Ich liebe aber auch Lost in Translation, und jedes Mal, wenn ich das Musikvideo sehe, kriege ich dieses Gefühl – so ein emotionales Verlorensein, das man kaum in Worte fassen kann.

Foto im Header von Noam Cohen

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