Interview mit The Dead End Kids zum Album „Heiß & Dreckig“
„Influenza“ keine Lobeshymne an das Handy, wie geht ihr selbst damit um, verweigert ihr euch erfolgreich?
Caro: Ich hatte tatsächlich bis vor ein paar Jahren noch ein Tastenhandy. Seitdem habe ich immer nur gebrauchte Smartphones, die aber dementsprechend auch schon ihre Macken aufweisen. Mittlerweile bin ich nicht mehr der Meinung, dass man sich verweigern muss bzw. auch nicht mehr kann. Die Auseinandersetzung mit diesem Kram ist schon wichtig, um einen bewussten Umgang damit zu erlernen. Ich finde es zum Beispiel supi auch einfach mal nicht erreichbar zu sein. Dann ist das Handy einfach mal aus.
Fatima: Wir verarbeiten unreflektierten Medienkonsum oder Mediengebrauch in Songs wie „Hey Du“ oder „Influenza“. Boykott bzw. Verweigerung digitaler Medien bringt keinem etwas. Sie sind da und werden nicht gehen. Wie Caro sagt, ist erstmal die Reflexion des eigenen Umgangs und Aufklärung wichtig. Es gibt coole Plattformen, wie den YouTube-Kanal mobilsicher, die ich dafür wärmstens empfehlen kann Achtung Werbung (lacht).
Charlie: Als Musikfan nutze ich persönlich diese Medien immer um mit den Künstlern und Künstlerinnen up to date zu bleiben, aber die Suchtgefahr ist leider immer gesetzt. Die Dosis macht schließlich immer das Gift.
„Verliebt“ ist ein Song über Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben. Kennt ihr selbst solche Menschen? Da ihr aus Dresden und Leipzig kommt, sind diese Aufmärsche für euch Realität, ihr kennt die Bilder davon mit Sicherheit nicht nur aus den Medien.
Caro: Ich kenne keine Menschen in meinem direkten privaten Umfeld, die auf eine Verschwörungstheorie abfahren. Aber damit meine ich wirklich die Menschen, mit denen ich mich privat viel umgebe. Aber natürlich sind mir im Bekanntenkreis Menschen begegnet, die Tendenzen zu Theorien haben.
Fatima: Verschwörungsmythen und ihre Anhänger gibt es auch in der restlichen Republik zur Genüge. Da fallen mir gleich die kleinen Reichsbürgerdörfer in Niedersachsen oder Baden Württemberg ein oder letztens die QAnon-Verschwörung-Party der AfD in einem Nest in Brandenburg. Hier und da kenne ich Menschen über Ecken, die auf einer Skala von Semibescheuert bis Nicht-mehr-zu-retten zu verzeichnen sind. Freunde sind das nicht.
Warum setzt ihr den Bezug zum Verliebtsein, sprecht ihr damit eine gewisse Handlungsunfähigkeit zu?
Caro: Kann man so interpretieren.
Besteht der Wunsch, in eine vermeintlich offenere Stadt wie bspw. Berlin umzuziehen oder findet ihr es gerade wichtig, dort zu bleiben, wo es brennt?
Caro: Ich kann mir momentan nicht vorstellen, in einer Stadt wie Berlin zu leben. Ich bin mit meinem Leben in Dresden sehr zufrieden. Aber wer weiß, wo es einen auch mal hinzieht. Ich würde aber auf keinen Fall meinen Wohnort nach „Brennpunkt“ aussuchen. Wichtig ist, dass ich mich wohlfühlen kann und ich Menschen um mich habe, bei denen ich so sein kann, wie ich bin.
Charlie: Würde ich mich definitiv Caro anschließen… Dazu kommt bei mir, dass ich schon ’ne faule Sau bin und wenn ich einmal irgendwo wohne, mich schlecht davon losreißen kann … Man fühlt sich schließlich auch im Freundeskreis und arbeitstechnisch gebunden.
Fatima: Alle sollten dort leben, wo sie sich am wohlsten fühlen. Ich finde unter anderem die Leute wichtig, die weiterhin in Kleinstädten und Dörfern leben und sich dort engagieren. Wir haben in den letzten Jahren einige kleine Shows auf dem sächsischen Ländle gespielt, was ohne die aktiven Leute vor Ort nicht möglich wäre. Ich erinnere mich an ein Crew-Mitglied vom Stains in the suns festival im Erzgebirge, der davon erzählte, dass es erst eine Woche zuvor Stress mit Nazis gab.
Ist der Song „Kartoffelsalat“ auch ein stückweit, ein Wunsch, dass sich dieses Gedankengut auf eine überschaubare Gruppe beschränkt? Ich glaube, viel schlimmer ist ja das, was in den Köpfen derjenigen passiert, die nichts montags auf die Straße gehen und nicht bei der AfD Mitglied sind.
Fatima: In „Kartoffelsalat“ findet sich mehr eine Beschreibung dieser absurden „Spaziergänge“ als ein Wunsch. Hier ballen sich unterschiedliche Menschen und mitunter rechtes Gedankengut in verschiedenen Ausprägungen. Es ist krank, welche Anziehungskraft diese Veranstaltungen hatten, wen sie alles aus den letzten Löchern Deutschlands auf die Straße geholt haben. Schlimm sind alle, die das in irgendeiner Art supporten. Die Frage ist nur, welchen Impact die Personen haben und ob sie nur zu Hause vor der Glotze rumwettern oder ob sie zum Beispiel Chefredakteure von Verlagen sind.
Den Song „Arbeit“ finde ich interessant, mittlerweile gibt es sehr viele unterschiedliche Arbeitsmodelle. Welches bevorzugt ihr und wie definiert ihr eine sinnhafte Arbeit?
Caro: Ich bevorzuge genau so viel zu arbeiten, dass ich mich noch selbst verwirklichen kann und mich gesund und wohlfühle. Das Privileg habe ich momentan, was natürlich superschön ist. Dazu habe ich aber natürlich auch einen angepassten Lebensstandard. Sinnhafte Arbeit muss ja immer jeder für sich selbst definieren. Einige Personen benötigen zum Beispiel einen spürbaren Impact oder ein Ergebnis, andere eben nicht.
Habt ihr eine Meinung zum bedingungslosen Grundeinkommen?
Caro: Finde ich gut.
Charlie: Ich auch, aber da könnte man sicherlich ewig Pros und Kontras diskutieren.
Fatima: Die Frage ist eher: Warum haben wir noch keins?
Mit Sicherheit sind eure Songs live nochmal ein Stück mitreißender. Probt ihr viel miteinander, um als Trio besonders gut eingespielt zu sein?
Charlie: Eigentlich proben wir eher weniger, aber wenn dann sehr intensiv, beispielsweise als Vorbereitung, bevor’s ins Studio geht – klar – oder wenn wir eine liebe Person am Bass in unsere Songs einweisen.
Caro: Wir sagen auch öfter dazu Trainingslager, haha. Jede Person macht ihr eigenes Ding für sich zu Hause, um sich auf die Songs vorzubereiten. Da wir in Dresden und Leipzig leben, ist es nicht immer möglich zu proben. Das hat sich in den letzten Jahren dann so ergeben, dass wir es wirklich nur noch beschränken, dann aber eine sehr effektive Zeit über mehrere Stunden im Proberaum verbringen und das über ein Wochenende.
„Heiss und dreckig“ schließt mit einem Cover ab, basierend auf FU MANCHU haben TURBOSTAAT mit BEATSTEAKS den Song „Frieda und die Bomben“ gemacht. Warum habt ihr euch gerade den ausgesucht?
Charlie: Den Song haben wir schon eine Ewigkeit im Live-Set. Wir wollten dem Song mal Respekt zollen und auf einem Album verewigen, zwischen den anderen deutschsprachigen Liedern passt das ja auch sehr gut.
Caro: Ja, der Song passt unserer Meinung sehr gut aufs Album. Das Cover vervollständigt das Album für uns. Wir spielen es schon so lange und haben immer noch nicht den Spaß am Lied verloren. Es machte einfach Bock und hatte es verdient.
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