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Joachim Meyerhoff – Man kann auch in die Höhe fallen – Review

Mit „Man kann auch in die Höhe fallen“ legt der Autor und Schauspieler Joachim Meyerhoff nun schon den sechsten Band seiner Reihe „Alle Toten fliegen hoch“ vor. Nach seinem Schlaganfall und einem Umzug vom beschaulichen Wien ins hektische und ständig kopfschüttelnde Berlin kommt er nicht zur Ruhe und bemerkt an sich Wesensveränderungen, die ihm das Leben schwer machen. Also stattet er seiner Mutter einen längeren Besuch ab, die in Schleswig in der Nähe des Meeres in einem idyllischen Landhaus mit parkähnlichem Garten lebt. Er lässt sich von ihrer robusten Art und ihrer pragmatischen Lebensfreude anstecken, schwelgt gemeinsam mit ihr in Erinnerungen und sammelt neue Kraft. Er verwischt erneut meisterhaft die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit, sodass man nie sicher ist, wo das Groteske endet und die Realität beginnt.

Die Mutter als Herzstück der Erzählung

„Man kann auch in die Höhe fallen“ von Joachim Meyerhoff rückt die Mutter des Autors in den Fokus. Liebevoll beschreibt er sie als eine Art greise Pippi Langstrumpf, die die hellen Tage sucht und versucht, aus allem das Beste zu machen. In seiner Beschreibung schwingt viel Liebe, aber auch eine gehörige Portion Bewunderung für seine Mutter mit. Selbstverständlich macht er sich aufgrund ihres hohen Alters auch Gedanken über ihren Tod und beschreibt eine intensive Erfahrung dazu. Anfangs konzentriert sich „Man kann auch in die Höhe fallen“ auf die Zeit mit seiner Mutter und die gemeinsamen Erinnerungen an den kleinen Jocki. Ein Highlight ist sicherlich eine im Buch mit allen kindlichen Rechtschreibfehlern abgedruckte Originalgeschichte des damals noch grundschulpflichtigen Joachim Meyerhoff. Diese zeigt eindeutig, wie stark und ungewöhnlich seine Ausdrucksweise schon in jungen Jahren war und wie das Chaos in seinem Kopf wütete, während seine Gedanken sich vor Tatendrang überschlagen.

Theateranekdoten – Ablenkung oder Bereicherung?

Später mischen sich in „Man kann auch in die Höhe“ fallen von Joachim Meyerhoff kapitelweise Anekdoten über seine Erfahrungen am Theater unter. Diese sind zwar amüsant und ebenso bildlich beschrieben wie der Rest des Romans, zerpflücken jedoch die eigentlich runde Geschichte über seine Mutter. Alles, was drumherum stattfindet – seine Fahrradprüfung als Kind, Meyerhoff als onanierender Mönch, kuriose Begegnungen in Berlin, ein unfreiwilliger Diebstahl während der Dreharbeiten zu Bibi und Tina – liest sich ebenso interessant und kurzweilig, beißt sich aber mit der Annäherung von Mutter und Sohn und seiner damit verbundenen Angst vor Verlust.

Der Autor spart in keiner seiner Beschreibungen seine charakterlichen Eigenheiten aus, schildert urkomisch skurrile Szenen und glättet seine Macken nicht. Das macht „Man kann auch in die Höhe fallen“ ausgewogen lustig und traurig. Diese Kontraste erzeugt Meyerhoff mit seiner außergewöhnlichen Sprache und seiner Fähigkeit, sich präzise auszudrücken. Seine Darstellungen erzeugen umgehend Bilder im Kopf, und er erschafft Adjektive und ungewöhnliche Kombinationen von Worten, die man sich im Alltag gut merken kann, um effizienter zu kommunizieren.

Fiktion und Wirklichkeit – Eine Balance

Der fiktive Anteil scheint in „Man kann auch in die Höhe“ fallen von Joachim Meyerhoff etwas höher zu sein als sonst. Wenn er über die Zeit mit seiner Mutter schreibt, skizziert er sich selbst als über 50-Jährigen, der etwas naiv und in großen Teilen lebensunfähig wirkt, während seine Mutter mit Mitte 80 wie eine quietschfidele Superoma erscheint. Das liest sich angenehm, hat etwas Beruhigendes und spiegelt eine liebevolle Perspektive wider. Grundsätzlich könnte man mit diesem Band auch in die Reihe einsteigen, da es immer wieder Rückblicke gibt, die Vergangenes in Bruchstücken zusammenfügen. Um die Person Meyerhoff voll zu erfassen, lohnen sich jedoch alle Bände der Reihe, vorzugsweise in der von ihm gedachten Reihenfolge. Bleibt zu hoffen, dass er noch Themen für weitere Romane findet.

Seiten: 368
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN-10: 3462006991
ISBN-13: 978-3462006995
VÖ: 07.11.2024

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Autorenseite von Joachim Meyerhoff beim KiWi-Verlag

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