Jon Fosse – Der andere Name: Heptalogie I-II – Review
Der Norweger Jon Fosse ist aktuell einer der wichtigsten, lebenden Autoren, seine Bücher wurden in über 40 Sprachen übersetzt und er selbst wurde mehrfach dafür ausgezeichnet. Außerdem gewährt ihm der König lebenslanges Wohnrecht in einer Ehrenwohnung am Osloer Stadtpark. Mit “Der andere Name: Heptalogie I-II” legt er nun den ersten und zweiten Teil seiner Heptalogie vor, fünf weitere Teile folgen also noch. Ist man mit seinem Stil nicht vertraut, dann könnte der Roman anfangs überfordern. Das liegt gar nicht an der Perspektive, die er einnimmt, sondern an der prosaischen Erzählweise ohne Punkt.
Dadurch entwickelt die Geschichte aber eine einzigartige Zugkraft, die ihresgleichen sucht. Jon Fosse erzählt einen Teil der Lebensgeschichte des Malers Asle, der seit dem Tod seiner Frau Ales alleine in einem abgelegen norwegischen Dorf wohnt und ziemlich viel Zeit hat, um sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Fosse gelingt es, uns als Leser quasi im Gehirn von Asle zu verpflanzen, sodass man jede Überlegung, jeden Zweifel und jede andere Empfindung doppelt intensiv erfährt.
“Manche Bilder sprechen eine stumme Sprache”
Durch die direkte Verbindung des Lesers mit dem Protagonisten ändert Jon Fosse in seinem Roman “Der andere Name” auf ungewöhnliche Art und Weise das Zeitempfinden. Der fließende Text befasst sich eigentlich nur mit zwei Tagen im Leben von Asle und einigen Rückblicken. Fosse kalibriert den Leser langsam, aber äußerst geschickt, für die Geschichte. Die verschneiten Landschaften werden kleinteilig sichtbar und vor dem inneren Auge bauen sich plötzlich ungewöhnliche Feinheiten auf, die Zeit verlangsamt sich. Trotz aller Detailliertheit, bleibt in “Der andere Name: Heptalogie I-II” so vieles unausgesprochen und lediglich fühlbar.
Genau diese Leerstellen bleiben dem Leser wie ein Schatz selbst überlassen und mit der genauen Vorlage von Fosse ist es ein Leichtes, sie zu fühlen. Neben dem Maler Asle und seinem einzigen Freund und Nachbar, dem Fischer Åsleik, geht es auch um den anderen Maler. Der heißt ebenfalls Asle und wohnt in der nahegelegenen Stadt Bjørgvin. Er betäubt seinen Sorgen, von den er auch reichlich hat, mit Alkohol und wird zum wesentlichen Bestandteil der Geschichte und zu einer Art Spiegel für den Erzähler Asle. Der Buchtitel und der Verlauf des Romans lassen viele Deutungsweisen über die Realität zu.
Fosse stellt eine ganz besondere Verbindung her
Über Bande lässt uns Fosse an der Vergangenheit von Asle und seinem früheren Ich teilnehmen. Der Leser durchläuft, aufgrund seiner nahen Position ganz nah bei Asle, auch all seine Denkschleifen und Marotten. Das kann auf Dauer etwas anstrengend sein. “Der andere Name: Heptalogie I-II” befasst sich, wie alle Bücher von Jon Fosse, auch mit religiösen Deutungsweisen. Mit diesen hantiert er allerdings eher philosophisch und ganz sicher nicht eindeutig oder bekehrend.
Schon das Cover deutet an, dass der Autor dazu in der Lage ist, zwischen schwarz, grau und weiß zu unterscheiden. Warum nur ein Wort für jede Farbe, wenn es so viele Schattierungen und Abstufungen gibt? „Der andere Name: Heptalogie I-II“ ist unterteilt in zwei Kapitel, das zweite nimmt uns noch ein Stück weiter mit in die Vergangenheit. Und es bleibt vollkommen offen, wohin das Summum Opus führen wird.
Seiten: 480
Verlag: Rowohlt
ISBN-10: 3498021419
ISBN-13: 978-3498021412
VÖ: 17.09.2019
Passende Musik dazu liefert der Däne CHORUS GRANT mit seinem Album “Vernacular Music”, die Review dazu findet ihr hier. Friedrich Christian Delius nutzt die prosaische Erzählweise ebenfalls in seinem Buch “Die Birnen von Ribbeck”, die Review dazu findet ihr hier.