Kae Tempest – The Line Is A Curve – Review
KAE TEMPEST hat viel zu sagen, so auch auf dem mittlerweile vierten Album „The Line Is A Curve“. Um den Kopf-HipHop der Britin zu schnallen, sollte man auch gut verstehen, worüber eigentlich gesungen wird. Denn selbst wenn man die Stimmung erspüren kann und den Druck hinter der Punches spürt, dann ist der eigentliche Clou doch die Treffsicherheit der Worte.
Für das neue Album wurden einige Features eingeladen und alles sehr dicht gehalten. Reduzierte Beats, warmes Sampling und über allem die Flut von Worten, Gedanken, Erinnerungen und Ängsten. Auch live scheint KAE TEMPEST immer in einem Tunnel zu sein, jede Silbe wirkt wie eine Befreiung. „How are we supposed to dance?“… so heißt es im sphärischen „Water in the Rain (With ássia)”, das skizziert die Musik von KAE TEMPEST. Wenig tanzbar, wenn auch immer rhythmisch, aber eben eher meditativ.
Wer bin ich und wer will ich sein?
„The Line Is A Curve“ von KAE TEMPEST steht in engem Bezug zu „On Connection“, einem Nonfiction-Buch, das 2020 veröffentlicht wurde und dem Bühnenstück „Paradise“ das 2021 im National Theatre aufgeführt wurde. Es liegen nun also die ersten Werke von KAE TEMPEST vor, die nach dem Coming-out als trans, nicht-binäre Person unter dem neuen Namen veröffentlicht werden. Dementsprechend geht es viel um Identität, im großen und kleinen Kontext.
Wer wollen wir sein im Leben, wer sind wir oder noch viel genauer, wer sind wir wirklich? Es dauerte seine Zeit, bis „The Line Is A Curve“ richtig ins Herz einsickern kann, aber genau dafür ist es gemacht. Schmerzhaft ehrlich setzt sich KAE TEMPEST von jeher mit ihrer Kunst auseinander, gibt anderen damit Halt und benötigt diesen Output, um sich selbst zu erhalten.
Dabei geht KAE TEMPEST schon fast penibel vor, singt Songs gerne auch mal mehrfach ein, immer mit einer anderen imaginären Anspielperson vorm inneren Auge. Der Text von „No Prizes (with Lianne La Havas)“ ist so schonungslos ehrlich und wahr, dass man erstmal etwas verstört wird. Vollkommen ohne Bassbomben oder wahnsinnig schnell vorgetragene Zeilen, trifft KAE TEMPEST da hin, wo andere mit deftigeren Worten nicht annähernd hinkommen.
Heilsam und feinfühlig
Es gibt zugängliche Momente auf „The Line Is A Curve“ von KAE TEMPEST. „More Pressure (with Kevin Abstract) ist einer, könnte mit seiner kalten Wave-Tendenz auch genauso gut von ANNE CLARK stammen. Und selbst wenn KAE TEMPEST nicht groß im eigentlichen Sinne instrumentiert, dann ist „The Line IS A Curve“ mit Sicherheit das imposanteste und abwechslungsreichste Album bisher. Von rechts nach links flitzende Synthies, Akustikgitarre, Flächen und ein überragendes Schlagzeug von Kwake Bass bilden den optimalen Rahmen für die Worte.
Auch die Tatsache, dass KAE TEMPEST zum ersten Mal selbst auf dem Cover zu sehen ist, ist kein Zufall. Es ist tatsächlich gelungen, noch mehr Seele reinzupacken. Das ist nicht leicht greifbar, kann aber für manche heilsam und auch rettend sein. Das abschließende „Grace“ ist so feinfühlig instrumentiert, dass es sich wie langsam ausgehendes Feuer anfühlt und man diesem Gefühl lange nachspüren kann.
Dauer: 44:04
Label: Fiction / Virgin Music
VÖ: 08.04.2021
Tracklist „The Line Is A Curve“ von KAE TEMPEST
Priority Boredom
I Saw Light (with Grian Chatten)
Nothing To Prove
No Prizes (with Lianne La Havas)
Salt Coast
Don’t You Ever
These Are The Days
Smoking (with Confucius MC)
Water in the Rain (with ássia)
Move
More Pressure (with Kevin Abstract)
Grace
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