Loathe – I Let It In And It Took Everything – Review
Ob LOATHE mit Ihrem Album „I Let It In And It Took Everything“ den längst ausstehenden Durchbruch schaffen? Wahrscheinlich nicht. Die Band aus Liverpool tritt und kratzt auch auf ihrem zweiten Album in alle Richtung und wehrt sich mit Händen und Füßen gegen eine Kategorie. Das liegt zum einen an der musikalischen Flexibilität, aber auch daran, dass Kadeem France gnadenlos alles nagelt, was bei Drei nicht im nächsten Loch verschwunden ist. Der Typ kann einfach alles singen und jede Emotion in voller Intensität mit der Treffsicherheit eines Assassinen darbieten.
Schubladendenker, bitte treten Sie einen Schritt zurück
„I Let It In And It Took Everything“ befasst sich eben genau damit, wer dem Bösen die Tür öffnet, steht danach doof da und mit der „Aggressive Evolution“ fängt das Dilemma häufig an. Bärbeißig reißen LOATHE ein Loch in die Wand und stehen mitten im Raum, abwechselnd vor Wut schwankend und angetrieben von Hoffnung bettelnd. LOATHE durchwandern alle Höhen und Tiefen der inneren Auseinandersetzung, potenzieren alle Emotionen und führen sie – und uns – ans Maximum. Das anschließende „Broken Vision Rhythm“ jongliert ebenfalls mit Tempo, den einzigen Widerhaken geben die Gitarren. Kantig und hart ist mitnichten alles, was die Band in petto hat. In „Two Way Mirror“ umspannen LOATHE die stabile Basis mit einem weichen Schutzschild, gestrickt aus Gesang und epischen Gitarren mit Zuckerguss.
Freunde von TITLE FIGHT, PIANOS BECOME THE TEETHS, CITIZEN und DEFTONES können anschnappen, progressiver wird es nicht mehr. Nicht nur in „New Faces In The Dark“ wird klar, wie wendig und handwerklich begabt LOATHE sind. Technisch anspruchsvoll brettern, drücken und windet sich die Band durch den Song. Ein Song, der sich nicht so richtig entscheiden kann, ob er sich in den dunklen Gang treiben lassen oder doch den Ausweg finden soll. LOATHE entscheiden sich dazu einen großen Scherbenhaufen zu hinterlassen. Muss man Schmerz erfahren, um zum Licht zu kommen? Oder findet das Licht Dich? Ach, interpretiert doch einfach rein, was ihr wollt.
Von allem das Beste
Für die HörerInnen bedeutet das aktuelle Album von LOATHE Gefühlsachterbahn und die Ausreizung der komplette Bandbreite an kreativem Ausdruck. LOATHE schielen keine Sekunde auf Mainstream oder Formatradio, dabei sind sie rein handwerklich dafür bereit. Wenn die Kompositionen nur nicht so sperrig und unvorhersehbar wären, dass man die Masse, die sich das reinziehen soll, so schwer in eine Ecke stellen kann. Genau das freut mich natürlich. Das samtig, anschwellende „Sad Cartoon“ nimmt es locker mit Shoegazegrößen auf, „It Is Really You“ könnte aus dem Stall von DEFTONES kommen und „Heavy Is The Head That Falls With The Weight Of A Thousand Thoughts“ tritt mutig in die Fußstapfen von DEAFHEAVEN. LOATHE beherrschen Quickies genauso gut wie musikalische Prosa, vergeuden niemals eine Sekunde und jedes Interlude bringt seinen Mehrwert.
Im abschließenden Titelsong wird es technisch, LOATHE konfrontieren eine Vielzahl von unterschiedlich temperierten Gesangsarten mit einem streckenweise trabenden und dann hakelig aufstampfenden Takt. Wer mit einem vielfältigen Musikgeschmack gesegnet wurde und bei Shoegaze, Black Metal, Post-Rock, Metalcore, Djent und Noise nicht panisch den Rückwärtsgang einlegt, sollte „I Let It In And It Took Everything“ mindestens einen intensiven und kompletten Durchlauf gönnen.
Dauer: 49:14
Label: Sharptone
VÖ: 07.02.2020
Tracklist “ I Let It in and It Took Everything…“ von LOATHE
Theme
Aggressive Evolution
Broken Vision Rhythm
Two-Way Mirror
451 Days
New Faces in the Dark
Red Room
Screaming
Is It Really You?
Gored
Heavy Is the Head That Falls with the Weight of a Thousand Thoughts
A Sad Cartoon
A Sad Cartoon (Reprise)
I Let It in and It Took Everything…
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