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Martina Bogdahn – Mühlensommer – Review

Dass die Fotografin und Autorin Martina Bogdahn mit „Mühlensommer“ nun in ihrem ersten Roman so anschaulich von ihrem Aufwachsen auf einem Einödhof in Mittelfranken erzählt, ist unter anderem Thees Uhlmann zu verdanken, der sie zum Schreiben ermutigt hat. Das erfährt man erst im Nachwort und es tut inhaltlich nichts zur Sache, aber es zeigt mal wieder, dass es viele unentdeckte Talente gibt, die schöne Geschichten zu erzählen haben. Der Plot des Buches ist schnell zusammengefasst, wir begleiten die Protagonistin Maria, mittlerweile Mutter und in der Stadt verwurzelt, bei einer etwas unfreiwilligen Rückkehr auf den Hof ihrer Eltern.

Aufgrund einer Erkrankung des Vaters ist sie jetzt mit Kind und Kegel wieder mit einem Bein in der Vergangenheit. Sie wird mit Gerüchen und Eindrücken konfrontiert, die einiges in ihr auslösen und die berechtigte Frage aufwerfen, ob das Gestern vielleicht auch für ein schönes Morgen reichen könnte?

Die Höhen und Tiefen des Landlebens

Wir springen gemeinsam mit Martina Bogdahn in „Mühlensommer“ durch die Zeiten, erfahren ihre Kinder- und Erwachsenenperspektive. Wahrscheinlich in Teilen autobiografischen, arbeiten wir uns so schrittweise durch die Höhen und Tiefen des Landlebens. Einerseits stets umgeben von wunderschöner Natur, deren Wandeln man hautnah spüren kann und immer inmitten von vielen Tieren und der engen Familien. Andererseits aber eben auch dementsprechend isoliert und stark eingebunden in die Pflege ebendieser Tiere und die anstrengende Bewirtschaftung des Hofes. Dann gibt es noch die aktuelle Zeitebene, in der aufgelöst wird, dass trotz der Nähe in der Familie längst nicht alles ausgesprochen und geklärt ist. Besonders das Fortführen des Hofes steht als Konflikt im Raum.

Angenehme eskapistische Wirkung

Martina Bogdahn gelingt es sehr gut, in „Mühlensommer“ das Für und Wider gegeneinanderzuhalten. Während des Lesens kann man herrlich teilhaben am beschriebenen Idyll, meint den Bach rauschen, die Vögel singen und die Mühle knattern zu hören. Im nächsten Moment sind wir aber mit in einer blutigen Hausschlachtung, der detaillierten Beschreibung einer Besamung oder dem Ertränken von Katzenbabys konfrontiert. Also schwankt man beim Lesen zwischen einer Vielzahl von Emotionen. Belächelt das Dorfei, neidet im nächsten Momente das Aufwachsen weit weg von Abgasen und Lärm, ist im Wechsel fasziniert und angewidert von den auszuführenden Arbeiten auf dem Hof.

Zurück aufs Land?

Der Konflikt der Protagonistin ist nachvollziehbar, man möchte ihr die Entscheidung nicht abnehmen, ob sie zurück von der Stadt aufs Land ziehen soll. Lediglich mit den Randfiguren hat sich die Autorin etwas übernommen, die hätte es nicht durchweg gebraucht, da sie teilweise nicht ausgefeilt genug und damit verzichtbar sind. Das fällt aber wirklich nur bei analytischer Betrachtungsweise auf. „Mühlensommer“ ist die perfekte Lektüre für entspannende Lesestunden auf dem Balkon, am Strand oder im Schwimmbad, denn die eskapistische Wirkung ist angenehm.

Seiten: 356
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN-10: 3462004786
ISBN-13:  978-3462004786
VÖ: 11.04.2024

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