Modecenter – Altes Glück – Review
MODECENTER, das klingt wie der Ort, an dem Tante Bärbel und Onkel Heinz sich schicke Klamotten in Übergrößen kaufen, um ihr „Altes Glück“ zu feiern. Es könnte nicht gegensätzlicher sein, denn die Wiener Band pendelt musikalisch zwischen ranzigem, basslastigem Grunge und rüde schunkelndem Post-Punk oder sogar Hardcore. Inhaltlich hagelt es unterschwellig Vorwürfe daran, dass die Welt heute so scheiße ist, aber immer im Wechsel mit gesundem Fatalismus und der Hoffnung, dass man was Neues aufbauen kann. Dann, wenn alles kaputt ist. Der Sound von MODECENTER rumpelt im besten Sinne, die aufmüpfige Art und das vehemente nach vorne drücken ist ansteckend.
Bloß nicht zu freundlich wirken
MODECENTER eröffnen ihre Platte „Altes Glück“ mit „New Desire“, einem wütend stampfenden Slow-Pogo, der sich zum Ende hin richtig in Rage spielt. Der Bass spielt zum Glück eine wesentliche Rolle bei allen Songs, knattert und knurrt sich zwischen jegliche aufkeimende Harmonie und basst diese gnadenlos weg. Auch der Gesang mäht in jedem Moment genau dann dagegen, wenn so mancher Melodiebogen zu freundlich wirken könnte. Die Texte sind mitnichten unwesentlich, ganz im Gegenteil. Aber im Vordergrund steht ganz klar immer der dominante Sound, der unbeirrt nach vorne bollert, sobald er mal aufgezogen ist. MODECENTER wirken wie eine hart arbeitende Band, der Batz klingt so, als ob er nicht leicht in Gang zu bringen wäre. Von filigranen Soundscapes kann nicht die Rede sein, „Altes Glück“ repräsentiert eine gewisse Schwerfälligkeit, die mit viel Aufwand in Gang gebracht wird, dann aber nicht mehr zu stoppen ist.
Verarbeiten, was man aufnimmt
Aus Scheiße Gold machen, wäre vielleicht ein zu hoch gespielter Ansatz. Aber MODECENTER verarbeiten ganz deutlich ihre Wahrnehmung dessen, was bei ihnen ankommt. Das wandeln und transferieren sie in ihren eigenen musikalischen Kosmos um. Genau deshalb klingt „Salto“ wie wütender und komplett gegen den Strich gebürsteter Austropop, dem der schief sitzende und verschrobene Gute-Laune-Hut vom Kopf geweht wird. Wütend gedroschene Drums und unerbittlich bratende Riffs tun ihr übriges, um bloß nicht zu einladend zu wirken.
„Kalter Rauch“ wirkt dann eher wie ein gut inszeniertes Theaterstück, das sich eindeutig als Pogo-Vorlage anbietet und im Verlauf mehrfach selbst abstößt. Es ist eigentlich egal, worum genau es in dem Text geht, denn David Bauer begeistert in erster Linie mit seinem engagierten Vortrag. Wenn er davon singt, dass er keine Geduld hat, dann verdeutlicht er das im Subtext mindestens genauso deutlich, wie über seine Worte. Bei „Zwischen den Zeilen“ sollte man allerdings etwas genauer hinhören, denn hier sind MODECENTER in jeglicher Hinsicht ohne doppelten Boden unterwegs. Ein Song wie eine Kopfnuss, live garantiert ein Hochgenuss.
Unmittelbarer Sound, live garantiert sehenswert
Aufgenommen wurde „Altes Glück“ von MODECENTER von Werner Thenmayer im Elephant West Studio, mit Sicherheit ist hier vieles live eingezimmert und wenn nicht, dann an dieser Stelle ein großes Lob für diesen unmittelbaren Sound. Man hat wirklich den Eindruck, die Band würde im Nebenzimmer gerade eine Show spielen. Und zwar mit allen Vor- und Nachteilen, zum Beispiel auch mit der Tatsache, dass der Gesang häufig in der zweiten oder sogar dritten Reihe steht und richtig gegen den Sound der Band ankämpfen muss. Mit Sicherheit ist das ein maßgebliches Argument dafür, dass man MODECENTER unbedingt live sehen muss, sobald sich die Gelegenheit bietet.
Dauer: 31:15
Label: Siluh Records
VÖ: 10.05.2024
Tracklist „Altes Glück“ von MODECENTER
Endurance Eurodance
Salto
Dreck
Kalter Rauch
Zwischen den Zeilen
Tremor
The Days
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