Pascow – SIEBEN – Review
Mit „SIEBEN“ legt die deutsche Punkrockband PASCOW ihr siebtes Album seit ihrer Bandgründung 1998 vor. Und es gibt vieles, was einem bei dieser Band sofort auf der Zunge liegt: Saarland Asozial, Schalalalala. Wir sind Pascow mit P aus Gimbweiler mit G oder Ihr Ficker. Mit diesem Album beweist das Quartett aber erneut – und dieses Mal so deutlich, dass es wirklich niemand mehr überhören kann -, dass sie nicht nur ihren ganz eigenen Stil geprägt, sondern vor allem Fähigkeit zur echten Weiterentwicklung haben. Und zwar ohne Stiefellecken beim Mainstream und ohne formelhaftes Vorgehen.
Meistens gewinnen nicht die Besten, sondern die, die es am meisten wollen. Und man hört PASCOW auf dieser Platte ganz besonders an, dass sie diese Band wollen, dass sie diese Musik machen müssen. Deshalb sind die 36 Minuten über das Gleichmachen von Kunst, menschenverachtende Politik, die Liebe, den dauerhaften Eskapismus und das Hadern mit dem Außenseitersein, aufgeladen mit echter Power und getrieben von einer Aufrichtigkeit, die man nicht vorspielen oder mit Geld kaufen kann. Es lebe die Spitze des Underground, „wird nur für mich und ein paar andere Spinner sein“!
Gottes Werk und unser Beitrag
Das Artwork von PASCOWs neuer Platte „SIEBEN“ hallt nach. Der Blick des Mädchens ist enttäuscht und bestechend zugleich, noch dazu in erschreckender Weise neutral und abgekämpft. Dieses Bild aus der Fotoreihe von Dorothea Lange anlässlich der Great Depression, dokumentierte die Armut in Amerika Anfang der Dreißigerjahre. Dass die Weltordnung the fuck ist, wissen wir alle. PASCOW erinnern uns und sich selbst auf „SIEBEN“ mehrfach daran, wie krampfhaft wir die Augen vor allem Leid verschließen. Wie wir uns aber gleichzeitig gewissenhaft informieren, aus dem Stand komplexe Referate über Dies und Das halten könnten.
Sänger, Texter und Gitarrist Alex ist auf „SIEBEN“ so nah bei sich, so ehrlich mit uns, wie noch niemals vorher. Das führt seinen Vortrag auf ein bisher nie erreichtes Intensitätslevel. In „Grüsst Eve“ bringt er den Trümmerhaufen aka Status Quo so pointiert auf den Punkt und trägt es derart überzeugt vor, dass man kurz befürchtet, er würde in der nächsten Sekunde durchknallen. Vieles bewegt sich auf „SIEBEN“ am Limit. PASCOW formulieren keine letzte Warnung mehr, sie sind schon dabei, ihre Taschen zu packen, um sich auf den Weg zu machen. Alex fasst es bitterböse zusammen: „Niemand spricht jetzt noch von morgen“ oder „Und endlich war es still.“
Am Ende wartet die Liebe
Während man sich im Bandfilm „Lost Highway“ noch an Bassist Flo als denjenigen erinnert, der richtig ackern musste, um mitzuhalten, nimmt man ihn jetzt als eine der wichtigsten Eckpfeiler des Sounds wahr. Er hält die Basis dicht und zurrt den Sound in Teamarbeit mit Ollo eng und felsenfest. Auch Swen, von jeher zuständig für diese unbeschreiblichen Gitarrenmelodien, die er simpel wirken lässt und mit denen der PASCOW-Sound umwoben werden muss, um wirklich the real PASCOW zu sein, liefert supreme ab. Sein Solo in „Die Unsichtbaren“ kann es mühelos mit einem Ian D’Sa von BILLY TALENT aufnehmen und auch das herrliche Western-Blues-Interlude „Zugausweichen“ geht wieder auf sein Konto.
Diese ausdrucksstarken Texte nicht nur zu flankieren, sondern selbst herausstechen zu können, ist mit Sicherheit keine leichte Aufgabe. Aber auch rein instrumental legen PASCOW mit „SIEBEN“ ordentlich zu. Im krachfink.de Podcast erzählt die Band von einer Songwritersession, die sie zum ersten Mal gemacht haben. Völlig ergebnisoffen wollten sie sehen, ob und was das bringt. Das Ergebnis liegt uns nun vor und präsentiert die sogenannte Extrameile.
Man kann und PASCOW haben
Wie genau man sich weiterentwickeln kann, zeigen PASCOW mit einem auffällig herausstechenden Song wie „Mailand“. Echte Streicher verstärken die Band und Alex wird gezwungen seine Kritik zu singen, statt zu krakeelen. Die dadurch entstehende Diskrepanz, da der Text mitnichten abgeschwächt wurde, verleiht der Band eine ganz neue Wucht und der Komposition eine niemals dagewesene Dynamik. Aber die tatsächliche Weiterentwicklung spiegelt sich in der detailverliebten Ausarbeitung der Lieder wieder.
PASCOW entsprechend mit „SIEBEN“ ihren eigenen Worten aus dem Song „Merkel-Jugend“: „Punk ist bei Licht auch nur das, was man macht.“ Lange dachte ich, dass man „Diene der Party“ nicht toppen kann. Falsch gedacht, man kann und PASCOW haben.
Dauer: 36:24
Label: Kidnap Music
VÖ: 27.01.2023
Tracklist „SIEBEN“ von PASCOW
Himmelhunde
Königreich im Winter
Monde
Gottes Werk und Teufels Beitrag
Grüßt Eve
Die Unsichtbaren
Mailand
Ich bin klar
Daniel & Hermes
Tom Blankenship
Zugausweichen
Von unten nichts Neues
Vierzehn Colakracher
Boris Blocksberg
Artikel, die euch interessieren könnten:
PASCOW und MOBINA GALORE, live im Substage Karlsruhe, 04.04.2023
Podcast Folge 93 mit PASCOW zum Album „SIEBEN“
SCHERBEN- Domestiziert
POGENDROBLEM – Alles was ich noch habe sind meine Kompetenzen
WIR SIND FLIEGEN – Nicht mein Land
Podcast Folge 79 mit Karl und Jörkk von LOVE A über “Meisenstaat”
SUCK – Ribbit
krachfink.de Jahresrückblick 2019
WIR SIND FLIEGEN – Nicht mein Land
TURBOSTAAT – Uthlande
MUFF POTTER – Bei aller Liebe
Podcast Folge 72 mit LOVE A über die bisherige Bandgeschichte
Jan Müller, Rasmus Engler – Vorglühen
Interview mit Jan von TURBOSTAAT zu “Uthlande”
KAPTAIN KAIZEN – Alles Und Nichts
GOLDZILLA – Goldzilla vs Robohitler
RAZZIA – Am Rande von Berlin
Festivalbericht vom Angst macht keinen Lärm Festival 2019 im Schlachthof Wiesbaden
LEITKEGEL – Wir sind für dich da
SCHRENG SCHRENG & LA LA – Alles muss brennen
THEES UHLMANN – Junkies & Scientologen
AKNE KID JOE – Die große Palmöllüge
LÜT veröffentlichen Videos zu “Mersmak” und “Viepå”
Gemischte Tüte mit AKNE KID JOE
Podcast Folge 30 mit VANDALISMUS über “Bombers From Burundi”
Platte des Jahres. Punkt. 😍