Petra Pellini – Der Bademeister ohne Himmel – Review
Petra Pellini legt mit ihrem Roman „Der Bademeister ohne Himmel“ ein packendes Buch vor, das bemerkenswert einfühlsam zwischen heiteren und traurigen Momenten pendelt. Linda hat ihr Leben satt, dabei hat sie es als Teenagerin erst noch vor sich. Ihr Umfeld findet sie anstrengend, den demenzkranken Nachbarn Hubert und seine feinfühlige Pflegerin Ewa allerdings nicht. Im Umgang mit ihm bringt sie Geduld auf, die Besuche in der Nachbarwohnung sind für sie gute Gelegenheiten, um sich nicht mit ihrer alleinerziehenden Mutter und deren neuen Liebe auseinanderzusetzen.
Der Tod ist allgegenwärtig
Das Thema Tod ist in „Der Bademeister ohne Himmel“ von Petra Pellini allgegenwärtig und trotzdem ist die Stimmung beim Lesen nicht zwangsläufig bedrückend. Die Momente, in denen Linda darüber nachdenkt, was passieren würde, wenn sie plötzlich nicht mehr da wäre, welche Gedanken sie sich über die Zeit danach macht, sind stark philosophisch. Die Momente mit ihr, Hubert und Ewa sind herzerwärmend, drei vollkommen unterschiedliche Menschen treffen sich in diesem Vakuum der Wohnung und geben einander Halt. Wenn sie Hubert durch Erzählreisen zurück in seine aktive Zeit als Bademeister katapultiert, kann man die planschenden Kinder hören, die Sonne spüren und das Gras der Schwimmbadwiese riechen.
Auch Ewa ist auf der Suche und mit Gedanken in ihrer Heimat Polen. Isolation, das Gefühl sich anders und fremd zu fühlen, das können alle Drei nachvollziehen, das verbindet sie. Der Nachtfalter, die Tochter von Hubert, hat wieder eine ganz andere Taktik, um damit umzugehen, dass ihr Vater nach und nach verschwindet. Und dann ist da noch Kevin, der einzige Freund von Linda, und dessen Mutter Sara. Auch um ihn sorgt sich Linda: Wie würde er es verkraften, wenn sie tatsächlich ihr Leben beendet? Die Anzahl der Personen in „Der Bademeister ohne Himmel“ ist überschaubar, man wird ganz schnell in diese kleine Welt integriert, lernt alle gut kennen und denkt man könnte die Motive und den Verlauf der Geschichte überschauen. Die Ähnlichkeit des Buchcover zu „Der große Sommer“ von Ewald Arenz mag Zufall sein, aber tatsächlich trifft Pellini einen vergleichbaren Ton für ihre Geschichte.
Überraschendes Ende, das die Verhältnisse neu ordnet
Die Autorin war selbst in der Pflege demenzkranker Menschen tätig, man merkt das an fachlichen Feinheiten und den vielfältigen Bewältigungsmöglichkeiten, die Unerfahrene nicht so im Detail kennen können. Das Schöne an „Der Bademeister ohne Himmel“ ist wahrscheinlich, dass den Leserinnen und Lesern mit jeder Seite klarer wird, dass Glück und Unglück eng nebeneinander liegen, sich alles gegenseitig bedingt und am Ende alles anders kommt, als man denkt. Man muss weder demenzkrank noch pflegerisch tätig und auch nicht mehr im Teenageralter zu sein, um durch den Roman selbst über den Sinn des Lebens ins Grübeln zu kommen. Das Ende von „Der Bürgermeister ohne Himmel“ von Petra Pellini ist dann überraschend und ordnet die Verhältnisse neu. Ein tolles Buch.
Seiten: 320
Verlag: Rowohlt Verlag
ISBN-10: 3463000687
ISBN-13: 978-3463000688
VÖ: 13.07.2024
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