Joseph Boys Rochus Albumcover

Joseph Boys – Rochus – Review

Die JOSEPH BOYS aus Düsseldorf kommen mit ihrem ersten Album “Rochus” um die Ecke. Um dem Kunstgedanken gerecht zu werden, der von allem mindestens zwei Deutungen zulässt, ziert das Cover die Rochuskirche in Düsseldorf und gleichzeitig ist Rochus ein Synonym für Wut und Ärger. Schon der Opener “Freizeitstätte Garath” positioniert sich ganz klar unklar. Die Gitarren geben sich gegenseitig Alarmsignale, bis der Takt über den Song hereinbricht. Es geht um die, ursprünglich mit gutem Willen errichtete, Trabantenstadt im Düsseldorfer Stadtteil Garath.

Was die BOYS sehen

Um Klassenunterschiede und die Tatsache, dass Selbstbetroffene sich mit dem unterstellten Proletariersein zwangsläufig arrangieren und sogar anfreunden. Sich konkret auf eine Seite zu schlagen, ist sowieso nicht das Ding der JOSEPH BOYS. Sänger Andi A. beschreibt einfach nur, was er sieht, kommentiert selten und schon gar nicht wertend. In “Geisterbahn Königsallee” skizziert er seinen Eindruck von der übergroßen Schere zwischen Arm und Reich, die dort besonders gut zu beobachten ist. Meistens konterkariert die Musik die Aussage, manchmal unterstreicht sie allerdings auch die bittersüßen Beschreibungen (z.B. “Logische Obsoleszenz”, “Steuerklasse Vier Vier”) oder schunkelt wütend, aufbrausend und mit den Gitarren drohend (“Vernunft”).

‚Wir Rabauken und Proleten, können gut mit unserem schlechten Image leben‘

Ungewöhnlich klar ist nicht nur die Artikulierung von Andi A., sondern auch seine unverkopfte Wortwahl. Wahrscheinlich neigt man deshalb dazu, den JOSEPH BOYS Wiederbelebungsversuche der Neuen Deutschen Welle zu unterstellen. Beabsichtigt hat die Band das allerdings nicht, Schlagzeuger Michael nennt als Idole viel eher Joey Castillo und die Jazzlegende Paul Kuhn. “Rochus” richtet abwechselnd sein Licht auf unterschiedliche Wahrheiten. Ist es die fiktionale, die gefühlte, die geschönte, die echte oder doch nur Deine Wahrheit? Die “Logische Obsoleszenz” befasst sich mit der Tatsache, dass Firmen Soll-Bruch-Stellen in Geräte einbauen.

Es handelt sich dabei um bewusst kalkulierte Defektmomente, die den Besitzer dann zum Kauf eines neuen Gerätes nötigen. Untermalt von der durchweg hitzigen und äußerst tanzbaren Musik, entwickeln JOSEPH BOYS mit “Rochus” einen angenehmen Sog. Mit der unverschämten Eingängigkeit eines Mickie Krause bringen die BOYS aus D-Dorf ihre Tiraden an den Mann oder die Frau. Während Krause dabei platt wie eine dampfgewalzte Flunder ist, meinen die JOSEPH BOYS die Dramen ernst und bleiben stets niveauvoll. Oder sie stellen einfach mal zur Debatte, was überhaupt wirklich ein Drama sein sollte und was nicht (“Drama Drama”).

JOSEPH BOYS? Kauf ich, kauf ich. Muss ich haben.

Das meiste auf “Rochus” ist auf die Gesellschaft übertragbar, einzelne Songs regen eher zur Auseinandersetzung nach innen an (“Vernunft”, übrigens mit feingeistigem Outro!). Wenn gestandene Kerls zusammen Musik machen, ist das grundsätzlich gut. Aber den JOSEPH BOYS scheint etwas ganz dringend unter den Nägeln zu brennen und diese Vehemenz spürt man in jedem Ton, in jedem Song. Man hört den Mitgliedern die langjährige musikalische Erfahrung sofort an. Keine generische Scheiße, keine unrealistischen Ambitionen, es ist eher der pure Zwang und Drang sich Ausdruck zu verschaffen.

Genau deshalb ist “Rochus” eine, inhaltlich und musikalisch, sehr wertige Platte. Leck mich en de Täsch – so lässt man sich gerne anschimpfen. Ähnlich wie KONTROLLE aus Solingen sind JOSEPH BOYS endlich mal wieder ein Punkband, die einen anderen musikalischen Ansatz verfolgt. Weg von den kryptischen Aussagen, direkt und gerade heraus, aber trotzdem mit Hirn versteht sich.

Passt gut zu, …
Rabauken und Proleten mit Kunstsinn.

Tracklist “Rochus” von JOSEPH BOYS
Freizeitstätte Garath
Fundbüro
Geisterbahn Königsallee
Waschen Schneiden Legen
Logische Obsoleszenz
Vernunft
Genius Bar
Cortina D’Ampezzo
Drama Drama
Steuerklasse Vier Vier
Allegleich

Dauer: 30:48
Label: Flight 13 (Broken Silence)
VÖ: 26.04.2019

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