Linus Volkmann -Sprengt die Charts! Wie werde ich Popstar (und warum?) – Review
Linus Volkmann – seines Zeichens nicht nur Autor, sondern auch anerkannter Musikjournalist und ganz offensichtlich ein echter Volk-Man – fordert uns zur Anarchie auf. „Sprengt die Charts! Wie werde ich Popstar (und warum?)“ heißt sein neues, 120 Seiten starkes Buch. Falls mit Charts die Autotuneverseuchte mit Keyboardfolter und Deutschrockbands angereicherte Aufzählung gemeint ist, aus der ich mittlerweile 11 von 5 Bands sowieso nicht kenne, möchte ich hiermit dringend davor warnen und dem Autor unterstellen, dass er nur Spazz macht. Aktuell auf Platz 1 der Deutschen Singlecharts sind RAMMSTEIN mit dem Song „Deutschland“, noch Fragen?
„A popstar is a person who is famous for singing pop music.“
Grinsen können über „Sprengt die Charts! Wie werde ich Popstar (und warum?)“ wahrscheinlich viele, richtig herzhaft (und auch etwas beschämt) lacht aber nur die angesprochene Randgruppe. Die Schreiberottos, die tatsächlich die irrwitzigen Waschzettel über Bands bekommen. (Mein Favorit ist übrigens: „Die Band teilte sich schon die Bühne mit… Setze hier bekannte Bands ein, die zufällig abends auf dem gleichen Festival gespielt haben, das deine Band um 10:30 vor fünf Besoffenen und den Aufbauern der Fressbuden eröffnet hat„.) Oder an die, die tatsächlich jedes Jahr zu Rock am Ring fahren. Die sich tatsächlich einreden, dass es cool ist mit Mitte 30 seinen ganzen Kram in mehreren Etappen vom Auto auf einen staubigen Zeltplatz schleppen zu müssen. Die sich während des Festivals, mit einem Tetrapak mit Klebebandschlaufe (!) über der Schulter, die ganze Zeit heimlich ‚Was mache ich hier eigentlich?‘ fragen, sich dann aber zwei Tage später beim Anschauen des geschönten, hippen Mitschnitt auf Arte oder SWR3 wie Kriegsveteranen fühlen. ‚Muaaah, ich war dabei! Ok, ich habe es währenddessen gehasst, aber ich war dabei. Ich bin so cool, dass ich es selbst kaum aushalte.‘
Im Namen des Volk-Man ergeht folgendes Urteil…
Um die Übersicht zu wahren, hat Volkmann seine Kapitel auch meistens in nummerierte Listen unterteilt. „Sprengt die Charts! Wie werde ich Popstar (und warum?)“ ist äußerst locker zu lesen und in 2 Stunden durch. Besonders gut gefallen mir die Helge-Schneider-esken Illustrationen zur Einleitung der Kapitel und die Comicstrips der Schinken Omi. Das Kapitel „Schieb Optik, Otter“ erklärt anhand von Fotos, wie groß die Diskrepanz zwischen Außen- und Fremdwahrnehmung auf Instagram ist. Nach einigen Erklärungen zu typischen Instagramfotos, unter Beachtung der Ausgangsfrage „Was Du glaubst, was Deine Follower denken, wenn Du dieses Motiv postet… (und was es wirklich ist…)“, postet der Autor seine eigene, kommentierte Fotoreihe. Ich sage mal so… er glaubt sicher, dass seine Follower denken, es sei witzig und eloquent zugleich. Und was es wirklich bedeutet, wird wohl auch jeder anders beurteilen. Scheiß Psychologie, scheiß Spiegel.
„Sprengt die Charts! Wie werde ich Popstar (und warum?)“ von Linus Volkmann ist eigentlich die Buchversion von „Kein Pardon“ für Musikredakteure, die doppelte Ebene wird eben nur Betroffene erreichen. Ist aber auch ganz lustig, wenn zwei Leute über den einen Witz aus unterschiedlichen Gründen lachen können. Kleine Randnotiz: Sucht man „Sprengt die Charts! Wie werde ich Popstar (und warum?)“ beim bösen Amazon, wird der Roman „Strandkörbchen und Wellenfunkeln“ empfohlen. Es geht um Lisa, die sich ihren Traum von einer eigenen Tierarztpraxis erfüllt hat. Was das nun mit Linus Volkmanns Buch zu tun hat, weiß nur der Algorithmus.
Seiten: 120
Verlag: Ventil Verlag
ISBN-10: 3955751112
ISBN-13: 978-3955751111
VÖ: 01.03.2019
Ein Interview mit Linus Volkmann über Festivals, Verrisse, Feminismus und Autotune findet ihr hier.
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