Ulf – Es ist gut – Review
ULF aus Hamburg stapeln lieber tief und nennen ihr erstes Album „Es ist gut“. Reine Untertreibung, denn obwohl alle Zeichen auf die üblichen Verdächtigen deuten, sind ULF überraschend eigenständig. „40+“ geben ULF auf ihrem Instagram-Account an, eventuell muss man die gewissen Lenze erreicht haben, um so reflektiert und sprachlich klar, wütend und enttäuscht zu sein. Hektisch und angenehm disharmonisch drängeln sich ULF mit „Geister“ aus der Anlage und schon beim großartigen Refrain wird klar, dass das nicht nur gut, sondern richtig geil wird.
ULF und wir sind in Wut verschworen
‚Jamma nicht‘, so heißt es in dem Song „Schreibmaschine“. Wer durchweg weinerliche und destruktiv-traurige Bands nicht ab kann, ist bei ULF genau richtig. ULF drücken nicht auf die Tränendrüse, frönen stattdessen dem Untergang. „Komm los, pack die Sachen ein. Messer, Schlüssel, Wein.“ ruft der Chor mit Schmackes in „2 Tage“, einem melancholischen Aufbruchssong. Wenn schon in die Kreissäge springen, dann bitte lachend und mit Anlauf. Claudius singt jeden Song so aufrichtig und engagiert, dass man gerne seinen kleinen Geschichten folgt. Besonders berührend und für mich der kleine Hit ist das Lied „Bei den Alten“.
Der Text symbolisiert gut, wie feinfühlig ULF wirklich sind, wie direkt und genau sie die Dinge ganz ohne Fremdwörter und Verschachtelungen auf den nüchternen Punkt bringen. Wann wird es endlich wieder so, wie es nie gewesen ist? Wahrscheinlich ist das auch ein Ü40-Ding, diesen Schwermut nachvollziehen zu können. Die Gitarristen Arne und Joern tragen den Song mit einem kleinen Drama zu Grabe, während die letzten Worte von Claudius noch fragend in der Luft hängen. In „Ostwind“ darf Bassist David nach vorne, er legt das massive Fundament für den kalten und hoffnungslosen Takt.
„Wenn der Regen kommt, geb‘ ich Dir ’shelter from the storm'“
„Eule“ ist – mal abgesehen vom trotzigen Refrain – schon fast poppig, die Strophen und die Wohooo-Chöre sind gemessen am Rest schon radiotauglich. Und schon wieder ein Metallophon am Ende, erfährt dieses Instrument gerade ein Revival? Mit dem Outro von „Graue Eichen“ beweisen ULF aber, dass sie durchaus Humor haben und ihnen die Fröhlichkeit nicht gänzlich abhandengekommen ist. Also Bierchen äh ULF, es ist nicht nur gut. Es ist richtig gut. Bleibt nur noch die Frage, warum das so lange gedauert hat mit dem ersten Album. In „Heilige Handgranate“ spielen Musik und Inhalt krass gegeneinander, Sarkasmus ist ULF also auch nicht fremd. Ein bitteres Hoch auf die Generation Eigenheim. Braucht es also noch die drölfste Band, die wie TURBOSTAAT, ANGESCHISSEN, CAPTAIN PLANET und DÜSENJÄGER klingt. Verdammte Scheiße, ja!
Für Leute, die…
ULF von ALF unterscheiden können.
Dauer: 34:32
Label: Moments Of Collapse Records / Broken Silence
VÖ: 12.04.2019
Tracklist „Es ist gut“ von ULF
Geister
Graf Grauenstein
Schreibmaschine
2 Tage
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Bei den Alten
Weil ich was will
Eule
Graue Eichen
Heilige Handgranate
Ostwind
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