Lest die Review zu "Von hier an anders" von Robert Habeck bei krachfink.de

Robert Habeck – Von hier an anders – Review

“Von hier an anders” ist nicht das erste Buch von unserem aktuell amtierenden Vize-Kanzler Robert Habeck. Es gibt sprachlich kaum Abweichungen von seiner Ausdrucksweise auf den Bühnen der Republik und dem angeschlagenen Ton in seinem Buch. Man merkt eben deutlich, dass Habeck Philosophie, Philologie und Germanistik studiert hat, das spielt sich in seinen Ideen und in seiner gedanklichen Flexibilität wider und strahlt außerdem eine angenehme Ruhe aus.

Die von ihm häufig zitierte Hannah Arendt taucht überraschenderweise erst in den letzten Kapiteln auf. Dank einem nachträglichen zugefügten Teil, erlebt man ihn mit und ohne Regierungsverantwortung. Und merkt glücklicherweise keinen Unterschied.

Nach oben bedingt nach unten

Robert Habeck weiß natürlich genau, wie er seinen Gedanken in “Von hier an anders” bildlich veranschaulichen kann. So führt er ziemlich schnell den Paternoster-Vergleich ein, der verdeutlichen soll, dass es immer ein Zusammenspiel gibt. Wenn es für den Einen nach oben geht, geht es für den Anderen nach unten. Wenn eine Entscheidung positive Auswirkungen hat, provoziert sie auch negative Folgen. Auch seine Sympathien für die Landwirtschaft kommen natürlich zum Tragen. Obwohl Habeck klare Grenzen zieht, zum Beispiel nach rechts, ist er stets ernsthaft darum bemüht, ein offenes Ohr für möglichst alle zu haben und hat Verständnis für Wut in der Bevölkerung.

Natürlich führt er positive, aber auch negative, Beispiele an, die von seinem politischen Handeln bedingt waren. Bei einigen Vergleichen oder Utopien merkt man allerdings, dass sie schlichtweg nicht seiner Lebensrealität entsprechen und er sich stark an der Theorie und der guten Idee festhält. Eine Gesamtschule ist beispielsweise nicht per se eine Einrichtung, die Klassenunterschiede aufhebt und tatsächlich Chancengleichheit garantiert. Finanzielle Mittel, das private Umfeld und auch die Tatsache, dass selbst dort in Leistungskurse unterteilt wird, sprechen dagegen.

Die Definition von Macht und Wirkung von Gefühlen

Besonders interessant sind seine Überlegungen zur grundsätzlichen Definition von Macht, ihrer Zusammensetzung und der Macht vom Gefühlen im politischen Diskurs. Robert Habeck möchte natürlich mit “Von hier an anders” in erste Linie seine Vision unters Volk bringen, einige Ansätze sind sehr interessant. Er formuliert klar und deutlich, wo er Probleme auf uns zukommen sieht und versucht, die Demokratie so zu interpretieren, wie sie ursprünglich gedacht war – vom Volk ausgehend. Habeck gibt auch zu, dass und wo es Grenzen für Politikerinnen und Politiker gibt. Ein ermutigendes Buch, von einem der Lösungen anbietet, diese aber auch nur in der Gemeinschaft durchsetzen kann. Interessant für alle, die in den letzten Jahren politikverdrossen wurden.

Erschreckend ist allerdings die Tatsache, wie überholt einige davon im Hinblick auf die Dringlichkeit erscheint, da die jüngsten Ereignisse uns überrannt haben. Aber der Buchtitel löst natürlich auch bewusst nicht auf, von wem “Von hier an anders” ausgeht.

Seiten: 384
Verlag: KiWi-Taschenbuch
ISBN-10: 3462002899
ISBN-13:  978-3462002898
VÖ: 07.04.2022

Artikel, die Dir gefallen könnten:
Ulrike Herrmann – Das Ende des Kapitalismus – Warum Wachstum und Klimaschutz vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden 
Nico Semsrott – Brüssel sehen und sterben: Wie ich im Europaparlament meinen Glauben an (fast) alles verloren habe
Sara Weber – Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?
Vanessa Nakate – Unser Haus steht längst in Flammen: Warum Afrikas Stimme in der Klimakrise gehört werden muss 
Bettina Weiguny – Denn es ist unsere Zukunft
Dana Buchzik – Warum wir Familie und Freunde an radikale Ideologien verlieren – und wie wir sie zurückholen können
Sibylle Berg – Nerds retten die Welt. Gespräche mit denen, die es wissen
Alina Bronsky – Der Zopf meiner Großmutter
Christoph Amend – Wie geht’s Dir Deutschland?
Sascha Lobo – Realitätsschock: Zehn Lehren aus der Gegenwart
Danny Kringiel – Wie Hitler das Skateboard erfand
Esther Safran Foer – Ihr sollt wissen, dass wir noch da sind
Rutger Bregman – Im Grunde gut
Patrisse Khan-Cullors – #BlackLivesMatter
Anja Rützel – Schlafende Hunde: Berühmte Menschen und ihre Haustiere
David Schalko – Schwere Knochen
Johan Harstad – Max, Mischa und die Tet-Offensive
Sarah Kuttner – Kurt
Joachim Meyerhoff – Hamster im hinteren Stromgebiet
Linus Giese – Ich bin Linus: Wie ich der Mann wurde, der ich schon immer war
Aladin El-Mafaalani – Das Integrationsparadox: Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt
Sophie Passmann – Komplett Gänsehaut
Nils Zeizinger – On Stage: Wie du jede Rede rockst – von der Präsentation zur Performance
Dirk Neubauer – Rettet die Demokratie! Eine überfällige Streitschrift
Martin Steinhagen – Rechter Terror: Der Mord an Walter Lübcke und die Strategie der Gewalt 
Erik Marquardt – Europa schafft sich ab: Wie die Werte der EU verraten werden und was wir dagegen tun können
Ursula Weidenfeld – Die Kanzlerin, Porträt einer Epoche

Robert Habeck bei Instagram

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert