Schubsen – Das Öffnen der Visiere – Review
SCHUBSEN melden sich mit „Das Öffnen der Visiere“ zurück und schon nach dem ersten Durchlauf der düsteren Punkplatte, will man das Visier für immer verschließen und sich einfach nur hinlegen. Guddnachd, würde der Franke sagen. Nun war die Band nie vergnügungssteuerpflichtig und richtet ihre verschachtelten Texte und hakeligen Songstrukturen schon immer dahin, wo es stinkt und ungemütlich wird. Anders als Vergleichsbands wie TURBOSTAAT und Co, haben SCHUBSEN aber offensichtlich nicht den Anspruch, dass alle da mit einem guten Gefühl herausgehen, alleine das Artwork macht mich schon fertig. Texter und Sänger Krupski orientiert sich am Rakutschen Sprechgesang, ist aber noch eine Spur analytischer und garstiger, eigentlich erinnert er eher an einen komplett desillusionierten Oswald Henke. Kerninhalt von „Öffnen der Visiere“ sind die Fragen nach dem Wann, Wie und Was?
Wie soll man das beschreiben, wie soll man das erklären?
SCHUBSEN starten das „Das Öffnen der Visiere“ mit einem Basslauf, der (vielleicht) unbeabsichtigt an die Kindersendung Rappelkiste erinnert. Genau das ist eines der Begehren der Band, andere dazu zu motivieren, zumindest gedanklich mal was ein bisschen Randale zu starten, einfach übern Rasen zu latschen und sich Gedanken über den Wahnsinn zu machen. Wo der beginnt, weiß laut Krupski niemand. SCHUBSEN liefern aber auch keine konkreten Antworten. Ging es bei der letzten EP „Sprachfetzen“ noch darum, die Sprache als Ausgangspunkt von Hass und Start für die Manifestation unguter Gedanken auszumachen, schauen sich SCHUBSEN jetzt in alle Richtungen um. Es ist kompliziert geworden.
Alleine der Albumtitel reicht ja schon beide Hände in beide Richtungen. Die einen öffnen die Visiere immer weiter, heraus brodeln Hass und Angst, sehr viel Meinung und noch weniger Ahnung. Wieder andere verschließen sich, schauen nicht hin und bewusst weg, tragen nichts bei und verändern deshalb auch nichts. Oder um mal die IDLES, abseits der spaßigen Hooks, zu zitieren: „Not a single thing has ever been mended. By you standing there and saying you’re offended„.
Den Aufprall in die Einzelteile zerlegt
Die theatralische Note des Gesangs, war schon immer ein Riesenvorteil von SCHUBSEN. Und besonders schön sind die Momente, in denen die Instrumentierung und er in einen echten Zielkonflikt kommen. „Muss ich den alles sein?“ wirft die Zuhörenden hin und her, ein erbarmungsloses Schunkeln zwischen Hoffnung und Abgrund. Die Band tut gut daran, den Kontrast so groß wie möglich zu halten. Hat man sich darauf eingestellt, dann wirken Songs wie funkige „Die Frage“, das klatschende „Latenter Blick“ oder das bassbrummende „Türme“ schon beinahe gut gelaunt. Tanzbar sind die Songs von SCHUBSEN allemal, die Wirkung wird jedes Mal eine andere sein. Und besonders gelungen sind die Momente, in denen sich die Instrumente richtiggehend losreißen und frei schweben („Dunst & Moment“, „Der rote Faden“). Hier zeigt sich die wahre Stärke dieser Band, die auch ohne das Worte intuitiv etwas Intensives weitergeben kann.
Alles scheiße, alle weitermachen
Ob „Das Öffnen der Visiere“ eine Einstiegsplatte für Post-Punkfans ist, sei mal dahingestellt. Dafür sind SCHUBSEN wohl doch zu schroff, zu abweisend und zu schonungslos. Wenn man mit ihnen vertraut ist, ist es allerdings wie nach Hause kommen und noch dazu lebt die Musik der Band von einer angenehmen Zeitlosigkeit. „Haus der Gewalt“ könnte locker von RAZZIA oder AUSBRUCH stammen, die Metapher eines Hauses sprengt mittlerweile allerdings auch die komplexe Problemstellung, vor der wir als Gesellschaft stehen.
Riskiert mal ein Ohr in die neue Platte von SCHUBSEN und seid euch sicher: Nach „Das Öffnen der Visiere“ seid ihr auf jeden Fall nicht dümmer, als davor.
Dauer: 34:57
Label: Flight 13 Records
VÖ: 17.05.2024
Tracklist „Das Öffnen der Visiere“ von SCHUBSEN
Leben in Schleifen
Im Zwiegespräch
Muss ich denn immer alles sein
Die Frage
Haus der Gewalt
Türme
Das Klirren
Dunst & Moment
Latenter Blick
Maschen, Maschen
Roter Faden
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