Sibiir – Undergang – Review
Schlechte Prognosen, gut vertonen, sowas können Bands wie SIBIIR einfach bemerkenswert gut. Auch die neue Platte „Undergang“ erschafft eine gleichermaßen bedrohliche wie bestechende Szenerie, die trotz dystopischer Grundlage Spaß bringt. Black Metal und Hardcore passen einfach perfekt zusammen und SIBIIR haben sich aus beiden Genres lediglich das Beste kombiniert und daraus ihren niederschmetternden Batz-Sound geklöppelt. Man hört deutlich, dass SIBIIR sich am norwegischen Untergrund orientieren, ihre Songs sind allesamt zwar gut durchdacht und ansprechend inszeniert, aber trotzdem in den richtigen Momenten roh und ungeschliffen. Die Kompositionen sind aber dieses Mal deutlich intensiver und kleinteiliger, was wahrscheinlich daran liegt, dass Sänger Jimmy Nymoen umzugsbedingt nicht vor Ort war und somit Musik und Gesang strikt getrennt voneinander entstanden sind.
Differenziertes Songwriting
Dass SIBIIR auf „Undergang“ ausschließlich im Sinne der Songs gearbeitet haben, zeigt sich auch in den cineastischen Instrumentalparts. Die Wucht der Platte wird dadurch enorm intensiviert, da man durch die Musik zu eigenen Emotionen angeregt wird. Ein großes Plus! In „The Plague“ läuft die Band zur Höchstform auf und zeigt, wie man Geschichten gleich auf mehreren Ebenen erzählen kann. Das Spielen mit Dynamik, Tempi und Atmosphären wird hier vorbildlich demonstriert, ohne dass das Ergebnis kalkuliert oder verkopft klingt. Norwegischer Black Metal ist nicht per se rasend, sondern gerne auch mal schleppend, auch diese Eigenschaft machen sich SIBIIR auf „Undergang“ gewinnbringend zu eigen. „The Flood“ überfällt das Land nicht hastig, die Komposition baut sich schrittweise auf und mit dem Ansteigen des Pegels wird auch der Ton schroffer.
Ein Blick nach vorne, wenn auch kein guter
Abschließend zu den bisherigen Lobeshymnen, muss man abschließend natürlich festhalten, dass „Undergang“ von SIBIIR weder ein Gute-Laune-Album, noch eine Empfehlung für die Dauerschleife ist. Der Sound zieht schon runter, und ist nicht in jeder Verfassung passend. Wenn, dann sollte man die Platte aber am Stück hören, um die komplette Schlagseite abzukriegen. Alles daran riecht nach Szene, nach schwitzigen Konzerten in kleinen Clubs und nicht nach glatt geschliffener Vermarktungsstrategie, weil gute Laune eben gerade in ist.
„Undergang“ ist leider ein ziemlich exaktes musikalisches Spiegelbild der Eindrücke der letzten Jahre: Kriege, Klimakrise, Pandemie und das Erstarken von Extremisten jeglicher Art wurden von SIBIIR in Töne übersetzt. Dementsprechend hält die Band kein Kaffeekränzchen, sondern präsentiert stattdessen den vertonten Abfuck, mit allen negativen Emotionen wie Wut, Trauer, Enttäuschung und Angst. Und das ins Finale rasende „The Famine“ (zu dt. die Hungersnot) könnte inhaltlich in wenigen Jahren tatsächlich eine Folge von falscher Politik im Hinblick auf das Klima sein, von daher ist die Platte auch als anregender Warnschuss zu verstehen.
Dauer: 42:42
Label: Fysisk Format Records
VÖ: 14.06.2024
Tracklist „Undergang“ von SIBIIR
Divergence and Deceit
Placid Waters
Ruinous
Engerdal
The Flood
Watch … from a House on Fire
The Plague
Wearing the Weight
The Famine
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