Lest die Review zu "180 Grad" von SIR MANTIS bei krachfink.de

Sir Mantis – 180 Grad – Review

Mit “180 Grad” veröffentlicht SIR MANTIS endlich ein Album, umtriebig im Untergrund ist der Leipziger schon lange und wahrlich kein Unbekannter. Er vertritt selbstbewusst (s)eine Position, die vielen Testo-getriebenen, dicke-Hose-Rappern und deren Fans nicht gefallen werden. Also so gar nicht. In erster Linie haben wir es hier es aber erstmal mit starker, kreativer Musik und klugen Texten zu tun. Texte, die so wahr sind, dass man manchmal bitter lacht.

Aber eben auch Texte, die so wahr und damit extrem ermutigend sind, weil die Bewegung nicht mehr aufzuhalten sein wird. Schluss mit Transfeindlichkeit (don’t call it phobie…) und toxischer Männlichkeit. Stattdessen lieber Feminismus und ein offener – aber auch gerne differenzierter – gesellschaftlicher Umgang mit Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen.

Qualität, Tiefe und Spaß

Wie SIR MANTIS Qualität und Tiefe mit Spaß zusammenbringt, das ist das eigentliche Geheimnis von “180 Grad”. Es macht einfach erstmal Bock ihm zuzuhören, weil die Beats sitzen und der einen überragenden Flow hat. Die Botschaft schwingt zwangsläufig mit und zeigt, dass cool und smart sehr wohl zusammenpassen. Denken erlaubt. Während andere vereinzelte Diskriminierungserlebnisse sammeln mussten, hat SIR MANTIS sich an allen Ecken eine Schippe Shit abgeholt.

Toleranz, gerne, aber in erster Linie für mich

Ein feministischer Transmann passt nicht so wirklich in die Schwulen- oder Lesbenszene und verlangt den queeren Gesellschaft ab, sich tatsächlich mal so offen und tolerant zu zeigen, wie sie es für sich selbst einfordern. Überraschung: War dann doch nicht immer so. Aber diese Erfahrungen sorgen dafür, dass SIR MANTIS so vielschichtige Songs wie “Kosmetikkrieg” schreiben und authentisch präsentieren kann. Man spricht immer von diesem Schwäche zur Stärke machen, genau das ist SIR MANTIS eindrucksvoll gelungen.

Darauf folgt dann ein lässiger, augenzwinkender Song wie “ZSKG”, der sich schlicht ums ständige Zuspätkommen dreht und mit gutem Humor punktet. In “Geheimtreffen” überspitzt er wiederum gekonnt die Bedenken von Verschwulung und macht die Homo-Lobby zur elitären und Schaltzentrale, die die Fäden im Hintergrund zieht und die Macht beansprucht.

Das Märchen von der Chancengleichheit

Abgesehen von den bereits eingangs genannten Themen, skizziert SIR MANTIS auf seinem Album “180 Grad” auch die Tatsache, dass eben nicht alle den gleichen Start und die gleichen Chancen haben. Einmal als “Randgruppenkind” abgestempelt, gehen ganz schnell ganz viele Türen zu und stattdessen eher die falschen auf. Der Songs “666” handelt von der Dominanz des Christentums. Während queere Aktivisten und Aktivistinnen nun im ZDF-Fernsehrat gehört werden – immerhin – und um Sichtbarkeit und Sendeplätze ringen, steht der Kirche schon seit Jahrzehnten ein fest eingebuchtes Kontingent an Sendezeit zur Verfügung, dass sie natürlich auch bissig verteidigen.

Auch mit den in “Roboclean” thematisierten Klassenunterschieden und der Vorgaukelei von vermeintlichen menschlichen Wertigkeiten können viele etwas anfangen. “180 Grad” von SIR MANTIS ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu “Sorry Not Sorry”, denn es kann ein Anfang sein, sich nicht mehr ständig für das Anders-sein zu entschuldigen. Null verkopft, kein Stück verbissen, sondern lässig as fuck. Zeit steht auf unserer Seite, isso.

Dauer: 43:54
Label: Springstoff 
VÖ: 26.08.2022

Tracklist “180 Grad” bei SIR MANTIS
Der Florist
Haus am See
Randgruppenkind
Roboclean
Kosmetikkrieg
ZSKG feat. D-Vee
666
Ahnma feat. Wunstra
Pick up Artist feat. DJ Riva
Geheimtreffen feat. Ira Atari
Sorry not Sorry
180 Grad

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