Surreal Fatal – Fuge – Review
Es stimmt schon, dass „Fuge“ die erste Platte von SURREAL FATAL ist. Aber dass es in den Herzen und Köpfen der Hamburger Band schon seit Längerem gärt, merkt man diesem hochexplosiven Punkdebüt an. Überfallartig tönen die Instrumente aus der Anlage, das einleitende Klavier ist lediglich eine kurze Aufwärmübung für die Nerven. Von da an gibt es Dauerfeuer, wie angespitzte Glasscherben fliegen die schlechten Nachrichten durch den Raum, flankiert vom doppelten stimmlichen Angriff und umhüllt von den lärmenden Instrumenten.
„Fuge“ – Mehr als nur ein musikalisches Prinzip
Sollten SURREAL FATAL mit dem Albumtitel „Fuge“ nicht auf das mehrstimmige, musikalische Kompositionsprinzip anspielen, sondern auf den ziemlich schmalen Zwischenraum, der uns noch bleibt, ist der Alarm berechtigt. Die Band interpretiert Punk unmissverständlich als Widerstand; produziert von Hauke Albrecht und dann noch von FINNA und Saskia Lavaux (u.a. SCHROTTGRENZE) im Studio Waltraud, scheint „Fuge“ zu einem einzigen widerstandsfähigen Block geschliffen worden zu sein. Die präsenten Melodien in „Zähne“ oder „Sternbrücke“ wirken bewusst nur innerhalb eines begrenzten Bereiches, was die Platte extrem gut auf Spannung zieht. SURREAL FATAL funktionieren als Band und nicht als Einzelspieler, mit geballter Kraft rütteln sie an den gleichen Widerständen. Selbst wenn es vermeintlich harmonische Parts zu hören gibt, dann ist eindeutig klar, dass hinter der nächsten Ecke wieder Unheil und darauf reagierende Wut wartet.
Angriff statt Rückzug
SURREAL FATAL präsentieren ihre Kritik über gesellschaftliche Abgründe, das Prinzip von Macht und Intrigen und schmutzige Kleinkriege innerhalb der Szene immer klar, aber doch auf ungewöhnliche Art auch abstrakt. Der zweistimmige Gesang schaukelt sich gegenseitig hoch, erinnert eher an Hardcore mit seinem Prinzip des Call-and-Response. Mit dieser Herangehensweise reihen sich SURREAL FATAL in die Riege der Bands ein, die zwar von den Strukturen her an TURBOSTAAT erinnern, aber eben wie die deutlich radikalere Version derer und im Vergleich zu einem damals schon radikal krakeelend wirkenden Alex von PASCOW nochmal eine Spur verschärfter wirken.
In jeder Sekunde ist die Verachtung spürbar, aus der der scheinbar nicht enden wollende Fragenhagel resultiert. Für ihre Batzen lassen SURREAL FATAL mitunter Zeit; für die Hit-Strukturen von „Kulisse“ – etwas weniger Distortion und ein bisschen Anpassungen im Refrain und die üblichen Verdächtigen Hauptbühnen-Punks bei Rock am Ring würden sich freuen – lassen sie sich durchaus Zeit. Das anfangs nach vorne stürmende Paukenschlag ergießt sich in einem Hybrid aus Shoegaze und Post-Rock.
Die Band als Einheit: Punk mit geballter Wut
Mit der nicht zu leugnenden Kausalkette von „Nordmeer“ schnüren uns SURREAL FATAL feat. FINNA dann die Kehle endgültig zu. Für mich einer der radikalsten Ohrwürmer des Jahres und in seiner klaren argumentativen Pracht, gepaart mit wütend schnaubenden Gitarren und Drums, äußerst bemerkenswert. „Fuge“ von SURREAL FATAL endet mit „Retirada“, alles vorher Gehörte klingt aber eher nach Angriff statt nach Rückzug. Allerdings ist es nur eine Frage der Zeit, bis manchen die Kräfte ausgehen. Während man in Hamburg noch wütend gegen den geplanten Abriss von Clubs skandiert, gibt es in vielen Städten schon lange keine mehr.
Dauer: 31:12
Label: Rilrec / Rookie Records
VÖ: 15.11.2024
Tracklist „Fuge“ von SURREAL FATAL
Intrada
Fuge
Zähne
Februar
Ruede
Kulisse
Beton
Sternbrücke
Skit
Nordmeer feat. FINNA
Monument
Retirada
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