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Susanne Matthiessen – Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehen – Roman einer Sylter Jugend – Review

Mit ihrem Roman “Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehen – Roman einer Sylter Jugend” spendiert uns die Autorin Susanne Matthiessen einen (fast) kostenlosen Gedankentrip nach Sylt. Sie ist dort geboren und leitet den Roman mit den aktuellen Auswirkungen der Pandemie ein. Das mag erst irritierend wirken, dass und warum der Sehnsuchtsort der Deutschen zu Anfang von Corona so extrem belagert wurde, hängt aber maßgeblich mit der Prägung der Insel zusammen.

Ein schöner und gleichzeitig beängstigender Nebeneffekt ist der, dass die Bewohner und Bewohnerinnen von Sylt aufgrund des Beherbergungsverbots “ihre” Insel erstmal wieder für sich hatten. Nun war es endlich nach langer Zeit mal möglich, so ganz ohne Gäste, zu erfassen, welche Gebäude und Plätze von Fortschritt und Wachstum tatsächlich weggesprengt wurden. Was ist eigentlich noch übrig, vom ursprünglichen Charme Sylts?

Schnell weg von der Insel

Grundsätzlich führt uns “Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehen – Roman einer Sylter Jugend” von Susanne Matthiessen aber zurück in ihre Jugend. Sie beschreibt die Sturmflut, das Robbensterben und die absurde Selbstverständlichkeit, dass die Eltern stark darum bemüht waren, dass ihre Kinder diese schöne Insel so schnell wie möglich verlassen. Chancen wahrnehmen und Bildung umsetzen, so nennen es die einen. Aber eigentlich war es der dringende Wunsch, der Traum der Eltern stellvertretend für sie zu leben.

Wer auf der Insel für immer klebenblieb, gehörte zum Kreis der bemitleidenswerten Verlierer und Verliererinnen. So wie Pfüschi, die (fiktive) Freundin von Susanne, die es eben nie wirklich von der Insel geschafft hat. Noch dazu hat Pfüschi ein dunkles Geheimnis, das aufzeigt, dass auch auf der Insel böse Dinge geschahen und das Dorfleben nicht nur verbindet, sondern auch zum kollektiven Schweigen und Übersehen von innerfamiliären Missständen anregt.

Humorvoll, aber auch langfristig tragisch

Susanne Matthiessen hat einen erfrischenden und staubtrockenen Humor, der sich in ihrem Roman “Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehen – Roman einer Sylter Jugend” oft an eigentlich unpassenden Stellen äußert. Zum Beispiel, wenn sie näher auf die Überheblichkeit der Sylter gegenüber den Bewohnern und Bewohnerinnen der DDR eingeht oder wenn sie davon schreibt, dass ihr Papa Peida sich zwischenzeitlich auf einem Abenteuertrip befand, angeregt von der Camel-Trophy und dem damaligen Wunsch nach Action. Manches Mal unterscheidet sich die Erfahrungen nicht so stark vom Rest Deutschlands, aber vieles ist schlichtweg inselspezifisch. Ihre Beschreibungen des aktuell so stark wie nie boomenden Bau-Wahn, machen traurig.

Fast überflüssig zu erwähnen, dass die Einheimischen und historisch originellen Plätze mittlerweile deutlich von künstlich errichteten Luxus-Refugien der Schönen (Anmerkung d. Verf.: Ansichtssache) und Reichen verdrängt wurden. Wer schon einmal auf einer Nordseeinsel war, dem wird sich bei der Lektüre ein präziseres Kopfkino offenbaren. Alle anderen sei dringend, vor jeder ach so bereicherndes Flugreise in andere ferne Länder, ein Urlaub auf einer solchen Insel empfohlen. Wir sind gerade dabei, diese liebenswerten Kleinode zu zerstören und wer weiß, wie lange das noch möglich sein wird.

Seiten: 272
Verlag: Ullstein Verlag
ISBN-10: 3550201915
ISBN-13:  978-3550201912
VÖ: 10.03.2022

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