Thrice Horizons East Artwo

Thrice – Horizons/East – Review

Wenn eine Band wie THRICE nach 23 Jahren Bandbestehen mit “Horizons/East” ein neues Album veröffentlicht, sollte man versuchen bei einer Bewertung einen Schritt nach hinten zu treten. Mag man die Musik nur aus Prinzip, ist das wirklich gut oder fehlt da – selbst bei Album Nummer 11 – ein entscheidender Entwicklungsschritt nach vorne? Man führt die Band weiterhin als Post-Hardcore, Fragmente davon kann man mit Sicherheit im Songwriting hören, selbstredend reicht das Spektrum aber mittlerweile deutlich weiter.

Die Bemühung um Objektivität ist allerdings komplett dahin, sobald der zwischen sanft und kratzig schwankende, prägnante Gesang von Dustin Kensrue im Opener “The Color Of The Sky” erklingt und die überragende Schlagzeugarbeit von Riley Breckenridge einsetzt. Beides steht abwechselnd (oder gemeinsam) im Zentrum der Kompositionen, sicher umrandet von Gitarre, Bass, Klavier und Synthies. Der weit ausholende, anschwellende Auftakt, fährt mit allen Stärken der Band auf und legt die Messlatte für alles Folgende enorm hoch.

Neue Ideen und alte Stärken

Im Vergleich zu den letzten Platten ist auf “Horizons/East” der Bass etwas deutlicher zu hören, was den Klang von THRICE runder macht und die Mangel stärker betont, in die die Band uns zweifelsohne nimmt. Gerade für Songs wie “Buried In The Sun”, die enorm von dem Wechselspiel aus Rhythmus, Wut und harmonischem Refrains zehren, ist dieser Rahmen wichtig. In meinen Ohren klangen THRICE lange nicht so atmosphärisch.

Ein Großteil der Gesangslinien bleibt umgehend hängen und THRICE schafft interessante polyrhythmische Kombinationen, die nicht immer vorhersehbar sind. Derart erfrischende Kompositionen kann man, bezugnehmend auf die eingangs skizzierten Erwartungen, auf jeden Fall auf der Haben-Seite notieren. Stramm nach vorne marschierende Songs wie “Summer Set Fire To The Rain” sind da eher erwartbar, aber nicht minder packend.

Über Höhen und Tiefen

Was eben letztendlich auch maßgeblich an Dustin Kensrues packend Gesang liegt. Wenn er den Song gemeinschaftlich mit seinen Kollegen zur post-rockigen-Ekstase führt, ihn förmlich aufbrausen lässt und sich lautstark fragt, wie lange wir noch warten müssen, bis alles gut wird, bekommt man als Musikfan zwangläufig Gänsehaut. Das folgende “Still Life” schließt auch thematisch an den Vorgänger an, wischt den Träumern die Euphorie aus den Augen. Denn das Leben besteht aus Höhen und Tiefen, was THRICE musikalisch in einem nostalgischen Grunge-Mantel einschlagen, verfeinert mit einigen Shoegaze-Spitzen.

THRICE benötigen nicht zwingend eine organische Basis, um wirken zu können und treffen in “Roboter Soft Exorcism” auf einen sanft pumpenden Takt, gegen dessen Kühle und stoische Art sie dann erst mit akustischen und lauten Gitarren antreten.

Who is the dreamer? What is the dream?

Das Album wühlt auf eine ganz angenehme Art auf, kalibriert den Atem (“Dandelion Wine”) und hallt nach. Es gibt Momente, die etwas zu dick aufgetragen erscheinen, in denen selbst eine Band wie THRICE zu viel will. Selbst wenn die einzelnen Fragmente toll klingen, so wirkt “Dreamer”, mit seinem Anspruch Traum und Alptraum abbilden zu wollen, etwas zu überladen. Das abschließende “Unitive/East” erscheint einem Finale auch erstmal gar nicht würdig, wo bleibt der Knalleffekt? Am Ende steht diese Klavierballade aber sinnbildlich für die Stimmung, die das Album vorweg aufgebaut hat.

Mit Wärme und echten Emotionen ist einiges möglich in dieser Welt. Vollkommen nachvollziehbar, dass THRICE für viele ein großes Ding sind. Mit “Horizons/East” werden all diejenigen zufrieden sein, die die Band für ihre handwerklichen Fähigkeiten und das Extraquäntchen Emotionen schätzen. Man neigt schon dazu, dekadent zu sein und diese Bandbreite bei THRICE vorauszusetzen und darüber deren Einzigartigkeit zu vergessen.

Dauer: 42:45
Label: Epitaph Records
VÖ: 17.09.2021

Tracklist „Horizons/East“ von THRICE
The Color Of The Sky
Scavengers
Buried In The Sun
Northern Lights
Summer Set Fire To The Rain
Still Life
The Dreamer
Robot Soft Exorcism
Dandelion Wine
Unitive/East

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